Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sl. Ingberler AAnzeiger. 
— 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich? mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Dounerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteljahrlich 
A 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A6 60 H, einschließlich a0 Zustellgebühr. Auzeigen werden mit 10 B, von Auswärts 
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blatischrist oder deren Raum, Reclamen mit 30 — pro Zeile berechnet,. 
MAß 150. Sonntag, den 19. September 
Deutsches Reich. 
Berlin. Man schreibi der „Trib.“. Die „Varnbüler⸗ 
schen Enthüllungen““, welche man von vielen Seiten geneigt 
var, für „besiellte Arbeit“ zu halten, bereiten im Gegentheil der 
Regierung ernste Verlegenheiten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß 
ein offizioͤses Dementi in einer oder der anderen Form in kurzem 
erfolgt. Bei den bekannten Beziehungen, welche zwischen dem ehe⸗ 
maligen Minister Waddington und dem Fürsten Bismark auf dem 
Berliner Kongreß angeknüpft wurden und seitdem fortbestanden 
haben, hat die Heranziehung gerade dieses Namens, wie wir mit 
Zestimmtheit hören, sehr peinlich berührt. 
Ausland. 
London 17. Sept. Die „Tims“ meldet aus Gravosa vom 
16. September: In der heutigen: Konferenz der Admirale 
vurde beschlossen, die fremden Konsulate in Skutari und Dulcigno 
uufzufordern, ihre Familien sofort an einen sichern Ort zu bringen. 
Wie aus Benghasi (Tripolis) dem „Figaro“ telegraphirt 
wird, erschien dort am 285. August die deutsche Korvette „Victo⸗ 
a⸗ deren Kommandant durch Vermittelung des italienischen Kon— 
juls den Pascha von Tripolis zur sofortigen Zahlung von 20,000 
Frcs. aufforderte als Entschädigung für die von den Barbaresken 
Jerübte Plünderung der Gerhaärd Rohlfs'schen Expedition. Der 
Pascha lehnte die Jahlung ab. Der Kommandant der „Victoria“ 
andete mit seinem Stab und stattete, von bewaffneten Matrosen 
zegleitet, dem italienischen Consul einen Besuch ab. Die Corvette 
zing sodann wieder in See (an die albanesische Küste, wohin sie 
jeulich beordert worden war), nachdem angekündigt worden war. 
je werde bald mit einem Escadre zurückkehren. 
Vermischtes 
4 Die pfälz. Bahnen vereinnahmten in den verflossenen 8 
Monaten von 1880 um 793,057 M. 23 Pf. mehr, als in dem 
Jleichen Zeitranm von 1879. 
4 In der Nacht vom 28. zum 29. v. Mts. wurden 137 
Rebstöcke und 11 Obstbäumchen im Gesammtwerthe von über 100 
Mark zum Nachtheile der Ackerer Philipp Jakob Albrecht und Johann 
Schönlaub VI. von Minfeld abgeschnitten. Als muthmaßlicher 
Thäter wurde Johann Hickel von dort angezeigt. 
F Nach der „Metzer Ztg.“ hat die Straßburger Tabakmanufaktur 
die Absicht, auch in Lan dau eine Zweigniederlassung zu gründen. 
4 Am 15. ds. explodirte das in der Nähe von Speyer 
tehende Laboratorium der Feuerwerksfabrikanten Kilian, wobei einer 
der Brüder Kilian schwere, der andere leichtere Verletzungen davon⸗ 
trug. Das Unglück ist der „Sp. Z.“ zufolge durch eine vom Winde 
umgeworfene Spirituslampe entstanden. Außer den Feuerwerks⸗ 
lörpern explodirlen noch 2 Centner Pulver. 
4 Eine Brücke aus der Zeit Karls des Großen. In der 
aüchsten Nahe von Kastell bei Mainz wird eben durch Taucher 
zie Hebung der alten Brückenpfeiler vorgenommen, und es ist ge— 
lungen, bdis jetzt 40 solcher Pfeiler, die eine Länge von 428 
Meler haben, zu Tage zu fördern, nachdem sie dort gegen 1000 
Jahren geruht. Die Bruͤce war von Karl dem Großen gebaut. 
Hleichwohl sind dieselben sehr gut erhalten, so daß sie sich zu Werk— 
jolz noch vorzüglich eignen. 
In der Umgegend von Mesz hofft man mit der Weinlese 
am 23. oder 25. d. Pits zu beginnen. Die Qualität der Trauben 
wird eine sehr gute sein, die Quantität dagegen aäußerst gering 
mfolge der enormen Frostschäden, die der letzte Winter verursachte. 
Die übertriebenen hohen Preise, zu denen die Winzer ihre Waaren 
oszuschlagen suchen, erhalten einen wohlthätigen Druck durch die 
donkurrenz aus Italien, das massenhaft Trauben nach deutschen 
Märkten versendet. Obst, zumal Kernobst, ist dieses Jahr ziemlich 
heuer. Die Händler zahlen auf dem Lande für Zwetschen 17-18, 
ür Birnen 24, für Aepfel 17-ÿ19 Mark pro 100 Kilo. 
Passau, 13. Sept. Bei der für Niederbayern heute 
deginnenden 4. ordentlichen Schwurgerichtssitzung sind unter den 
39 zur Aburtheilung gelangenden Fällen 18 Anschuldigungen wegen 
Verhrechen des Mespeldes 
f Hinrichtung. In Angouldme wurde am 16. d. 
früh der zum Tode verurtheilte Mutte rmörder Huart guillotiniert. 
Wie das französische Gesetz für Elternmörder vorschreibt, wurde der 
Deliquent im Hemd, barfüßig und das Haupt mit einem schwarzen 
Schleier bedeckt, auf die Richtstädte geführt. 
Kopenhagen, 16. Sept. Der Flußdampfer „Braun— 
chweig,“ auf der Fahrt von Bremen nach Stettin, ist in der Nord— 
ee gesunken; eine Person ist ertrunken, 12 sind gerettet, in Skagen 
zelandet und heute in Frederikshaven eingetroffen. 
— Der vielbesprochene deutsche Gesandte am dänischen Hofe, 
Baron Magnus (der gegenwürtig auf seiner Besitzung Gaggenan 
in Baden weilt), hal schon einmal viel von sich reden gemacht, 
allerdings mehr zu seinen Gunsten, als jetzt nach der Affaire mit 
der franzosischen Schauspielerin. Als im Juni des Jahres 1867 
die Macht Kaisek Maximilians, der das romantisch gelegene Mira— 
mare mit dem blutigen Thron Mexicos vertauscht hatte, durch 
Juarez gebrochen war und der unglüdliche österreichische Erzherzog 
Jefangen seines Todesurtheils harrte, verließen ihn sämmtliche bei 
ihm beglaubigten europäischen Gesandten, der österreichische, welcher 
wohl zumeist berufen war, ihn zu schützen, als der erste. Sie 
zürchteien die Rache des Präsidenten Juarez, mehr aber noch den 
aufgeregten mexikanischen Pöbel, welcher gegen alle Ausländer auf's 
iußerste erbittert war. Nur der preußische Gesandte, Baron Magnus, 
oerhatrie auf seinem Posten und that sein möglichstes, den deutschen 
Fürsten zu retten, drang sogar bis ins Hauptquartier des gefürchteten 
Juarez und blieb, als auch sein persönliches Bitten bei diesem frucht— 
'os war, bis zum letzten Augenblicke bei dem unglücklichen Kaiser. 
Daß seine Bemühungen ohne Erfolg waren, nimmt denselben nicht 
hren Werth. Die dekannte Fürstin Salm⸗Salm, Gattin des später 
uls preußischer Major bei Gravelotte gefallenen Adjutanten des ge⸗ 
nordeten Kaisers, nennt in ihrem interessanten Werk „Zehn Jahre 
uus meinem Leben“ den Baron Magnus, „den einzigen Mann“ 
von allen dortigen Ausländern. Durch seine aufopfernden Be— 
mühungen für den Bruder des österreichischen Kaisers that der Ge⸗— 
mndte indirelt viel zur Wiederherstellung des nach dem Kriege von 
866 ganzlich erkalteten guten Einvernehmens beider Länder. Zur 
geerdigung des Erzherzogs wurde er nach Wien geladen und Kaiser 
Franz Jofeph, so wie sämmtliche Mitglieder des Herrscherhauses 
prachen ihm in warmen Worten ihren Dank aus. 
p In dem Zeitraume vom 1. Januar 1873 bis zum 16. 
Mai 1880 sind amtlichen Ausweisen zufolge 1965 Schiffe zu 
Frunde geganger oder verschollen. Bei diesen Schiffsunfällen sind 
10,827 Menschen umgekommen. Vom 1. Januar bis 16. Mai 
ds. Jahres find 78 Schiffe von 45,750 Tonnengehalt mit 331 
Menschen untergegangen. 12 waren mit Getreide, 11 mit Kohlen, 
i2 mit Meiallen und Metallerzen und 18 mit Bauholz befrachtet. 
Eleltrischer Schmelzofen. An der Spitze der 
ieuesten Fortschritte steht der nunmehr aus dem Stadium der 
Theorie in das der praktischen Experimente getretene elektrische Schmelz⸗ 
fen von Dr. William Siemens, durch welchen nach der Versicher⸗ 
ing des berühmten Metallurgisten an den Schmelzkosten /s erspart 
verden und auch die schwerflüssigsten Metalle wie Platin an die 
Macht des Feuers zu giauben gezwungen sind. Der Ofen ist ein 
ehr einfaches Ding. Man denke sich einen Graphittigel, in wel⸗ 
hen von oben und unten in Kohlenspitzen endende Telegraphen · 
rähte eingeführt werden. Der in dem einen Draht eingeführte 
letirische Strom springt zum gegenüberliegenden über und bildet 
dabei den aus der elektrischen Lampe bekannten volt aischen Bogen, 
jegen dessen Hiße kein Kraut gewachsen ist. Hierbei zerschmilzt das 
n dem Tiegel befindliche Metall wie Butter. Der eleltrische Schmelz⸗ 
fen unterscheidet sich, abgesehen von der Warmewirkung, von den 
Aisherigen hauptsachlich datin, daß die Kohle nicht unter demselben, 
'ondern in einer beliebigen Entfernung in dem Kessel einer Dampf⸗ 
naschine verbrennt, welche die dynamo⸗eleltrische Maschine bricht 
ind damit den schinelzenden Strom erzeugt. Die Frage ist nun, 
ob sich der Ofen, dem Kopfschütteln det Hüttenmänner zum Trotze 
im Großen dewährt. In. diesem Falle (chreibt ein Fachmann in 
Xti 2.wesdem wir folgen) sehen wir einer neuen Umwälzung