Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

sene Zwillinge vom unteren Schlüsselbein bis in die Hüftengegend 
pollständig zusammengewachsen. Die Kinder, weiblichen Geschlechts, 
sind zu frühe und wahrscheinlich deßhalb und wegen der sehr 
schweren Geburt todtgeboren zur Welt gekommen. Wären die 
stinder am Leben geblieben, so würde ihre Lebensweise, wegen der 
nnigeren Verbindung noch viel merkwürdiger und interessanter ge— 
vorden sein, als die der siamesischeu Zwillinge. War bei letzteren 
B. Denken und Fühlen ein gesondertes — nur in der Mitte 
des Fleischbandes empfanden beide z. B. Nadelstiche — so würden 
zei jenen Schmerzempfindungen sowie Hunger und Durst, weil 
Brust und Leib verwachsen waren, sich gewiß auf beide Individuen 
erstrrckt haben. Für ein Museum oder Naturalienkabinet würden 
ziese Körper eine merkwürdige Bereicherung gewesen sein; aber die 
Eltern gaben ihre Einwilligung zur Aufstellung an einem solchen 
Ort nicht. 
FIn Frankenthal wurde am 19. Okt. nach acht⸗ 
stündiger Verhandlung in der Untersuchung gegen den früheren 
Beschäftsagenten Jörns aus Speyer das Urtheil verkündet, wonach 
derselbe dreier Urkundenfälschungen resp. Unterschlagungen über— 
ührt erklärt und zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren nebst 
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von fünf 
Jahren verurtheilt wurde. 
F Auf dem deutschen Kriegsschiffe „Prinz Adalbert“ 
welches mit dem Prinzen Heinrich, zweitem Sohne des deutschen 
cronprinzen, jüngst von einer Weltreise zurückkehrte, befanden sich 
5 Pfälzer, nämlich Seekadett Ludwig Bruch von Leinsweiler, der 
dann auch gleichzeitig mit dem Prinzen Heinrich die Offiziersprüf⸗ 
ing in Kiel mitmachte, ferner drei Kaiserslauterer, Namens Schöne— 
herger Louis und Joseph Diehl, letzterer ein Sohn des verstorbenen 
Arztes Dr. Diehl, und einer, wie schon gemeldet, Namens Braun 
von Reichenbach bei Landstuhl. 
F Die Pfalzgau-Ausstellung in Mannheim waurde 
während ihres Bestandes, vom 11. Juli bis 18. Okt. von 11,450 
Abonnenten und 190,000 anderen Personen besucht. 
F In Folge zahlreicher Reklamationen hat sich das Komite der 
Pfalzgau⸗Ausstellung entschlossen, eine beträchtliche Reduktion der 
Beitragsgebühren für Dekorationen u. s. w. eintreten zu lassen. 
Nach der „Pf. Pr.“ wurde die Forderung an einen Aussteller im 
Kanton Grünstadt von 67 M. 80 Pf. auf 9 M. 40 Pf. er⸗ 
mäßigt. Der Ueberschuß bei der Ausstellung wird auf 67,000 M. 
oeranschlagt. 
F In Trieer sind zwei Husaren der 1. Eskadron des daselbst 
zarnisonirenden 9. Husaren⸗Regiments in einer der letzten Nächte 
heritten desertirt. Dieselben waren auf Stallwache, haben die beiden 
zesten Pferde. welche im Stall standen, gesattelt und sind damit 
auf und davon. Die Derserteure, ein Würtemberger und ein 
Sachse, wurden im Luxemburgischen verhaftet. Ein Pferd hatten 
ie schon verkauft. 
F (Ein theuerer Schoppen.) 
einem Weinbergsbesitzer berichtet, 
Schoppen Most erzielte. Unter 
ind des Anlagekapitals kostet den 
32 M. 50 Pf. 
F In München ist der 
o. Schmid gestorben. 
4 Vor dem Münchener Standesamte erschien kürzlich ein 
taubstummes Brautpaar, der Bildhauer J. Spott von Mün⸗ 
hen und Frl. Syffert, Aufschlägerstochter von Grafing. Alles 
nußte durch einen Dolmetsch, den Zentral⸗Taubstummen⸗Instituts⸗ 
Inhaber Gunkel, vermittelt werden. 
In Passau wurde jüngst eine Bettlerin aus dem Oester⸗ 
ceichischen aufgegriffen; sie war recht ärmlich gekleidet, hatte aber 
in Bündel bei sich und in diesem ein etwa zwei Liter haltendes 
Vefäß, das mit erbettelten Nickel- und Kupfermünzen vollge— 
füllt war. 
In Würzburg fand am 18. Olt. die vom verstorbe⸗ 
nen König Ludwig J. zum Andenken an die Völkerschlacht bei 
deipzig gestiftete Armen-⸗Ausspeisung im Gartensaal der kgl. Resi⸗ 
denz Stait. 330 Arme, unter welchen das weibliche Geschlecht vor— 
jerrschte, wurden von 80 Aufwärtern bedient; das Essen bestand 
aus Suppe, Rindfleisch, Kraut mit Schweinefleisch, dazu bekam 
sedes “2 Liter guten Wein aus dem Hofkeller und ein Laibchen 
gemischtes Brod. Während des Essens spielte die Musik des 9. 
Infanterie-Regiments. Daß tapfer eingehauen wurde (in die 
Schüsseln nämlich), braucht nicht erst versichert zu werden. 
4F Eine ergötzliche Szene ereignete sich zu Kölhn in der 
Donnerstagssitzung der dritten Zivilkammer des Landgerichts. Wäh— 
rend der Sitzung trat ein Herr ein, welchen der Vorsitzende mit 
»en Worten zu begrußen Veranlassung nahm: „Sie da, machen 
Sie die Thür zu!“ Der so Apostrophirte erwies sich, wie die 
„Koöln. Ztg.“ mittheilt, alsbald als der Herr — Justizminister, 
er dem Oberlandesgericht und dem Landgericht einen Besuch ab⸗ 
jttattete. Allgemeine Heiterkeit war das Finale. 
x Geschenk des deutschen Kaisers. Den Mitgliedern der 
bekannte Schriftsteller Hermann 
Kölhner Dombauhütie hat der Kaiser eine Spende im Betrag 
von 10,300 Mark gewidmet. — Jeder Geselle erhielt 30 Mark 
Am 18. Abends fand, wie die Kölnische Zeitung meldet, ein Fest⸗ 
essen für die Werkleute statt, welches ebensalls im Auftrage des 
aisers gegeben wurde. 
Dieser Tage wurde bei Düsseldorf die Lokomotive 
eines Personen;zuges in voller Fahrt vom Blitz getroffen und stark 
beschädigt, weshalb der Zug erst nach einer halben Stunde lang— 
sam die Weiterfahrt zur nächsten Station antreten konnte. Das 
Lokomotivpersonal blieb glücklicherweise unverletzt. 
Von der Strafkammer des Landgerichts zu Meiningen 
vurde der Mühlenbesitzer Luck von Herges-Voigtei, welcher erwie— 
enermaßen dem von ihm gemahlenen und verkauften Mehl Schwer—⸗ 
path beimengte, unter Ausschluß mildernder Umstände zu einem 
Fahr und sechs Monaten Gefüngniß, 600 Mk. Geldstrafe und 
Tragung der Kosten verurtheilt. 
F Dem Stadtrath von Gotha ist ein kleines Malheur pas⸗ 
sirt; derselbe verordnete, daß bis zum 1. Oktober d. J. alle Häuser 
bei Strafe mit Dachrinnen versehen sein mußten. Inzwischen 
tellte es sich heraus, daß die kommunalen Gebäude selbst noch der 
Finrichtung ermangeln und mußten am 2. d. M. die dortigen 
Stadtverordneten geschwind die Mittel dazu bewilligen. 
F Postberichte aus Quebeck melden einen großen Erfolg 
des Walfischfanges in den arktischen Gewässern. Alle Schiffe waren 
m August gefüllt. Die Flottille scheint sehr erfolgreich vom 14. 
Juli bis 30. August gewesen zu sein. Seit etwa 29 Jahren ist 
der Erfolg kein so großer gewesen, wie während dieser Monate. 
Die meisten der in dieser Saison gefangenen Wahsische sind klein 
und lieferten im Durchschnitt etwa 70 Faß Thran und 1000 Pfund 
Fischbein. 
Der letzte von Hamburg nach New-York abgegangene 
Postdampfer „Wieland“ nahm in Havre eine theuere Bürde an 
Bord, wie solche in gleichem Werthe kaum ein anderer deutscher 
Dampfer über den Ozean getragen haben dürfte; derselbe empfing 
aselbst 11,800,000 Fres. in Gold, welche auf Hamburger An— 
veisung aus der Pariser Bank gezahlt worden waren. 
— Fritz Käpernick vom 2. kgl. preuß. Garde⸗Regiment, dessen 
Leistungen als Schnell- und Dauerläufer Berlin vor einigen 
Monaten in Erstaunen setzten, ist in Lon don angekommen und 
zedenkt nun, die ersten Schnellläufer Englands zu einem Wett— 
ampfe herauszufordern, um seine Kräfte mit ihnen zu messen. 
Am 26. d. M. feiert der General-Feldmarschall Graf v. 
Moltke seinen 80. Geburtstag und es werden ihm für diesen 
Tag von allen Seiten Ovationen vorbereitet. Es heißt, daß dem 
Beneral-Feldmarschall eine besondere Auszeichnung durch den Kaiser 
bevorstehe. 
F. In welcher Weise mitunter Nahrungsmittel ge— 
fälsscht werden, beweist folgender Fall: In der chemischen Ün— 
sersuchungsstelle zu Plauen konstatirte Herr Dr. Forster, daß ein 
hm eingeschickter Wein nicht nur mit Stärkezucker, sondern sogar 
nit Knoblauchzwiebeln angesetzt worden war. Ein nettes Getränke, 
namentlich für Rekonvaleszenten und Solche, die zur Stärkung 
diesen Wein genießen. 
f Unter der Anklage der Thierquälerei standen in Luxe m⸗ 
burg am 29. Sept. zwei Händler vor Gericht, die auf dem 
Jahrmarkt eine Kuh verkauft hatten, der sie Hölzchen in die Euter 
zesteckt hatten, um das Auslaufen der Milch zu verhindern und dem 
Thier ein vortheilhaftes Aeußere zu geben. Nach der „L. Z.“ 
wurde gegen die Beschuldigten auf 20 Franks Buße erkannt. 
f Eine originelle Leumundsnote. Bei einer 
Verhandlung, die vor einigen Wochen bei dem Schwurgerichts hofe 
ꝛines böhmischen Kreisgerichtes gegen einen des Raubes Ängeklagten 
ibgehalten wurde, kam zur nicht geringen Erheiterung nachstehende 
Leumundsnote des Gemeindevorstandes zur Verlesung, in der es 
nach vorausgegangener Schilderung des Lebenslaufes des Inkul⸗ 
paten wortlich hieß: „Auf diesem Wege hatte er (der Angeklagte) 
es so weit gebracht, daß er allein in einer Blouse im Walde wie 
ꝛin Räuber wohnte 
fRevanehe pour Szegedin! Ein der durch 
die Schließung des deutschen Theaters in Pest zu Grunde ge— 
zangener Schauspieler, welcher sich aus Verzweiflung das Leben 
jenommen hat, wurde dieser Tage zur Ruhe bestaitet. Auf seinem 
Brabe erhebt sich ein einfaches Kreüz in den ungarischen National⸗ 
iarben und mit der Inschrift: 
„Hier lieg' ich nun frei von Sorgen 
Und alles Jammers bar, 
Es hat mich verhungern lassen 
Der edelherz'ge Magyhar. 
Jüngst hab' ich, den Seinen zu helfen, 
Noch mein Talent gelieh'n — 
Jetzt übt er Wiedervergeltung: 
Revanche pour Szegedin!“ 
FParis, 20. Okt. In verwichener Nacht wurde ein 
Polizei⸗Agent in einer Kneipe einer berüchtigten Gasse ermordet.