St. Ingberker Anzeiger.
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A 162. Sonntag, den 10. Oktober
1880
Deutjsches NReich.
München, 7. Olt. Als Nachfolger des Hru. von
Nudhart auf dem Gesandtischaftsposten in Berlin wird der Le⸗
gationsrath bei der bayer. Gesandtschaft in Wien Hugo Graf von
Lerchenfeld bezeichnet.
Nach der „A. Z.“ wird der besondere Ausschuß der bayer⸗
ischen Kammer der Abgeordneten zur Berathung der Gesetzent⸗
vürfe über die direkten Steuern auf allerhöchsten Befehl am 20.
DOktober wieder zusammen treten.
Der „Allg. Ztg.“ zufolge wurden zu bayerischen Bevoll⸗
mächtigten beim Bundesrath die Minister Dr. v. Lutz, Dr. v. Fäustle,
p. Riedel, Frhr. v. Crailsheim und der Militärbevollmächtigte
Oberst Ritter v. Xylander ernannt; zu stellvertretenden Bevollmäch⸗
tigten Generaldirektor v. Hocheder, Ministerialrath v. Kastner,
Oberregierungsrath Herrmann, Ministerialrath Frhr. v. Raesfeldt
ind Oberregierungsrath Schmidkonz.
Es bestätigt sich, daß beabsichtigt wird, dem nächsten Reichs⸗
tag eine Militär⸗Strafprozeßordnung vorzulegen.
Von den Konservativen Norddeutschlands wird
zegenwärtig eifrig für die Aufhebung der obligatorischen Zivilehe
agitirt.
Aus Friedrichsruh wird durch Privatnachrichten bekannt,
daß Fürst Bismarck selten während des Aufenthalts auf seinen
Landsitzen so eifrig beschäftigt gewesen sei, als in diesem Augen⸗
blick. Die Thätigkeit, die ihm die Leitung des preußischen Han—
— jetzt auferlegt, scheint ganz besonderen Reiz für ihn
zu haben.
eien. Für England wäre es jedenfalls besser, wenn das alte
Sprichwort des Kehrens vor der eigenen Thür elwas mehr beachtet
würde.
Nach den neuesten Nachrichten aus Petersburg scheint es nun
hoch zu einem Kriege zwischen Rußland und China zu kommen.
Vermischtes.
* St. Ingbert. Aus Distriktsfond sollen nach dem Be—
chlusse des Ausschusses des Distriktsrathes der Tüncher Johann
Toussaint von hier 140 M. und der Schlosser Mathias Walle
»on Oberwürzbach 60 M. erhalten, beide zum Besuche der Kreis⸗
augewerkschule in Kaiserslautern. Das Stipendium von 200 M.
um Besuche der Frauenarbeitsschule in Speyer erhält Katharina
Schaller, Tochter von Polizeidiener Schaller dahier.
Nach dem Jahresbericht der pfälzischen Handels- und
hewerbekammer wurden im Jahre 1879 in der Pfalz von 4
Aktienbrauereien und 278 Privatbrauereien im Ganzen 298,208
Hektoliter Malz verarbeitet und daraus 886,400 Hektoliter Bier
Jgebraut. Ausgeführt wurden aus der Pfalz 90,289 Hektoliter
Bier, blieben also für den eigenen Verbrauch 496,111 Hektoliter;
außerdem wurden noch 15,1835 Hektoliter eingeführt, was auf den
Kopf der Bevblkerung etwa 80 Liter im Jahr macht. Der Malz—
nufschlag (einschließlich des von den Branntweinbrennereien und
Hefesiedereien gezahlten, jedoch abzüglich der für ausgeführtes Bier
gewährten Rückvergütung) betrug 1,150,000 M., dazu die Ueber⸗
zangsabgabe von eingeführtem Bier und Branntwein mit 185,488
M., macht zusammen 1,335,488 M.
Nach einem Entscheide unseres Verwaltungsgerichtshofes ist
die Frage, ob die Bedürfnißfrage nur bei Neukonzefsionirung oder
auch bei Verlegung einer Wirthschaft gestellt werden kann und
darf, dahin zu beantworten, daß die Verlegung einer Gastwirthschaft
auch hinsichtlich der Bedürfnißfrage einer neuerlichen Ertheilung der
Konzession gleichkommt und schon kraft des Gesetzes von der Be—
dürfnißfrage abhängig gemacht werden kann. In Anbetracht dieses
rür sämmtliche Wirthschafts-Gewerbetreibende so hochwichtigen Ent—
scheides unseres Verwaltungsgerichtshofes, glauben wir alle Be—
heiligten darauf ganz besonders aufmerksam machen zu müssen.
— Bisher haben sich die Photographen stets für berechtigt ge⸗
halten, die in ihrem Atelier gefertigien Bildnisse ohne Zustimmung
)er Betreffenden durch Aushang in den Schaukästen oder Schaufen⸗
tern dem Publikum vorzulegen, um sich damit zu empfehlen. Dem
st jetzt ein Ende gemacht, indem das Reichsgericht in Leipzig aus⸗
jesprochen hat, daß dies Verfahren einen strafbaren Eingriff in das
)urch Z 7 des Reichsgesetzes über Photographien vom 10. Jan. 1876
geschützte Recht des Bestellers eines photographischen Bildnisses enthalte.
F Von Kaiserslautern aus sind an die bayerische Abge—⸗
yxdnetenkammer zwei Petitionen gerichtet worden betreffend 1. die
Besteuerung des von Kaufleuten und Fabrikanten ausgehenden
hausirhandels und 2. die Abänderung verschiedener Bestimmungen
des Gesetzes über den Branntweinaufschlag.
Der Absatz der Kaiserslauterer Gewerbe—
nuseums-Loose geht so gut von Statten, daß von Ver—⸗
chiebung des Ziehungstermins, wie Manche glaubten, keine Rede
ein dürfte, sondern voraussichtlich am 25. Oktober die Ziehung
Statt finden wird.
— Die Diakonissenanstalt zu Speyer feierte am Mittwoch
hr Jahresfest. Bei Gelegenheit dieses Festes wurden sechs Dia—
'onissinen eingesegnet. Nach der Feier fand eine Generalversamm⸗
lung des Diakonissenhaus⸗Vereins Statt.
Aus Speyer sind am Sonntag 10 junge Leute, welche
soeben ihrer Dienstpflicht Genüge geleistet, nach Amerika ausge⸗
vandert, und die Auswanderung zweier ganzen Familien mit 12
höpfen steht bevor. V
Amber g. Der im vergangenen Frühjahr hier gestorbene
Steingutfabrikant Kick hat ein Vermögen von 8 Millionen Mark
interlassen. Er war seiner Zeit ganz unbemittelt nach Amberg
ekommen.
*Straßburg, 6. Okt. Vor dem Schöffengerichte zu
Ausland.
Der französische Kriegsminister hat in einem Rundschreiben
an die Korpskommandanten dieselben aufgefordert, besondere
Lokale herzustellen, in welchen sich die Soldaten in ihren freien
Stunden versammeln, um unter der „väterlichen Ueberwachung“
eines Unteroffiziers lesen und schreiben und sich untereinander unter⸗
halten zu können. Dieses Lokal muß sich in der Nähe der Regi⸗
men tsbibliothek befinden, deren Bücher den Soldaten zur Verfüg⸗
ung gestellt werden. Sie erhalten außerdem zu ihren Studien und
zur Korrespondenz mit ihren Familien das nöthige Papier unent⸗
zeltlich. Ein besonderer Saal wird für die Unteroffiziere hergestellt
verden.
Die „Polit. Korr.“ berichtet aus London: „Die zwischen
»en Mächten schwebenden Verhandlungen über Beantwortung der
ürkischen Note nehmen einen so ungestörten und befriedigenden
Verlauf, daß man deren Beendigung früher als ursprünglich ange—
tommen wurde, entgegensieht. Die Erhaltung des europäischen
donzerts darf als sichergestellt gelten.“ — Aus Paris erhäli die
„Polit. Korr.“ eine Andeutung über die Natur der Maßregel,
velche das britische Kabinet den europäischen Mächten vorgeschlagen
hat. Es handle sich nämlich um einen Alt gemeinsamer Beschlag⸗
nahme im ägäischen Meer (d. h. Besetzung einer türkischen Insel),
vodurch die Gesammtheit der Mächte in den Besizz eines Faust—
Ffandes für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Pforte gegen
Montenegro gelange. (Nach einem Pariser Telegramm der „Fr.
Ztg.“ hätten alle Kabinete erklärt, über die in der letzten türkischen
Note gemachten Vorschläge lasse sich mit der Pforte gar nicht unter—
jandeln! Englands Vorschlag gehe dahin, einige fürkische Hafen—
olätze als Pfand zu nehmen, um durch Beschlagnahme von Ein—
ünften zur Nachgiebigkeit zu zwingen, und diesen Vorschlag hätten
zuch Oesterreich und Deutschland als einen solchen anerkannt, über
den sich reden lasse. Frankreich gedenke sich auf gleicher Linie mit
Deutschland zu halten — natürlich, weil keines von beiden sich
nuswärts in erheblichem Maß engagiren will, aus Besorgniß, balb
ille seine Kräfte zu Haus brauchen zu können.)
Die Nachrichten aus Irland lauten fortgesetzt schlecht.
Täglich werden neue agrarische Greuelthaten gemeldet; Vrandstift⸗
ungen und Mordthaten sind an der Tagesordnung. Die Regie—
rung soll die Verstärkung der Truppen in Irland beschlossen, der
driegsminister jedoch erllärt haben, für Indien seien so starke
Truppen⸗Nachschübe erforderlich, daß für Irland keine verfügban