gegangene Meldung besagi über die österreichisch-deutsche Orient-
politik: Deutschland ist trotz des Unmuths über das Vorgehen der
Pforte bemuht, den status quo des Berliner Vertrages aufrechtzu⸗
erhalten. Das deutsch⸗osterreichischr ungarische Bündniß bestehe vor
Allem auf der Durchfuͤhrung des Berliner Vertrags. Für den Fall
als die Pforte die Auslieferung Dulcignos weiter verweigern sollte
werden Deutschland, Oesterreich⸗ Ungarn, wahrscheinlich auch Frank—
reich, an einer weiteren maritimen Aktion keinesfalls aktiv Theil
nehmen. Wenn England, Rußland, vielleicht auch Italien in aktiver
Weise die Aktion fortsetzen, so wird dies keineswegs auf Grund
eines Mandates der übrigen Mächte geschehen. Deutschland und
Frankreich stimmen zwar einer Pression auf die Pforte zu, wollen
aber im Falle einer Aktion der übrigen Mächte, welche zu einem
tasus belli führen sollte, diesen die Verantwortung überlassen und
gegen jede eigenmächtige Verfügung auf der Balkanhalbinsel pro—
lestiren.“ Von anderer Seite wird betont, daß die Orientfragt
für dieses Jahr in kein neues Stadium eintreten werde, wenn
nicht etwa eine tiefgehende Bewegung in der islamitischen Welt
selbst eine Veränderung der Situation herbeiführen würde. Der
Groll gegen den Sultan, bezw. das ganze Haus Osman ist starl
im Wachsen und überall diskutirt man die Frage, ob denn das
Khalifat an das Haus Osman unbedingt gebunden sei. Die
Frage wird verneint, da das Khalifat auch schon früher in anderen
Händen war; auf der nächsten Wallfahrt nach Mekka soll die
Sache ausgetragen werden. Der Sultan weiß davon, und daher
seine Widerspenstigkeit gegen neue Konzessionen an Europa. Man
darf jedenfalls auf interessante Dinge gefaßt sein.
Die russische „Petersburger Zeitung“ gibt noch nicht ver⸗
bürgte, nachträglich ermittelte Details über eine bereits vor einiger
Zeit entdeckte, schon im vorigen Jahre unweit Station Alexan⸗
——
serlichen Zug in die Luft zu sprengen. Die Mine bestand aus zwei
mit Dynamit angefüllten Abtheilungen, von welchen eine Draht⸗
leitung seitwärts nach dem Fahrwege führte. Als sich der kaiser⸗
liche Zug dem betreffenden Orte näherte, eilte auf dem Fahrwege
ein mit drei Pferden bespannter Wagen herbei, welcher, nachdem
der kaiserliche Zug passirt war, wieder davonjagte. Man vermuthet,
daß der Wagen eine elektrische Batterie enthalten habe; die ver—
brecherische Absicht mißlang, weil der Draht beim Eingraben durch—
schnitten worden war. — Offizielle Nachrichten fehlen zur Zeit noch.
Die „Times“ sagen, nachdem Dulcigno definitiv übergeben
und die monienegrinische Frage somit erledigt sei, sei die Flotten⸗
demonstration, deren Zweck die Lösung der montenegrinischen Frage
gewesen, ipso faeto zu Ende. EEs ist bezeichnend, wie hastig die
Times“ nach dem Rettungsseil der neuesten Entschließung des
Sultans greifen und wie sie sich daran klammern. Man mag daraus
sehen, wie sehr es England darum zu thun ist, aus der Sackgasse
herauszukommen, in welche es sich durch die von Gladstone vor—
—
Den Dank für die Befreiung aus dieser Sackgasse mag es an
Deutschland und Frankreich abstatten — wenn nämlich wirklich
schon das ersehnte Ziel erreicht ist. Vorerst wissen wir aber nur.
daß der Sultan die Uebergabe von Dulcigno nicht hindern zu
wollen erklärte. Warten wir ab, wie die Albanesen sich dazu
stellen, und ob nicht am Ende auch die Pforte noch ein neues
Hinterthürchen in dieser so lange hingezogenen Sache findet.
Der „Osservatore Romano“ erfährt, der Papsft habe das Ge—
such des Kardinals Nina, von dem Posten eines Staatssekretärs
enthoben zu werden, genehmigt. Nach der „Ag. Stefani“ ist
Jacobini für die Stelle eines Staatssekretärs und Vanutelli an
dessen Stelle zum Nuntius in Wien ausersehen.
Die irische Bewegung hat bei der englischen Presse
allerhand Gegenvorschläge zu Tage gefördert, zu denen derjenige
einer zeitweiligen Suspension der Habeaskorpusakte ein Zeichen
von dem Ernst der Situation ist. Dieses, die persönliche
Freiheit gegen Verhaftungen schützende Gesetz, auf dessen Ueber—
schreitung seitens der Behörden strenge Strafen selbst mit Aus—
schluß der königlichen Begnadigung gelegt sind, ist seit seinem am
26. Mai 1879 erfolgten Zustandekommen erst dreimal aufgehoben
worden, 1793, 1794 und 1817.
Die neuesten Nachrichten aus Afghanistan lauten wieder
ungünstiger. Die Bevölkerung erwartet einen neuen Angriff Ejub
sthan's und will die Felder nicht mehr besähen. Die Angriffe
fanatischer Eingeborenen auf englische Offiziere mehren sich wieder
und von verschiedenen Seiten wird die Befürchtung ausgesprochen
daß im Winter eine allgemeine Erhebung der Stämme bevorstehe
Trotzdem wird England Kandahar kaum aufgeben können, ohne
seinem Ansehen in Indien einen schweren Stoß zu versetzen, denn
Afghanen wie Indier würden das Aufgeben Kandahar's nur Eng—
lands Furcht zuschreiben.
Die Wahlbewegung der neuen Präsidentschaft in Nord—
amerika ist in vollstem Flusse. Wie aus New-NYork gemeldel
wird, ist die Wahlagitation im Staate Indiana insbesondere eine
sehr heftige. In Shelbyville ist es zwischen den Demokraten und
Republilanern zu einem Zusammenstoß gekommen, wobei der Sherif
getödtet und sein Adjunkt verwundet wurde, als fie die Ordnung
wiederherzustellen versuchten. Auch mehrere andere Personen wurden
verwundei. Ebenso sind in Evansville gelegentlich der Wahlagiation
zeine Anzahl Personen durch Revolverschüsse verwundet worden.
Nach den neuesten Nachrichten aus den Vereinigten
Staaten sind die Demokraten bei den Wahlen in Indiana unter—
legen und haben die Republikaner mit geringer Mehrheit gesiegt.
In Ohio sind die republikanischen Kandidaten mit großer Mehrheil
zewählt. In West-Virginien siegten die Demokraten, aber mit
gegen früher verringerter Mehrheit. „Herald'“ und „Tribune“
halten diese Niederlagen der Demokraten in den voraussichtlich, den
Ausschlag gebenden Staaten für entscheidend und für ein Anzeichen
des Sieges der Republikaner bei der bevorstehenden Präsidentenwahl.
Die Regierungen von Chili und Peru, welche Staaten
sich schon längere Zeit bekriegen, haben den Vermittelungsvorschlag
der Vereiniaten Staaten angenommen.
Vermischtes.
?Ausdem Alsenzthale, 14. Okt. Die Weinlese
auf der Gemarkung zu Rockenhausen beginnt Montag den 18. ds.
Mis. Obgleich quantitativ die Weinernte eine sehr geringe dies
Jahr in hiesiger Gegend sein wird, so wird doch die Qualität des
Weins eine sehr gute zu nennen sein, da die Trauben alle voll⸗
ständig reif sind. — Der Gemeinderath zu Rockenhausen hat die
Beseitigung der dortselbst bestehenden örtlichen Elementar-Fortbil—
dungsschule beschlossen. Ist dies vielleicht als eine Folge des in Speyer
gehaltenen Vortra gs.
tt Ans der Nordpfalz, 15. Okt. Die Karioffeln fallen
hier zu Lande sehr befriedigend aus, nur fehlt es am bezüglichen
Absatze. Die Niederlande, unser bisheriges Absatzgebiet, bedarf
unserer Kartoffeln nicht, weil diese ebenfalls dorten sehr wohlge⸗
rathen sind. Die Preise stellen sich auf 3,20 bis 3,80 M. per Malter
—AD
jede beliebige Eisenbahnstation der Alsenzbahn geliefert. Heute
wurde sogar nur 1,80 M. für den Zentner gute Eßkartoffeln be—
zahlt. — Das Kraut wird per Hundert Häupter zu 5,50 M. geliefert.
XAus der Pfalz, 14. Okt. Vor einigen Tagen be—⸗
juchte ich das am 8. Mai a. c. vom Brandunglück so sehr heim—⸗
jesuchte preußische Grenzstädtchn Baumholder. Von den
274 niedergebrannten Gebäuden sind ohngefähr 250 wieder er—⸗
baut und nur noch etliche 20, meistens kleinere Bauten, können
erst nächstes Jahr aufgebaut werden. Fast alle Neubauten sind
schön ausgeführt; auch viele große und prächtige Häuser sind ent⸗
sttanden. Ganz besonders tritt das nunmehr Zstoöͤckig erbaute Stadt⸗
haus hervor, wirklich eine Zierde des Städtchens. Kein anderes
Städtchen gleichen Ranges hat einen solchen Koloß von Stadthaus
aufzuweisen. Betrachtet man aber die evangel. Schulhäuser, die
vom Brande verschont blieben, so kann man ein Lächeln nicht
unterdrücken. Zwar wird schon seit Jahren von einem Neubau
fraglicher Häuser gesprochen; aber dies wird noch auf Jahre hin⸗
aus ein frommer Wunsch bleiben. Das katholische Schulhaus
wurde früher schon ein Raub der Flammen und ohngefähr vor
16 Jahren neu erbaut. Dieser Bau könnie Vielen ein Muster
abgeben.
— Bei der Versammlung deutsche Pomologen und Obst—
züchter zu Würzburg erhielt Herr C. Velten von Speyer für Obsl
den sechsten Ehrenpreis, für ein Kartoffelsortiment von 100 richtig
bezeichneten Sorten ehrende Erwähnung, deßgleichen für ein weiteres
Sortiment (ohne Konkurrenz.) — Aus der Pfalz wurden ferner
ausgezeichnet: J. Kern in Landau mit dem vierten Ehrenpreis für
Obst, mit der silbernen Medaille für Hochstämme, mit einem Ehren⸗
diplom für Formobstbäume; F. Sedler in Teidesheim mit der
silbernen Medaille für Obst. (Sp. 3.)
fF Quittungen. Die deutsche Regierung hat am 8. d.
M. eine Konvention mit Belgien unterzeichnet, betreffend die Ein—
ziehung von Quittungen und Ordrepapieren durch die Post, falls
dieselben den Betrag von 600 Mark nicht übersteigen. Die unver—
züglich in Kraft tretende Konvention bestimmt, daß die Uebersend⸗
ung der Effekten in der Form eines eingeschriebenen Briefes er⸗
folgen muß, welcher an das mit der Einziehung beauftragte Post⸗
bureau adressirt wird. Die Post bezahlt für den Fall des
Verlorengehens der Effekten eine Entschädigung von 40 Mar
(50 Francs) im Maximum.
Man hat berechnet, daß der Aufwand für das Landheer
im deutschen Reiche von 1872 bis 1878 im Ganzen
3,247,937,059 Mark betrug. Die Flotte kostete in derselben Zeit
232,526,7832 Mt. Die Gesammtausgabe für Krieqgszwecke betrug
3,480, 463,791 M.
f. In Zweibrücken befanden sich am 13. Okt. zwei Of⸗
iziere des preuß. Husarenregiments Nr. O aus Trier zum Zweck
des Ankaufs von Pferden aus unserer Gegend für das genannte
Regirrent. Wie die „Zw. Zig.“ aus zuverlässiger Quelle
hört, haben die beiden Herren sich über die zum Kauf ängebotenen