Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

der Zählungsformulare von dem zu Zählenden selbst, und zum 
Andeten, indem freiwillige Zähler die Ausfüllung, Wiedereinsamm⸗ 
lung und Kontrole ehrenamtlich besorgen. Voraussichtlich werden 
im Volk auch diesmal der Volkszählung dieselben Hindernisse be⸗ 
gegnen, die früher das Geschäft erschwert haben. Um so mehr 
wird jeder Einzelne im Bewußtsein, einer guten Sache in gemein⸗ 
nütziger Weise zu dienen, darauf bedacht sein müssen, die Zähler 
und die mit der Ausführung des Zählungsgeschäftes befaßten Be— 
hörden nach Kräften zu unterstützen. Wie man hört, haben die 
hreußischen Bezirks⸗Regierungen u. s. w. Anweisung erhalten, in 
den Blaͤttern auf die große Wichtigkeit der Volkszählung aufmerk⸗ 
sam zu machen. Dieses Verfahren dürfte fich auch anderwärts zur 
Nachahmung empfehlen. 
FIn'St. Johann wurde am 27. Okt. an sämmtliche 
Wirthe eine Polizeiverordnung, betreffend Verabreichung geistiger 
Vetranke an schon Angetrunkene, mit einer Namensliste der in 
St. Johann wohnenden, resp. zeitweise anwesenden notorischen 
Trunkenbolde (es sind deren 17) vertheilt; es kann diese polizeiliche 
Maßregel, welche zur Beschränkung des übermäßigen Genusses 
zeistiger Getränke dient, nur gutgeheißen werden. Durch dieselbe 
Zird das Verabreichen irgend welcher Spirituosen an schon Ange— 
runkene den Wirthen bei Strafe (im Wiederholungsfalle sogar 
nit Entziehung der Konzession) verboten. 
4 Wie die „Saarbr. Ztg.“ hört, hat die behufs Erbauung 
eines Schlachthofes zu Saarbrücken eingesetzte städtische Kom⸗ 
mission nunmehr ihre Arbeiten beendet, und werden die aufgestellten 
Kostenanschläge und Pläne der nächsten Stadtverordnetenversamm⸗ 
iung und dann der königlichen Regierung zur Genehmigung resp. 
—— — vorgelegt werden. Die Gesammtkosten des Schlacht⸗ 
hausbaues inkl. Bauplatz werden durch die Kommission auf pptr 
15,000 Mk. veranschlagt, welcher Betrag bei der Submission even— 
uell noch eine Ermäßigung erfahren dürfte. 
der Hauptfreffer von 50,000 M, in der Kaisers⸗ 
lauterer Gewerbemuseums-Lotterie fiel auf Nr. 34163. Außerdem 
wurden folgende größere Gewinne gezogen: Nr. 8589: 1000 M.; 
sr. I3318, 22708, 36931, 51201, 531577 je 50 M.; Vr 
8266: 12 M. Außerdem eine Anzahl Gewinne zu 4 M. und 7 M. 
(Pfälz. Kurier.) 
4 Wie der „Pf. K.“ vernimmt, konferirten am Mittwoch in 
dudwigshafen Herr Oberregierungsrath von Schleitheim aus 
München und die Herren Oberzollinspektoren von Ludwigshafen 
und Kaiserslautern uͤber die Errichtung von Tabak⸗Verwiegungs⸗ 
stellen in der Pfalz. Wie dasselbe Blatt weiter vernimmt, soll in 
der Stadt Landau unter der Voraussetzung, daß dorthin ein Haupt— 
zollamt kommt, in richtiger Würdigung der pfälzischen Interessen 
zin großes Lagerhaus für unverfteuerten inländischen Tabak ge⸗ 
baut werden. 
4 Ein tragikomischer Vorgang ereignete fich in Ludwigs⸗ 
hafen und hielt die Bewohner eines Hauses der Hauptstraße 
angere Zeit in größter Aufregung. Das nette Dienstmädchen des 
Hauses, eine lebensfrohe, muntere und blauäugige Blondine, die 
Jedermann gerne leiden mochte, benahm sich seit einigen Tagen 
uffallend still und war, wie man gewoͤhnlich sagt, kopfhängerisch 
geworden, nur kurze einsilbige Antworten gebend, wenn man sie 
jach dem Grunde der Veranderung fragte. Kurz nach Tische war 
das Mädchen verschwunden, alle Fragen nach der „Lisett“ waren 
bergebens, kein Mensch konnte Auskunft geben, so daß man sich 
bald mit dem Gedanken vertraut machte, Lisette könne in einem 
Anfalle von Schwermuth den Tod in dem nahen Rhein gesucht 
haben. Es wurde Abend und noch hatte man keine Spur von 
dem Mädchen. Aber welche Ueberraschung wurde dem Hausherrn 
zu Theil, als er in den Keller kam, um den für das Nachtessen 
bendthigten Wein zu holen! Da saß nun oder lag vielmehr das 
sodigeglaubte Kind auf einem Zuber an die Wand gelehnt, zu ihren 
Fußen ein leeres Bierglas, aus dem sie dem Neuen tüchtig zuge⸗ 
—DD daß es ordentlich schauerlich im Keller 
widerhaltte. Der Hausherr begriff die Situation sofort, doch alle 
seine Bemühungen, Lisette dem Gott Morpheus aus den Armen 
u reißen, blieben umsonst. Mit Hilfe einiger Hausbewohner mußte 
fie in ihr Schlafkämmerlein gebracht werden. Am nächsten Morgen, 
wie die undusbleiblichen Äuseinandersetzungen Statt fanden, hat 
Lisette erklärt, daß sie aus Verzweiflung, weil ihr Heinrich untreu 
geworden, zu diesem Mittel gegriffen habe, um ihr Dasein zu enden. 
Sie habe schon so oft gelesen, daß Menschen infolge zu großen 
Henufses von neuem Wein am Schlagfluß sterben und dies habe 
sie auf den Gedanken gebracht, ein gleiches zu thun. 
4 Zu der Festvorstelläng im neuen Opernhaus zu Frank⸗ 
furt'a M. am 20. d. wurde ein ergiebiger Billethandel be⸗ 
rieben; für Sperrsitze wurden 80 und 100 M., für nummerirte 
Hallerieplätze 70 M. bezahlt! 
p'Frankfurt a. M. Ter hiesige Reichsbankbeamte 
F. W. Schuster, 31. J. a., Landwehroffizier und Ritter des 
aisernen Kreuzes 2Kl., bei Sedan verwundet, gebürtig aus Weißen⸗ 
fels wurde am 20. d. vom hiesigen Schwurgericht der Verun— 
reuung von 64,000 M. zum Nachtheil der Reichsbank schuldig 
efunden und zu 6 Jahren Gefängniß und 58 Jahren Ehrenverlust 
Herurtheilt. Die Geschworenen hatten mildernde Umstände ange— 
ommen. Die der Hehlerei angeschuldigte Geliebte des Schuster, 
die 28jährige Kleidermacherin Katharina Merte, wurde freige⸗ 
prochen. Schuster, der ein Gehalt von 4100 M. bezog und freie 
Vohnung in der Bank hatte, lebte auf ziemlich großem Fuße und 
vandte seiner Geliebten viele werthvolle Geschenke zu. 
Am Morgen des 26. Okt. fand sich auf dem Konkursge⸗ 
richt zu Frankfurt eine Gesellschaft Menschen ein, wie sie sich 
vohl selten zur Vertretung gemeinsamer Interessen so bald wieder 
finden wird. Der Peiche kam wie der Arme, um seine Ansprüche 
an die Gebr. Sachs'sche Konkursmasse noch nachträglich anzu— 
melden, während Andere der Entscheidung ihrer längst erhobenen 
Ansprüche warteten. Die Passiva belaufen sich nach einer vorläu— 
igen Aufstellung auf 1,8900,000 M., denen im günstigsten Falle 
30,000 M. als Aktiva gegenüberstehen. 
Bei der landwirihschaftlichen Ausstellung im Glaspalast zu 
München wurden auch mehrere Pfälzer prämiirt, darunter Kauf⸗ 
nann Karl Schramm in Homburg; derselbe erhielt für Flachs 
die broncene Vereinsdenkmünze. 
F Würzburg. Gwilitärbezirksgericht. In der letzten 
Sitzung wurden die Jäger Karl Staß, Philipp Persch, Johann 
Friedrich und Jakob Simon, sämmtlich vom 2. Jägerbataillon in 
Zweibrücken, und zwar: Jak. Simon von der wider ihn erhobenen 
ünschuldigung wegen gemeinen Vergehens der vorsätzlichen erschwer⸗ 
en Körperverletzung, verübt an dem Maurer Raimund Frank von 
xrnstweiler und dem Maschinenheizer Heinrich Schmidt von dort, 
ind wegen je eines militärischen Vergehens des rechtswidrigen 
Waffengebrauchs zu je 1 Monat 15 Tagen und Johann Friedrich 
wegen militärischen Vergehens des rechtswidrigen Waffengebrauchs 
zu 43 Tagen Gefängniß verurtheilt. 
Vorzehn Jahren. „Mez hat kapitulirt!“ Am 
27. Oktober 1876 traf diese so lang ersehnte Nachricht in Berlin 
ein. Lange hatte sich die siolze Veste, die nie vorher einem Sieger 
die Thore geöffnet, gehalten, laͤnger als es die patriotische Hoffnung 
ast ettragen konnte. Seit Mitte August war die Armee Bazaines 
wischen den Forts der Festung eingeschlossen, die mit dem Wahn⸗ 
inn der Verzweiflung unternommenen Ausfälle waren an der eisernen 
Zähigkeit der Landwehr gescheitert, die den undurchbrechlichen Ring 
im Metz geschlossen hatte. Doch es handelte sich um mehr, als 
im das Festhalten des Gegners in dem benannten Platze, es galt 
dessen Einnahme, sollte nicht für die Operationen der anderen 
Armeen, die sich unaufhaltsam vollzogen, die schwerste Gefahr ent⸗ 
tehen. So lange Metz nicht fiel, war nicht nur eine ganze Armee, 
die man auf dem großen Kriegstheater dringend brauchte, durch die 
Zernirung außer Aktion gesetzt, sondern die Armeen vor Paris 
varen auch noch im Rücken bedroht und ein gelungener Ausfall 
er Armee Bazaines, auf den sich die ganze Hoffnung Frankreichs 
onzentrirte, konnte dem Feldzuge eine für uns sehr ungünstige 
Wendung geben. Aus diesen Gründen erhoffte man in Deutschland 
äglich die Kapitulation, wurde man unzufrieden, als „la pucelle“ 
ich dem Sieger noch immer nicht beugen wollte. Endlich, endlich, 
im 27. langte die Depesche aus dem Hauptquartier an: 
„Diesen Morgen hat die Armee Bazaine und die Festung 
apitulirt. 150,000 Gefangene inkl. 20,000 Blessirte und Kranke. 
deute Nachmittag wird die Armee und Garnison das Gewehr 
frecken. Das ist eins der wichtigsten Ereignisse in diesem Monat, 
Dank' der Vorsehung. 
Wilhelm,“ 
Die Depeschen der nächsten Tage brachten noch Detail über 
die Zahl der Gefangenen. Stadt und Forts wurden jedoch ersf 
im 29. Oktober besetzt. 
Aus Straßburg i. E. schreibt man der „Magd. Zig.“, 
s sei so gut wie sicher, daß die Dombauhütte nach vollständiger 
geendigung der Arbeiten am Kölner Dom nach Ulm übersiedeln 
verde, um den Thurm des dortigen Domes zu vollenden, wozu 
twa 5—6 Jahre erforderlich sein dürften. 
In Düsseldorf wurde ein Zigeuner wegen Diebstahls 
erhaftet. Unter den 6 Kindern, welche der.Strolch bei sich führte, 
zefand sich auch der 493 Jahr alte Karl Fr. Veit, welcher vor 
echs Monaten in Eberbach in Bayern gestohlen wurde. Der Zigeuner 
ai bereits den Kindesraub eingestanden. 
Sämmtliche Opfer des neulichen Unfalls in den Renard— 
Steintohlengruben sind nunmehr, wie der „Neuen Zeit“ gemeldet 
vird, aufgefunden und zur Erde bestattet worden. Besonders lange 
vurde nach dem letzten, dem sechsten Leichnam gesucht. Was die 
geretteten betrifft, so vermögen sich dieselben noch kaum zu bewegen 
ind sehen mehr Gespenstern, als lebenden Wesen ähnlich. Ob viele 
von ihnen auch am Leben bleiben werden, ist noch ungewiß. 
4 Eine Postkarte mit 2000 Worten in Kurrenischrift ging 
dem „Korresp. f. Deutschl. Buchdr.“ zu. Der Schreibkünstler ist 
er Setzer C. W. Stoy. Die Schrift ist vollkommen deutlich 
ind wuͤrde von einem mit guten Augen Begabten ganz fließend