Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
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1880. 
Deutsches Reich. 
München, 21. Sept. Da bei der letzten Reichdtags— 
wahl in München die Sozialdemokraten, die Liberalen, die Volks— 
partei und die Ultramontanen ihre eigenen Kandidaten aufstellen 
so werden dahier mindestens vier Kandidaten konkurtiren. Mög 
licherweise stellen die beiden liberalen Fraktionen sogar zwei auf 
wenn sie nicht schließlich das „rotheschwarze“ Gespenst zusammen⸗ 
führt. Die Wiederwahl des Rechisraths Ruppert hat das nächste 
Mal wenig Aussicht. Die oppositionellen nicht ultramontanen Ele— 
mente sind durch die Erfahrung zu sehr gewitzigt worden. 
Der Kongreß des Zeutral⸗Verbandes deutscher In 
dustrieller, der dieset Tage in Düfseldorf abgehalten wurde, 
sprach sich u. A. dahin aus, daß es eine der wichtigsten Aufgaben 
des Staates, sowie der Gemeinden sei, mit allen verfügbaren Mitteln 
für die Hebung der Volksschule zu sorgen. Die beir. Fachschulen 
müßten sich an die vorhandenen Schulshsteme von allgemeinem wis⸗ 
senschaftlichen Charakter anlehnen und eine Organisation für sich bilden. 
Der Verband deutscher Architekten und Inge⸗ 
nieure, welcher in Wies baden seine⸗ diesjährige Versammlung 
hielt, beschloß, der Reichsregierung und den einzelnen Bundesre⸗ 
gierungen zu empfehlen, ihre Aufmerksamkeit und Opferfreudigkeit 
nunmehr, nachdem der Dom zu Köoln vollendet; auf das Ulmer 
und Straßburger Münster zu lenken. Allerdings wäre besonders 
für uns Pfälzer auch die Förderung des Baues der Retscherkirche 
in Speyer nicht außer Acht zu lassen. Erst dieser Tage ist Herr 
Kon sistorialrath Glaser in Karlsruhe, gelegentlich der Hauphver⸗ 
sammlung des Gustab-Adolf⸗Vereins, wieder“ in beredier Weise dieser 
Angelegenheit nahegetreten. 
Ausland. 
Pest, 28. Sept. Riza Pascha soll in der Lage sein, 
Dulcigno friedlich zu übergeben, hat aber noch keinen Befehl aus 
Konstantinopel, da das Ministerium über die Bedingungen der 
Uebergabe unterhandelt. 16 montenegrinische Bataillone rücken vor. 
Nach und nach wird es immer klarer, daß der frauzösische 
Ministerwechsel nicht nur die Folge von Differen zen wegen 
der Ausführung der Marzdekrete war. Ein Korrespondent der „Köln. 
Zig.“ erzählt unumwunden, daß der Minister⸗Präsident Freycine⸗ 
dem Präsident der Republik erklärt habe, daß es ihm unmoͤglich 
sei, mit gewissen Kabinetsmitgliedern weiler zu regieren, die einem 
außerhalb des Kabinets stehenden Einflusse gehorchten. Daß da— 
mit nur der Einfluß Gambettas gemeint sein kann, steht wohl außer 
Frage. Trotzdem erscheint uns Gambelta nicht als derjenige Mann 
bor dem man sich, besonders im Auslande, sonderlich zu fürchten 
habe; denn die öffentliche Meinung ist gerade in Frankreich ein⸗ 
sehr wandelbare. 
Paris, 23. Sept. Das Ministerium vom 23. 
September ist, wie folgt, zusammengesetzt: Jules Ferry, Kon⸗ 
seilpräsident, Minister des Unterrichts und der Schönen Künste; 
Barthélemy-⸗Saint-⸗Hilaire, Aeußeres; Cazot, Justiz und Siegel; 
Constans, Inneres und Kulte; Magnin, Finanzen; General Farre, 
Krieg; Vizeadmiral Clou6, Marine; Sadi Carnot, öffentliche Ar— 
beiten; Tirard, Ackerbau und Handel; Cochery, Post und Tele— 
graphen. Unterstaatssekretäre sollen noch heute für die Ministerien, 
des Aeußeren und der öffentlichen Arbeiten bestellt werden. 
Diesen Morgen wurde im Elysse Ministerrath gehalten 
zu dem sich sämmtliche Mitglieder des Kabinets, mit Ausnahme 
des neuen Marineminisiers, eingefunden hatten. Das neue Kabine! 
faßte folgende Beschlüsse: H nicht die Kammern vor der von den⸗ 
selben beschlossenen Frist einzuberufen; 2) Aufrechterhaltung des Be— 
schlusses des vorhergegangenen Kabineis gegen die Ordensgemein⸗ 
schaften; 8) Absendung eines Rundschreibens des Ministers der 
auswärtigen Angelegenheiten an die Vertreter Frankreichs im Aus⸗ 
lande, um die Haltung des Kabinets zu bezeichnen und genauer 
darzulegen, daß es in keiner Weise von der friedlichen Politlik ab⸗ 
gehen will; 4) Beibehaltung der jetzigen Unterstaatssekreiäre. Die 
Ernennung des Unterstaatssekretärs für das Auswärtige wurde noch 
vertagt; doch gilt die Ernennung Hotace de Choiseuls für sehi 
wahrscheinlich 
Vermischtes 
m. Aus dem Kantone Waldmohr. Gries.) Eine 
jeltene Erscheinung tritt hier an einzelnen Obstbaumen, namentlich 
Zwetschenbäumen zu Tag. Dieselben bekommen nämlich jetzt, nach⸗ 
dem das erste Laub gefallen war und man sie als eine Beute des 
vergangenen strengen Winters betrachtet, wieder Blatter und Blüthen 
vie im Frühling. Ob diese Zeichen wiedererwachten Lebens von 
Dauer sein werden, muß freilich vorläufig dahingestellt bleiben! 
FZweibrücken; 24. Sept. Aus Erp meldet die „Köln. 
Ztg.“ daß bei dem am 19. ds. dort Stal gehabten Rennen der Ka—⸗ 
vallerie- Division Graf Bismarck vom 11 Husaren⸗Regiment mit 
einem Hengst „The Rook“ den von Kaiser Wilhelm gespendeten 
Ehrenpreis (ein silbernes Trinkhorn) gewonnen hat.Aus dem 
dritten dortigen Rennen ging Prm.-Lieut b. Wrochem als Sieger 
herdor. Diese beiden Herren Offiziere betheiligen sich übermorgen 
auch an den hiesigen Rennen, und zwar der erstere mit dem ge⸗ 
nannten Pferde. (Zw. Zig.) 
Die Zwangsversteigerung gegen den Buchhändler August 
Klein in Zweibrücden findet am Montag nicht Statt. 
.Kaiserslautern, 283. Seph.Bei dem gestrigen 
Leichenbegüngnisse des Hrn. J. F. Schuck stürzte der Wirth Labroisse 
»om Schlage getroffen todt zu Boden. 
Zum Ausbau der katholischen Kirche in Lud wigsha fen 
ist, dem „M. J.“ zufolge, eine Lotterie veranstaltet worden, zu 
welcher 300,000 Loose à 2 Mark ausgegeben werden. 
*Speyer, 21. Sept. Seit 11. Juli l. Is. wird das 
212 Jahre alte Söhnchen des Fr. J. Veith zu Eberbach (Baden) 
oermißt. Nach neuerlichen Erhebungen kam durch Plankstadt bei 
Schwetzingen eine Bande Zigeuner oder Spielleute, die ein nach 
ihrer eigenen Angabe im Walde gefundenes Kind mitführten. Das 
bermißte Kind ist ziemlich gut sentwickelt, hat ein rundes Gesicht 
und helle Haare; Kleidung: rothes Röchchen, Strinnpfe und schwarze 
Lederschuhe. Da die Moglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß die 
betreffende Bande in der Pfalz weilt, werden bie betreffenden Be⸗ 
hörden aufgefordert, Nachforschungen nach dem Verbleib des Kindes 
zu veranlassen. (Sp. 3.) 
T.Speyer. Der prot.etheolog. Aufnahmsprüfung unter⸗ 
jogen sich 7 Kandidaten; zu der Anstellungsprüfung im Lehrer⸗ 
eminar meldeten sich 22 Schuldiensterspeklanten an, darunter eine 
Lehrerin. 
FIn dem am Dienstag den 28. Sept. in Mannheim 
zur Aufführung kommenden großen landwirthschaftlichen Festzug 
wird auch das pfälzische Weinland durch 4 Wagen (Herbst an der 
Haardt, Bäuerinen, Bauern, Federweißer) vertreten sein. Das 
Arrangement hat Hr. Fr. Glaser von Diedesfeld übernommen. 
Betheiligt sind Personen von Edenkoben. Maikammer., Diedesfeld. 
dambach und Deidesheim. 
Mainz, 28. Sept. Heute Morgen passirten mit dem 
Dampfer „Mathilde“ der Koln⸗Düsseldorfer Gesellschaft circa 500 
Auswanderer aus Baden, Wuͤrttemberg, Rheinbahern und der 
Schweiz unsere Stadt. Von hier aus gesellte sich eine Anzahl 
RFheinhessen, besonders aus der Nähe von Zornheim, hinzu; auch 
Mainz war heute ziemlich stark vertreten; u. A. befand sich unter 
den Europamüden auch der frühere sozialdemokratische Auuator An— 
'on Zirfaß nebst Familie. 
Aus Bayern sind im Jahre 1879 ausgewandert 2093 
Personen, und zwar 2191 rechts des Rheins und 502 aus der 
ßfalz. 
. Man meldet aus Würzbur g: Bei Gelegenheit der Trup⸗ 
henmusterung durch den deutschen Kronprinzen auf dem großen 
Lebungsplatze erregte das 1. Glied des 1. Zuges in der 9. Kom⸗ 
hagnie des 9. Infanterie⸗Regiments die Aufmerksamkeit des Kron⸗ 
rinzen. Es befanden sich nämlich zufällig sechs Einjahrig⸗ Frei⸗ 
willige von besonderer Größe in bezeichnetem Gliede. Der Kronprinz 
rrat näher, um sich diese 6 Mann genauer anzusehen, und begann 
den ersten zu fragen: Was find Sie, kinjähriger? Antwort: Studio- 
sus juris. — Zum zweiten: Sie? 8Stud. medicinao. — Zum 
dritten: Sie studiren wohl auch Medizin? Antwort: Nein. kaif