Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

unseren wirihschaftlichen Verhältnissen begonnen hat. Einzelne der 
produktiven Verwaltungszweige zeigen dagegen auch jetzt noch einen 
—— Rückgang in ihren Einnahmen, wie z. B. die Staats⸗ 
orsten. 
Im deuischen Strafgesetzbuch sind eine Neihe von Verbrechen 
und Vergehen namhaft gemacht, bei denen der Strafrichter neben 
der Hauptstrafe auch auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, 
sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht eckennen kann . In 
Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, J. Strafsenat, 
durch Erkenntniß vom 28. Juni d. J. äusgesprochen, daß der 
Richler in den Fällen neben jeder Freiheitsstrafe, ganz unabhängig 
hon der Dauer derselben sowie von der Zulässigkeit auf Aberkenn⸗ 
ung der bürgerlichen Ehrenrechte, auf die Zulässigkeit von Polizei⸗ 
aufsficht erkennen kann. 
ln,. 21. Sept. Unter der Leitung des Inspektors der 
4. Feld⸗Artillerie⸗Inspektion, General⸗Lieutenants v. Voigts-Rhetz, 
Fird üͤbermorgen hierselbst eine 14tägige Uebung im Fest⸗ 
ungskriege ihren Anfang nehmen, der bayerische und sächsische 
Offuiere anwohnen sollen. 
Ausland. 
Wien, 22. Sept. Die letzten Noten der Pforte sollen, 
wie man hier versichert, bisher seitens der Mächte noch nicht beant⸗ 
wortel worden sein. — Der „Neuen fr. Pr.“ wird aus Budua 
gemeldet: Als Riza Pascha die Einwohner von Dulcigno telegra⸗ 
hhisch aufforderte, die Stadt an Montenegro abzutreten und dafür 
30,000 türkische Pfund versprach, antwortete Hadschi Sali Namens 
der Einwohner: „Eure Anerbietungen beurtheilen wir nach dem 
Gebrauch, den ihr von unserm Proleste gemacht; wir wissen, daß 
jede Regierung auf ihr Wohl und das ihres Volkes bedacht sein 
muß, unser Sultan hingegen gibt uns 30,000 Goldliren, damit 
wir eine Stadt preisgeben. Wir sehen, daß osmanische Beamte 
schlimmer sind als die Giaurs. Stehen Sie ab, uns einen Ab⸗ 
gesandten nach Dulcigno zu schicken, denn die Stunde seiner An— 
sunft wäre die letzte seines Lebens.“ — Das Bombardement von 
Dulcigno wird in hiesigen politischen Kreisen für nicht unwahr⸗ 
scheinlͤch gehalten. 
Eisne wirklich klägliche Rolle spielte bei der jüngsten franzö— 
fischen Kabinetskrisis der Präsident der Republik, Herr 
Greby. Bekanntlich stand er entschieden auf der Seite Freycinets, 
sber auch dieser Umstand vermochte den Sturz des Letztern nicht 
ufzuhalten. Damit hat Grevy jelbst eine Niederlage erlitten, die 
moglicherweise seinen nicht sehr fernen Sturz bedeuten kann. Frey— 
ine ninimt'in das Privatleben die größte Anerkennung im ganzen 
Nuslande für seine Leitung der auswärtigen Angelegenheiten mit. 
Es muß sich nun zeigen, ob Gambetta wirklich entschlossen ist, zu⸗ 
sammen mit Gladstone eine abenteuerliche und wahrscheinlich zum 
riege führende Politik zu befolgen. In den Berliner Regierungs⸗ 
kreisen versichert man, daß Deutschland sowohl wie Oesterreich sich 
nur mit Widerstreben unter Führung Englands in die Flottende⸗ 
monsttation eingelassen habe. Fürst Bismard sei nach wie vor der 
Meinung, daß die Knochen des pommerschen Grenadiers wegen der 
orientalischen Frage geschont werden müßten, und wenn man ihn 
richtig beurtheilt, so wird er an keiner aktiven Politik im Sinne 
Gladstones und Gambettas theilnehmen, sondern je eher je lieber 
ich einer so bedenklichen Gemeinschaft entziehen. 
Paris, 23. Sept. Das neue Kabinet ist definitiv 
tonstituiert. Varthelemy Saint⸗Hilaire übernimmt das Auswärkige 
Amt, Sadi Carnot die öffentlichen Arbeiten, Admiral Cloue die 
Rarine. Die übrigen Minister behalten ihre bisherigen Porte⸗ 
feuilles; Ferry übernimmt das Präsidium des Konseils und Graf 
Thoisel wird voraussichtlich Unterstaatssekretär des Auswärtigen 
Amtes. 
Athen. Die Unterhandlungen zwischen der griechischen Re⸗ 
gierung und jener der amerikanischen Union bezüglich des Au⸗ 
zaufs⸗ von drei Panzerschisfen sind zum Abschlusse ge⸗ 
diehen. Die Panzerschiffe werden von der nordamerikanischen 
Regierung sofort an Griechenland übergeben, wenn ein Krieg binnen 
einem bestimmten Zeitraume zum Ausbruche kommt. — Der „Pr.“ 
zufolge kündigt ein Rektoratserlaß an, daß die Universität wegen 
der Vevorstehenden kriegerischen Ereignisse im Winter geschlossen 
hleibt. Bis jetzt sind tausend Studenten in die Armee eingetreten. 
Die Kriegslisten weisen augenblicklich einen effektiven Heeresstand 
hon 30,000 Mann auf. Die Rekrutierung ist jedoch noch nicht 
allenthalben beendet und mit den Reserven, deren Einberufung 
angeblich binnen wenigen Tagen gewärtigt wird, soll das griechische 
deer 60,000 Mann zählen. 
Seutarie (Albanien), 23. Septbr. 35 Notabele von Dul⸗ 
tigno überreichten den Konsuln der Großmächte einen Protest, 
worin sie erklaͤren, daß sie sich niemals von der türkischen Regier— 
ung trennen wollen und die Montenegriner mit Gewalt zurückdrängen 
pütden. Mehrere Konsuln wiesen den Protest zurück. Muhame— 
danische wie katholische Miiglieder der albanesischen Liga forderten 
rie Vergbewohner auf, Dulcigno vertheidigen zu helfen. Riza Pascha 
Nene vdie Liga auf sich den Beschlüssen der Großmächte zu fügen: 
er drohte, im Scigrrnngofuu ewalt anzuwenden, und Berfturi— 
ungen von Konstantinopel zu verlangen. Die katholischen Albanesen 
ind eher geneigt, sich zu fügen, während die Muhamedaner sich 
entschieden weigern. 
Vermischtes 
*St. Ingbert. ESchöffensitzung“ vom 22. Sept.) 
1) Ein Wirth von Oberwürzbach wurde wegen Ueberwirthschaften 
zuͤ zwei Mark Geldstrafe verurtheilt. 2) Zwei Männer von Rohr⸗ 
Zach wurden wegen vorsätzlicher Beschädigung und Zerstörung, so⸗ 
wie Beiseiteschaffung gepfändeter Gegenstände zu einer Gefängniß⸗ 
trafe von einem resp. drei Tagen verurtheilt. 83) Ein Mann von 
hier z. Z. ohne bekannten Wohn- und Aufenthaltsort abwesend wurde 
vegen unerlaubter Auswanderung zu einer Geldstrafe von 20 M. 
eventuell 83 Tage Haft verurtheilt. 
ũ Falsseshreußischesstaatsschulden⸗Zins 
koupon s. Derartige falsche Koupons Serie XVIII Nr. 2 über 
je 5 M. 285 Pf. sind nach einer amtlichen Bekanntmachung seit 
Juli d. J. in Berlin, in der Rheinprovinz und in den Provinzen 
Hessen⸗Nassau, Westfalen und Hannover, namentlich in Ehrenfeld, 
doblenz, Elberfeld, Barmen, Ruhrort, Frankfurt a. M. Kassel. 
Witten, Werl, Osnabrück, Emden und Bersenbrück zum Vorschein 
gekommen, welche sich dadurch wesentlich von den echten Koupons 
interscheiden, daß dieselben augenscheinlich durch Lithographie her⸗ 
zestellt sind. Die Verfertiger dieser Kouvpons sind bisher nicht ent⸗ 
deckt worden. 
— Die Arbeiten des neuen Schulhausbaues in Hornbach 
waren zu M. 16,000 veranschlagt. Bei der am 21. ds. Statt 
gehabten Minderversteigerung nun wurde der Aufbau um die 
Summe von M. 10,000 zugeschlagen. Bei der starken Konkurrenz, 
der nicht allein Geschäftsleuie aus der Umgegend, sondern bis von 
Kaisersiautern und Otterberg sich eingefunden hatten, wurden die 
Arbeiten sehr herabgeboten, wie z. B. die Schlosserarbeit 55 PEt. 
inter dem Voranschlag. Da wird der Gewinn nicht groß sein, 
Jen die Geschäftsleute davontragen; die Gemeinde selbst kommt do 
immer am Besten weg. 
pVonder Blies, 18. Sept. Zu welch eigenthümlichen 
Heilmitteln manche Leute ihre Zuflucht nehmen, beweist folgende 
paßige Kur in R. Zwei Arbeiter, die längere Zeit mit Grummet⸗ 
nähen beschäftigt waren, fühlten infolge der stetig gebückten Haltung 
— ä verfiel nun auf den Ein⸗ 
jau, sich von dem andern als Reitgaul benutzen zu lassen; der 
mndere fand sich dazu bereit und bestieg das improbisierte Reitthier, 
nit dem er dreimal um einen großen Birnbaum im Schneckentempo 
galoppierte. Wie der als Gaul dienende Arbeiter versichert, ist 
Jas Rückenweh verschwunden; die Sache ist ziemlich natürlich, indem 
die Wirbelsäule durch diese Prozedur in ihre gerade Lage zurüd 
versetzt wurde. Kein geringes Gaudium verursachte die seltsame 
Reituüͤbung bei mehreren Zuschauern, die alsbald das neue Heil⸗ 
nittel in den umliegenden Orischaften publizierten. 
Beim Polizeipräsidium in Frankfurt a. M. ist die 
Nachricht eingetroffen, das die Brüder Sachs von den chilenischen 
Behoͤrden ausgelieferi worden sind und in Begleitung zweier Poli⸗ 
tibeamten bereits auf dem Weg nach Frankfurt sich befinden. 
Mainz, 21i. Sept. Heute früh brachte der Besitzer der 
11. Rheinmühle, Kämmer, einen Nachen voll Mehl nach Biebrich 
‚lücklich war die Warre entladen und mit dem Erlos in der Tasche 
ehrte der Müller in seinem Nachen nach Mainz zurüch. Der Nachen 
var von dem Biebricher Boot „Lessing“ in's Schlepptau genommen 
ind glücklich bis auf einige Schritte in der Nähe der Rheinmühlen 
gelangt: dort wurde der ‚Lessing“ von einem Boote der Koͤln⸗ 
düsseldorfer Gesellschaft, dem „Arndt“, überholt, welches leider nicht 
asch genug stoppen konnte und in Folge dessen in die Seite des 
Lessing“ kannte. Glücklicherweise kam dieser mit einer zertrüm— 
nerten Gallerie dabon, allein beim Wenden traf der „Arndt“ so 
inglücklich auf den Mühlennachen, daß dieser umschlug nnd der 
Muͤller Kämmer in nächster Rähe seiner Mühle ertrank. Eine 
Untersuchungs-⸗Kommission begab sich sofort an Ort und Stelle. 
das Ergebniß war die Einleitung einer Untersuchung wegen fahr⸗ 
lässiger Tödtung. (Ws. 3.) 
4F Ein sehr probaies Mittel, den Milchhändlern das Taufen 
der Milch zu vberleiden, bringt das Amtsgericht Worms in An⸗ 
wendung. Dort werden die Namen der Milchfälscher, welche be— 
straft worden sind, amtlich veröffentlicht. 
FHeidelberg, 17. Sept. Heute Nacht wurde auf de 
hiesigen neuen Neckarbrücke ein schmähliches Verbrechen verübt 
Zwei Strolche beraubten einen jungen Mann aus Handschuchsheim 
der die hiesigen Schulen besuchen soll, und stürzten ihn dann übe 
die Brüde hinumer in den Fluß, indem ihn einer der Bösewicht. 
in den Füßen, der andere am Kopfe faßte, um ihn so über dae 
Brüchengeländer zu schleudern. Gluͤcklicherweise konnte der Ueber— 
callene schwimmen und dadurch sein Leben retten. Ob man den 
Berbrechern auf der Spur ist, konnte ich nicht erfahren. 
Ermerzbaunsen, 13. Sept. Unlangst stieß sich dabie