Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

kanntlich ein Mordversuch gerichtet ward, ist vor einigen Tagen 
mit seiner Familie nach München übergesiedelt. Der Uebelthäter 
jenes raffinirten Attentates konnte trotz der eifrigsten Thatigkeit 
denselben zu eruiren, bis zur Stunde nicht ermittelt werden. Ein, 
vor längerer Zeit entlassener böhmischer Arbeiter, welcher auf drohende 
Aeußeruͤngen hin, die er bei seiner Entlassung gemacht hatte, ver⸗ 
haftet worden war, mußte Mangels genügender Verdachtsgründe 
wieder freigelassen werden. Durch den Umstand, daß die gepflogenen 
eingehendsten Recherchen bezüglich der Ermittelung des Verbrechers 
gänzlich resultatlos blieben, verliert die erstliche Annahme, daß der 
geplante Mordversuch das Werk eines Komplottes sei, an Wahr⸗ 
scheinlichkeit und gewinnt nunmehr die allenthalben herrschende Mein⸗ 
umg, daß die erwähnte Unthat von einer einzigen Person ersonnen 
und auszuführen versucht worden war, immer mehr und mehr an 
Bestimmtheit. 
F Eine seltsame Leichenbeschau. Der Kur. f. Niederb. 
erzählt: Jüngst kam in Vilsbiburg ein Bauer zum Bezirksarzte 
mit der Neldung, daß ihm sein Kind gestorben sei. Ja, meinte 
der Bezirksarzt, Das sei recht, aber er müsse das Kind doch sehen. 
Da wurde der Bauer verlegen und sagte, es sei Alles so verweht, 
daß der Bezirksarzt nicht hinauskommen könne, er selbst sei nur bei 
voller Kenntniß der Wege mit größter Anstrengung — es sei ihm 
der Schnee bis an die Brust gegangen — nach Bilsbiburg herein— 
gekommen. Deßhalb habe er das Kind gleich mit herein gebracht 
— hier zog er einen Korb vor, öffnete ihn und präsentirte die 
Kindsleiche. An dem Tode des Kindes war nicht zu zweifeln; 
aber um die Formalitäten zu erfüllen, meinte der Herr Bezirksarzt, 
müsse auch der Ortsbürgermeister davon wissen. Ja den werd' ich 
bald haben, sagte der Bauer; der ist heut auch in Vilsbiburg, den 
such ich halt. Nun legte er das Kind wieder in den Korb und 
machte sich damit auf den Weg in die verschiedenen Wirthshäuser, 
bis er endlich den Bürgermeister fand nnd auch ihm die Kindesleiche 
vorwies. 
7 Die „Frkf. Ztg.“ schreibt: „Auf vielfach an uns ergangene 
Anfragen in Betreff des Unglücks auf der Tay-Brüche haben 
wir uns telegraphisch nach Dundee gewendet und von dort die 
Antwort erhalten: Unter den Verunglückten befindet sich kein 
Deutscher.“ 
FSydnehyausstellung. Betreffs der deutschen Ausstellung 
in Sydeney schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.“: In der Möbel— 
branche sind wir auf der dortigen Ausstellung unbestritten die ersten 
und haben selbst Frankreich, das bisher als maßgebend und uner 
reicht dastand, den Rang abgelaufen. Auch unsere Golde und 
Silberwaarenindustrie, unsere musikalischen Instrumente, unsere 
Weißzeugindustrie, wollene Decken und Flanelle u. A. m. haben 
mehr oder weniger große Erfolge erzielt und sowohl durch treffliche 
Auswahl wie durch elegante Ausstattung das bisher in Australien 
bestehende Vorurtheil gegen deutsche Industrieerzeugnisse, das aller— 
dings nicht ganz ohne unser Verschulden entstanden war, zerstört. 
Nach der Niederlage in Philadelphia der erste bedeutungsvolle Sieg. 
Sache des deutfchen Gewerbes und der deutschen Industrie wird es 
nunmehr sein, auf der bestrittenen Bahn weiter vorzugehen und die 
errungenen Erfolge festzuhalten. Eine Lücke weist die deutsche Aus— 
stellung in Sydney insoferne auf, als unsere Alfenide- und Neu— 
silberfabrikate günzlich fehlen, während dieselben ganz hervorragend 
dazu geeignet gewesen wuͤren, ein Absatzgediet dort sich zu erodern 
und für die Zukunft zu sichern. Bisher beherrschten England und 
Nordamerika den australischen Markt mit diesem Artikel fast ganz 
allein und hatten einen bedeutenden Erxport dorthin. Jetzt hat es 
Frankreich verstanden, mit seinen Christoflefabrikaten sich erfolgreich 
in Konkurrenz zu setzen, und es steht fast außer Zweifel, daß 
Deutschland, wenn es in Melbourne mit Geschick und Geschmad 
seine Neusilber⸗ und Alfenide-Fabrikate zur Geltung zu bringen 
weiß, auch seiuen Antheil an diesem Markte noch finden, vielleicht 
gar die bisherigen Mitbewerber auf demselben schlagen kann. Diese 
kurzen Andeutungen werden fürs Erste hinreichen, um einen Finger— 
zeig für die Ausstellung in Melbourne zu geben, deren Dauer auf 
die Zeit vom 1. Oktober 1880 bis 31. Marz 1881, berechnet ist. 
4 Eine Kohlenvergiftung auf der Thüringer Bahn mahnt 
die Vahnverwaltung zu großer Vorsicht. Eine Dame bestieg wohl 
und heiter den Bahnzug und der geheizte Wagen der 2. Klasse 
entwickelte eine wohlthätige Wärme, bis die Tame auf einmal 
äußerst schläfrig wurde. Auf der vorletzten Station ihrer Fahrt 
fand sie der Schaffner, der das Billet hier abzunehmen hatte, an—⸗ 
scheinend todt am Boden liegen. Ins Freie gebracht, kehrten erst 
nach 10 Minuten die ersten Anzeichen des Lebens wieder. Die 
Dame erinnerte sich noch der eingetretenen Müdigkeit, fühlte sich 
aber auch zugleich nicht mehr stark genug, die Fenster zu öffnen. 
Nur dem zufälligen Umstande der Billetabnahme verdankt sie die 
Erhaltung ihres Lebens. Es ist mehr als dringend zu wünschen, 
daß die Bahnverwaltungen auf derartige Heizeinrichtungen ein auf⸗ 
merksames Auge richten und überhaupt Apparate, welche Gefahren 
nicht ganz ausschließen, ganz und gar abschaffen. 
4 Für die gewerbliche und landwirthschaftliche Ausstellung 
des Pfalzgaues in Mannheim während der Zeit vom 15. Ju 
bis 8. bezw. 18. Oktober 1880 ist nunmehr das Programm er 
schienen. Für die zur Ausstellung zugelassenen Gegenstände wird 
eine mäßige Platzmiethe erhoben, deren Höhe die einzelnen Aus— 
stellungsabiheilungen feststellen. Betriebskraft und Transmissions⸗ 
welle zur Kraftübertragung wird unentgeltlich zur Verfügung ge⸗ 
tellt, doch haben sich die betr. Aussteller darüber mit dem Central⸗ 
romite zu verständigen. Die Ausstellung zerfällt in 19 Gruppen 
ind zwar: 1) Bergbau, Hütten- und Salinewesen; 2) Chemische 
Industrie; 8) Stein⸗, Thon⸗ und Glaswaaren; Möbel und sonstige 
Holzwaaren; 5) Metall-Industrie; 6) Maschinenwesen, Eisenbahn⸗ 
ind Schiffsbedarf; 7) Landwirthschaftliche Maschinen und Geräthe; 
3) Forsiwirthschaft, Jagd und Fischerei; 9 Nahrungs- und Ge⸗— 
nußmitiel; 10) Tertil- und Bekleidungs-Industrie; 11) Papier-, 
Fautschuk⸗ und Leder-Industrie; 12) Fahr-, Reit- und Reise⸗Re⸗ 
quisiten; 18) Kurzwaaren; 14) polygraphische Gewerbe; 15) wissen⸗ 
chaftliche Instrumente und Apparate für die Gesundheitspflege; 
16) Musik-Instrumente; 17) Baus und Ingenieurwesen; 18) Schul⸗ 
wesen und Lehrmittel; 19) Kunstgegenstände und kunstgewerbliche 
Erzeugnisse der Vergangenheit. Interessenten sind gebeten, wegem 
des Näheren sich entweder an die Handels- und Gewerbekammer 
oderd an die Bezirksgremien, welche im Besitze der ausführlichen 
Programme sind, zu wenden. 
Zur Eisenbahn-Katastrophe in Schottland. 
f London, 29. Dezbr. Ueber das fürchterliche Eisenbahn— 
unglück zwischen Edinburg und Dundee wird der „Fr. 3.“ 
gemeldet: 
Ein enisetzlicher Sturm fegte heute (Sonntag) Nacht über 
Dundee hin und riß einen Theil der Taybrücke nieder, auf welcher 
iich der um 724 Uhr fällige Eisenbahnzug von Edinburg befand. 
Han nimmt an, daß der Zug im Wasser begraben ist, allein der 
Sturm ist noch immer so heftig, daß kein Dampfboot im Stande 
var, sich der Brücke zu nähern. Von der Fiefeseite war gehörig 
ignalisirt worden, daß der Zug 14 Minuten nach 7 Uhr die 
dundeebrücke passirt habe; man hat denselben auch auf der Brücke 
zesehen und kurz darauf einen plötzlichen Feuerstrahl benerkt. Man 
Jlaubt, daß der Zug aus den Schienen gekommen und über die 
Brücke gestürzt ist. Diejenigen, welche das Unglück mit angesehen, 
rilten sofort zur Taybrückenstation in Dundee und berichteten 
—ADDD— 
zraphische Verbindung mit dem Signalisten auf der Nordseite de 
Brücke; allein als man den Telegraphen über die Brücke spieler 
assen wollte, zeigte es sich, daß die Drähte zerrissen waren. De 
Stationsvorsteher und der Lokomotivsuperintendent entschlossen sich 
jierauf, ungeachtet des furchtbaren Sturmes, so weit als möglich 
uuf der Brücke vorzudringen, um sich über den Umfang des Un— 
zlücks zu vergewissern; Beide waren im Stande, eine beträchtliche 
entfernung vorzurücken; das Erste was sie erblickten, war ein 
Wasserstrahl aus einer gebrochenen Röhre, welche Newport mit 
Wasser versorgt und der Brücke entlang geführt ist. Etwas weiter 
vordringend konnten sie bei dem hellen Mondlicht deutlich eine 
jroße Lücke entdecken, welche durch den Einsturz der Brücke ent⸗ 
tanden war, nach ihrer Schatzung etwa zwei oder drei der mäch⸗ 
tigsten Bögen. Sie glaubten jedoch, am anderen Ende der Brücke 
ein rothes Licht zu entdecken und gaben sich der Hoffnung hin, 
daß der Zug drüben zum Stehen gebracht worden sei, nachdem 
der Majschinist den Einsturz der Brücke bemerkt. Diese Hosinung 
erwies sich aber leider als eine trügerische. An der Boughly-Ferry, 
nier Meilen unter der Brücke wurden mehrere Pottbeutel ans Ufer 
jeschwemmt und herrscht jetzt kein Zweifel mehr darüber, daß der 
zug im Flusse liegt. Ueber die Anzahl der Passagiere, welche sich 
m Zuge befanden, verlautete bislang nichts Bestimmtes; man 
pricht von 150 bis 200 Personen. Der Provost und eine Anzahl 
ervorragender Bürger fuhren gegen 1092 Uhr Nachts in einem 
Dampfboote nach der Brucke, nachdem der Sturm sich beträchtlich 
Jelegt hatte; dieselben sind jedoch noch nicht zurückgekehrt. Die 
Scene an der Taybrückenstation heute Nacht ist geradezu herzzer⸗ 
reißend. Viele tausend Personen stehen um das Gebaude ver— 
ammelt; Männer und Frauen ringen verzweifelnd die Hände.— 
die Rückkehr des Dampfbootes wird sehnsüchtigst erwartet.“ 
Der Zug hatte Edinburg um 4 Uhr Nachmittags verlassen 
uind befanden sich damals 200 —300 Personen in demselben, doch 
Jlaubt man, daß auf dem Wege durch Fife ein Drittheil ausge— 
tiegen ist. Freilich können auch noch Andere unterwegs einge— 
tiegen sein. (Nach den neuesten Depeschen sind bei dem Einstuͤrz 
der VBrücke 100 Personen verunglückt). 
f GRares aus der Schweiz.) An der Züricher Universi— 
jät studirt gegenwärtig eine Negerin. — Ein sehr gebildeter Dieb⸗ 
tahl wurde in Steinen ausgeführt. Die Diebe hatten es auf ein 
ettes Schwein abgesehen, und damit dieses sie nicht durch sein 
Veschrei verrathe — chloroformirten sie es. 
* Die Weltdame. Die Weltdame gibt ihre Kinder in die