Sf. Ingberler AAnzeiger.
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Eamstag, den 16. Oktober
1880.
Dentlsches Reich.
Anläßlich des bevorstehenden Kölner Dombaufestes dürfte eine
kurze Mittheilung über die Beiträge, welche durch den „Bayeri—
schen Dombau⸗Verein“ zur Vollendung des Krölner
Domes geleistet wurden, von Interesse sein. Diese Beiträge
hatten nach einem Schreiben des Zentral-Dombau-Vereins in Köln
d. d. 22. Dezember 1878 bis dahin die Summe von 348,668 M.
60 Pf. erreicht. Rechnet man hierzu noch die von dem bayerischen
Verein in den Jahren 1879 und 1880 gesammelten Beiträge, so
wird sich die Gesammtleistung desselben für den Kölner Dom auf
mindestens 350,000 M. stellen. Hierzu kommen noch die pracht⸗
bollen gemalten Fenster, welche König Ludwig J. von Bayern aus
seinen Privatmitteln für den Kölner Dom herstellen ließ, so daß
man zugeben wird, es habe sich auch Bayern an der Vollendung
des großartigen deutschen Kunstbaues in würdiger Weise betheiligt.
Nach der „National⸗Zeitung“ ist in den Kreisen des Kölner
Komites die Rede, daß der Kronprinz Rudolf von Oester⸗
reich, welcher augenblicklich in Brüssel weilt, der Hauptfeier und
wahrscheinlich auch dem Festzuge beiwohnen werde.
Die Agitation, welche die Abänderung der obligatorischen
Zivilehe in die fakultative bezweckt, wird in konservativen Kreisen
mmer stärker betrieben. Der Berliner „Reichsbote“ fordert zu
Petitionen in diesem Sinn auf, weil „in diesem Reichstag noch
eine Mehrheit dafür zu finden sei“, man aber nicht wisse, „wie es
im nächsten Reichstag stehe.“ Die „Evangelisch-Lutherische Kirchen⸗
zeitung.“ die bekanntlich bis in die höchsten Kreise hinein ihre Leser
ind Hörer hat, stellt den Bestrebungen gegen das Zivilstandsgesetz
„schöne Erfolge“ in Aussicht; die Annahme, daß die preußische
Regierung für die Dauer des Kulturkampfs jene Agitation nicht
wünsche, sei „ein verbrauchtes liberales Manöver“. „Wir sind zu—
fällig in der Lage“, schreibt das genannte Blatt, „auf Grund ver—
lässiger Informationen versichern zu können, daß etwaige Anträge
nuf Abänderung bezw. Abschaffung des Zivilstandsgesetzes gerade
etzt in Berlin gelegen kommen und, wenn überhaupt jemals, so
jegenwärtig eine Chance haben, angenommen zu werden.“
Die „Magdeb. Zig.“ schreibt: „Die aus der national—⸗
liberalen Partei ausgeschiedenen Mitglieder werden, wie wir
entgegen einer anderweiten Angabe erfahren, im Abgeordnetenhause
nicht gesonderte Plätze einnehmen, sondern die alten zwischen den
alten Genossen beibehalten. Hoffen wir, daß dieser Aeußerlichkeit
die sachliche Analogie nicht ganz fehlen wird.“
Am 15. d. Mts. sollte im Reichs⸗Gesundheitsamte
die Kommission zur Revision der Pharmacopoea Germanica zu-
sammentreten, zu welcher Professoren aller deutschen Universitäten,
Medizinalräthe, praktische Aerzte und Apotheker aus den verschieden—
ten Städten berufen sind. Auch das preußische Kriegsministerium
wird einige Beamte zu den Berathungen delegiren.
Die außerordentlich großen Dimensionen, welche der Eisen⸗
erport Deutschlands in diesem Jahre angenommen hat, finden
ihren Ausdruck in den Zahlen der Handelsstatistik, welche das jüngst
dublizirte Augustheft der Reichsstatistik mittheilt. Darnach hat die
Ausfuhr in den ersten acht Monaten d. J. umfaßt 2,328,574
Doppel-Jentner Roh⸗ und Brucheisen, 4,346,073 Doppel⸗Zentner
Materialeisen und grobe Eisenwaaren und 384,796 Doppel⸗Zentner
Maschinen. Auf Roheisen reduzirt repräsentirt diese Aussuhr ein
Quantum von mehr als 8/4 Millionen Doppel-Zentner. Haͤlt der
Erport auch in dem letzten Drittel des Jahres in ähnlichem Um—
ange an, so würde die deutsche Eisenindustrie zu einer Jahresaus⸗
uhr von beinahe 13 Millionen Doppel⸗Zentner gelangen. Keine
indere Eisenindustrie der Welt, mit Ausnahme der englischen, kann
nuch nur entfernt eine gleiche Exportfähigkeit aufweisen.
Die offiziöse „Prov.-Korresp.“ enthalt einen Artikel: „Für⸗
sorge für Arbeiter“, worin es heißt: Für Jeden, welcher
die ganze Politik des Reichskanzlers in den letzten Jahren auf-⸗
nerksam verfolgte, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die
llebernahme des Handelsministeriums durch ihn nur ein Glied in
der Kette der wirthichaftlichen Reform ist, welche der Fürst vor
wei Jahren im Gegensatze zu manchen von alten Vorurkpeilen
“
und veralteten Lehrmeinungen irregeleiteten Parteigruppen, dann
aber unter lebendiger Theilnahme weiter Kreise der Bevölkerung
ins Werk setzte und mit der Aenderung der Zollpolitik einleitete.
Der Artikel schließt: Durch die Uebernahme des Handelsministe⸗
ciums drückte der Reichskanzler den Entschluß aus, die Reform,
die auf der einen Seite begonnen, auch von der anderen in An—
griff zu nehmen und diejenigen Vorschläge selbst vorzubereiten,
welche geeignet sind, die Lage der Arbeiter zu verbessern und die
Wohlfahrt des Gewerbes auf eine sichere moralische Grundlage zu
tellen. Es ist die Konsequenz eines zielbewußten, wohlberechneten
Planes, dessen Durchführung im Interesse der Gesammtheit un—
aufschiebbar ist und zu dessen Verwirklichung er auf die Mit⸗
wirkung aller positiv denkenden und staatserhallenden Parteien rech⸗
net. Wenn die Behandlung auch dieser Frage nicht nach den Auf⸗
fassungen und Geboten bloßer Lehrmeinungen, sondern vor Allem
nach den Anforderungen der thatsächlichen Lage der Dinge und
aach den wirklichen Bedürfnissen und praktischen Interessen des
Volkes gestaltet wird, wenn ihm in diesem Sinne die parlamen—
arische Unterstützung zu Theil wird, dann dürfte auch ungeachtet
der viel bestrittenen Moͤglichkeit des Erfolges das Gelingen nicht fehlen.
Bezüglich der neuesten Phase der montenegrinischen
Grenzfrage schreibt die Berliner ,Prov.Korresp.“ Die Frie-
»enshoffnungen und der Berliner Vertrag haben hierdurch eine
neue Bestätigung erhalten.
Zwischen der deutschen und österreichischen Regierung schweben
VBerhandlungen über die Frage, ob beide Mächte die Verlragspflicht
der Pforte mit der strikten Uebergabe Duleigno's für er⸗
üllt erachten. Es heißt: es sei Neiging dafür vorhanden, bezüg⸗
ich der weiteren streitigen Territorien bei Dulcigno, den betheiligten
Stämmen den Ausgleich zu überlassen. Berliner politische Kreise
erwarten ein energisches Einschreiten der Pforte für die Niederhali—
ing der Albanesen gegenüber den Montenegrinern. — Die Dis—⸗
positionen für die Heimberufung der Demonstrationsflotte nach der
—
bestimmte Abreden zwischen Rußland und England für den weiteren
Fortgang der Orientfrage.
Ausland.
Die deutsch-feindliche Bewegung in Oesterreich
welche in Ungarn durch die Verweigerung der Konzession an
das deutsche Theater seitens der Pester Gemeindevertretung ihren
Fipfelpunkt erreichte, hat in dieser Richtung weitere Kreise gezogen.
Auch in Galizien regt es sich. So hat ein polnisches Blatt
in Lemberg angefangen, gegen die Zulassung deutscher Theatervor⸗
tellungen dortselbst zu agitiren. — Vielleicht liegt gerade in der
Tollheit dieses ganzen Treibens die Gewähr, daß es nicht lange
anhält.
Am 13. Okt. erklärte sich der französische Ministerrath
unter Grevy's Vorsitz einstimmig für den Antrag des Ministers
Constans betr. die Anwendung der Märzdekrete auf die geistlichen
ongregationen. Minister Barthelemy theilte auf den Orient be⸗
zügliche Depeschen mit, namentlich eine offizielle Notifikation des
Finverständnisses der Pforte bezüglich der Uebergabe Dulcigno's.
Mit der vom Sultan genehmigten Note, welche den Ver⸗
kretern der Vertragsmächte in Konstantinopel übergeben wurde und
durch welche die bedingungslose Uebergabe Dulcigno's zugestanden
wird, ist wieder ein Abschlußz in der Orientfrage erzielt.
Was nun weiter geschieht, darüber sind die Meinungen noch sehr
getheilt. Besonders von Wien aus wird die Meinung verbreitet,
daß das europaische Konzert in Auflösung begriffen sei und daß
sich nunmehr die Mächte zu festeren Gruppen zusammenschließen
werden. Allgemein anerkannt wird, daß es der meisterhafte Schach⸗
zug der deutschen Politik war, welcher die neueste Situation
herbeigeführt und die abenteuerlichen Pläne Gladstone's zerstört
hat. Letzterer soll zu einer Umkehr in der Politik geneigt und
zur Einsicht gelangt sein, daß nur ein starkes österreichisch⸗
deutsches Bündniß den aus dem Orient bedrohten Frieden Eu—
opas sichern könne; das muß wohl indessen abgewartet werden.
Eine der Wiener „Presse“ von autoritativer Seite aus BVerlin zu⸗