St. Ingberler Anzeiger.
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3 156. Donnerstag, den 80. September
18s6.
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Sonntagsblatt werden bei allen k. Poststellen, den Postboten, von
unsern Austrägern und in der Expedition entgegengenommen.
im Norden beherrscht und welche von den Albanesen besetzt und
befestigt wurde, und zweitens, wenn dies der Fall ist, davon, daß
gutes Wetter herrscht, denn im Falle einer stürmischen See können
sich die Kriegsschiffe jedenfalls nicht der Küste bis zu der zu einer
Beschießung erforderlichen Nähe heranwagen.
Man sieht, die Lage im Orient hat sich in den letzten Tagen
wesentlich verschlechtert, die Dinge gestalten sich immer verworrener
und man darf billig auf die naͤchsten Nachrichten, welche Klarheit
in die Situation bringen, gespannt sein.
Paris, 28. Sept. Der päpstliche Nuntius zeigte in
einer langen Unterredung gestern dem Minister des Auswärtigen
an, daß er an dem Tage, wo die französische Regierung die Dekrete
Wegen die Ordensgemeinschaften zur Ausführung bringe, sofort
Frankreich verlassen werde. Da num aber die Ausführung
des zweiten Märzdekretes in der nächsten Woche beginnen soll, so
wird Msgr. Czacki Paris gegen den 6. Oktober verlassen müssen.
wenn seine Drohung ernstlich gemeint ist.
In Frankreich haben in den letzten Tagen die Herbst⸗
mansver ihren Anfang genommen. Die englischen Zeitungen
haben zu denselben eine Anzahl Korrespondenten enisandt, welche
nach den vorliegenden Berichten im Wesentlichen dahin überein—
ttimmen, daß die französische Armee waährend der letzten Jahre
außerordentliche Fortschriste gemacht hat, daß die Offiziere und
Mannschaften mit großem Ernst, außerordentlicher Geschicklichkeit,
auffallender Ruhe und Nüchternheit ihre Pflicht erfüllen, daß Ka⸗
Hallerie und Artillerie durchschnittlich mit trefflichem Pferdematerial
versehen sind. Alle Berichte konstaliren, daß diese Manöver, im
Unterschied zu den Parademanövern in Chalons unter Napoleon,
virklich auf den Kriegsfall angelegt sind und daher an die Trup—
den große Anforderungen stellen. Bemerkt wird zugleich, wie
venig Marodeure und Nachzügler sich diesmal auf“ den Mär—
schen gezeigt haben. Auch eine strengere Handhabung der Diszip⸗
lin wird hervorgehoben, doch kann der „Times“-Korrespondent
nicht umhin, sehr scharf die geübte Nachsicht in den kleinen Fragen
der Disziplin zu tadeln. Die Equipirung und Bewaffnung der
Infanterie wird als zweckmäßig geschildert, wenn schon sich dabei
noch Ungleichheiten bemerkbar machen. Die tente äl'abri, welche
onst jeder Infanterist mit sich führte, ist beseitigt. Der Mann
ührt auf zwei Tage Biskuit und Fleischkonserve bei sich.
Jede Kompagnie führt eine Anzahl Hacken (12) und Schau—
eln (18) mit sich, um im gegebenen Falie sich sofort
verschanzen zu können; sie zählt 140 Köpfe, Offiziere, Unteroffiziere
und Mannschaften, das Bataillon 624, das Regiment mit drei
Bataillons 1900 Köpfe. Der „Timeskorrespondent“ hebt hervor,
daß er noch keinen Haupimann als Kompagniechef bei den Ma—
aövern beritten gesehen habe, obgleich der Versuch, die Hauptleute
beritten zu machen, vor einiger Zeit unternommen, aber vermuth⸗
lich wegen des Kostenpunktes noch nicht bei allen Armeek orps durch⸗
geführt worden ist. Derselbe Korrespondent gibt sein Erstaunen
darüber kund, wie wenig Train und Bagage den Truppen auf
dem Marsche folgen. Sodann ist ihm aufgefallen, daß die Ar—
illerieoffiziere jüunger sind als die Offiziere der Infanterie und
davallerie. Die Infanterie übt ganz besonders das Salvenschießen.
Bei der Artillerie tadelt der Korrespondent, daß sie auf zu weite
Entfernungen ihr Feuer eröffnet und dem Feind nicht dicht genug
auf den Leib rückt. Die Signale zum Halten und Vorrücken
werden nicht mehr durch Trompete und Trommel, sondern mittels
der Pfeife gegeben. Sobald die Infanterie Halt macht, stellen die Leute
die Gewehre zusammen, ohne auf das Kommando zu warten. Die
dompagnien werden im Gefecht möglichst auseinander gehalten und ihre
Unterabtheilungen ebenfalls, damit Offiziere und Unteroffiziere sich in der
Führung von Zügen und Sektionen ihrer Verantwortlicheit bewußt
bleiben. Der militärische Instinkt der Franzosen wird bei dieser
Helegenheit wieder ganz besonders gepriesen, die Rekruten zeigen
sich außerordentlich anstellig und gelehrig, so daß sie schon nach
zweimonatlichem Drillen in die Kompagnie eingestellt werden
oͤnnen.
Angesichts der Lage im Orient und in Irland sollen mehrere
Deutsches Reich.
Die bayerischen Sieuergesetzgebungs-Ausschüsse sind nun—
mehr definitiv auf Montag den 18. Oktober, einberufen. Der
Finanzminister hat dem Finanzausschusse drei Anlagen mitgetheilt,
welche jene Modifikationen an den Gesetzentwürfen über die Ein—
kommensteuer, Kapitalrentensteuer und Gewerbesteuer enthalten, zu
denen eventuell Veranlassung gegeben wäre, wenn das den Re⸗
gierungsentwürfen zu Grunde gelegte Prinzip der Einführung einer
allgemeinen Einkommensteuer nicht zur Annahme gelangen sollte.
Mit dem Fallenlassen der allgemeinen Einkommensteuer ist auf die
bdisherige Einkommensteuer nach dem Gesetze vom 31. Mai 1855
zurückgegriffen und dieses Gesetz ist einer durchgreifenden Revision
unterstellt. Während das zitirte Gesetz nur 42 Artikel zählt, hat
der neue Entwurf deren 74. Von erheblicher Bedeutung sind
auch die Modifikationen im Entwurfe über die Gewerbesteuer, un—
wesentlich jene im Entwurfe über die Kapitalrentensteuer.
Berlin, 28. Sept. Die „Nat.«Ztg.“ sagt: Von Seite des
oreußischen Justizministeriums steht eine Vorlage an den Bundes—
rath wegen Herabsetzung der Gerichtskosten nicht in Aussicht; auch
würde ein von anderer Seite eingebrachter Antrag auf Unterstützung
Breußens nicht zu zählen haben.
Ausland.
Ein Wiener Telegramm der „Köln. Ztg.“ vom 28. d. be—
'agt: Die letzten ungünstigen Nachrichten über die Haltung Riza
Paschas werden bestätigt. Auch am gestrigen Tage sind ihm keine
Weisungen von Stambul zugegangen, vielmehr meldet die hiesige
Presse übereinstimmend mit meinen Erkundigungen, der Sultan
derhalte sich gegenüber allen Versuchen, an Riza Pascha den Be—
fehl zur Uebergabe Dulcignos an Montenegro zu erlassen, un⸗
beugsam ablehnend. Es verlautet, der Sultan habe zum
Grafen Hatzfeldt gesagt, es widerstrebe seinem Gefühle von Völker⸗
cecht, zu glauben, daß die Mächte darauf beharren sollten, das
Blut eines friedlichen Volksstammes zu vergießen, dem Europo
als einziges Verbrechen die Treue anrechnen könnte, mit welcher
ꝛt an seinem Vaterlande hänge. Man betrachtet als augenblick—
lichen Herrn der politischen und militärischen Lage in Stambul
Abeddin und Osman Pascha. Beide sollen den Sultan in der
unerschütterlichen Ueberzeugung bestärkt haben, daß mit dem ersten
Gewaltakte der Mächte in den Adriatischen Gewässern alle Musel—
nänner des Reiches sich erheben werden, wenn die Mächte darauf
bestehen sollten, Gewali vor Recht ergehen zu lassen.“ Weitere
Nachrichten aus Stkutari melden das starke Anwachsen der alba—
nischen Streitkräfte bei Stutari und Dulcigno sowie die Vorschiebung
—A——
und aus der Gegend von Prisren dauern fort. Man fürchtet für
die Sicherheit der Konsuln in Skutari. Vor Dulcigno sind tür⸗
tische Kriegsschiffe angekommen.
In Paris galt es gestern für sicher, daß die europäische
ͤlotte heute die Feindseligkeiten gegen Dulcigno nicht eröffnen
werde. Die Franzosen wenigstens sollen Befehl haben, sich weder
an einem Bombardement, noch an einer Landung zu betheiligen.
Weiter besagen Pariser Nachrichten: Es sind neue Verhandlungen
mit der Pforte angeknüpft worden und noch keine Frist, wann
dieselben heendigt sein müssen, festgesetzt. Die Frist von drei Ta—
den, welche Seymour bewilligie, hat nicht den Charakter eines
Altimatums. Uebrigens sollen außer Frankreich noch andere Mächte
Anstand nehmen, mit England und Rußland vorzugehen. Sollten
diese Mächte allein gegen die Pforte vorgehen, so kann die Lage
ehr verwickelt werden, da man glaubt, daß Oesterreich sofort ge—
wvisse Garantien nehmen würde.
Was den Angriff der Flotte auf Dulcigno betrifft, so hängt
sein Erfolg von zwei Umständen ab; erstens davon, daß die Ge—
chütze der Flotte wirklich die Hügelkette erreichen, welche Dulcigno