Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler AAnzeiger. 
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M 174. Sonntag, den 31. Oktober 1880. 
Deutsches Reich. 
Im deutschen Reichsamt des Innern wird auf Befürwortung 
des Reichskanzlers eine besondere Handelsabtheilung errichtet 
und sollen die betreffenden Stellen bis zur Bewilligung der noth— 
wendigen Mittel seitens des Reichstags provisorisch besetzt werden. 
Die Berathung des Gesetzentwurfes über die Gewerbesteuer 
im Ausschuß unserer Abgeordnetenkammer schreitet sehr langsam 
vorwärts. Der wichtige Gegenstand bietet eben sehr viele Schwierig- 
keiten, doch keine solchen, die unüberwindlich erscheinen, und da bei 
den Vertretern der Regierung wie bei allen Mitgliedern des Aus— 
ichusses das Bestreben besteht, wenn es auch zur Zeit noch nicht 
möglich sein sollte eine durchgreifende Reform der Gewerbesteuer 
herbeizuführen, doch wenigstens die wesentlichsten Mängel und Miß— 
stände der bisherigen Gewerbesteuergesetzgebung zu beseitigen, so darf 
man den weiteren Berathungen des Ausschusses nicht ohne Hoffnung 
auf ein wenigstens verhältnißmäßig günstiges Ergebniß entgegensehen. 
Zur Vorberathung des dem Gesetzentwurf angefügten Tarifs beab⸗ 
sichtigt der Ausschuß eine Subkommission niederzusetzen. 
Die Berliner „Nat. Ztg.“ (nat.⸗lib.) schreibt: Wie man 
hört, ist Bismarck von seiner Absicht, die er noch jüngst der Plauener 
Handelskammer gegenüber ausgesprochen hat, gänzlich zurückgekom⸗ 
men und denkt nicht länger daran, den Volkswirthschaftsrath als 
bloße preußische Institution in's Leben treten zu lassen; vielmehr 
wird die neue Körperschaft dem ganzen Reiche zugedacht. 
Der preußische Etat fuͤr 1881/82 weist im Ordinarium 
einen Ueberschuß von 14 Millionen Mark auf; dagegen erfordert 
das Extraordinarium im Betrag von 42,000,000 Mark außer— 
ordentliche Deckung. Der große Betrag des Extraordinariums ist 
bvornehmlich durch den Nothstand und die Ueberschwemmungen her— 
heigeführt. 
Ausland. 
Die „Agence Havas“ meldet aus Ragusa vom 27. Okt., 
der türkische Abgesandte, welcher die Proklamation mit der 
Aufforderung zur Unterwerfung nach Duleigno überbrachte, sei 
ermordet worden. Riza Pascha unterhandle persönlich mit 
Montenegro. Die Ermordung des türkischen Abgesandten dürfte die 
Pforte zu energischen Maßregeln veranlassen. Die Uebergabe Dul—⸗ 
igno's erfolge voraussichtlich am 1. November. Die englische 
Mittelmeer⸗Flotte solle auf 18 Schiffe verstärkt werden. 
— 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 29. Okt. In der Schöffensitzung 
vom 27. dss. kamen folgende Fälle zur Verhandlung: Ein Bursche 
oon hier wurde wegen zweier Vergehen der Körperverletzung zu 
einer Gefängnißstrafe von 1 Monat 21 Tagen verurtheilt. — Ein 
Mann von hier erhielt wegen Diebstahl eine Gefängnißstrafe von 
zwei Tagen. — Ein Mann von Rohrbach wurde wegen Berufs— 
beleidigung in eine Geldstrafe von 10 Mark verfällt und ein Bettler 
erhielt wegen unerlaubtem Bettel eine Haftstrafe von 14 Tagen. 
—. Bei zwei durch Frauen von Rohrbach gegenseitig erhobenen 
Privatklagen wegen Beleidigung fand Konpensauon Siatt. 
In den Einlauf der bayerischen Kammer der Abgeordneten 
sind nachfolgende Petitionen gelangt: Von der Landauer Volksbank, 
Speyerer Volksbank, Gewerbebank Speyer, Vorschußverein Grünstadt, 
Vorschußverein Winnweiler, Volksbank Edenkoben, Vorschuß— und 
Kreditverein Dürkheim, der Vorschußvereine Kaiserslautern, Kusel, 
Kandel, Alsenz, Glan⸗Münchweiler, Zweibrücken, der Volksbank 
Frankenthal, dem Vorschußverein Blieskastel, Pirmasens, St. Ingbert, 
Obermoschel, Rockenhausen, Konsumverein Kaiserslautern, Ludwigs⸗ 
hafen a. Rh., und der Volksbank Neustadt a. Hdt, welche sämmt— 
lich die in den Gesetzentwürfen über die Gewerbesteuer und Ein⸗ 
tommensteuer enthaltenen Bestimmungen über die Besteuerung der 
Genossenschaften betreffen. 
Vorgestern verurtheilte das Schwurgericht zu Saarbrü— 
chen den 78jährigen Ackerer Peter Wegmann von Marpingen 
zum Tode. Derselbe hatte seinen Schwiegersohn ohne jede Veran⸗ 
lassung und in hinterlistiger Weise ersiochen, ohne bisher eine Spur 
bon Reue über seine abscheuliche Thai zu zeigen. Uebrigens scheint 
die ganze Familie von Herzenshärtigkeit heimgesucht zu sein. Die 
betagte Frau des Verurtheilten weinte über das verkündete Todes⸗ 
urtheil und ein Dabeistehender suchte sie deshalb mit dem Hinweis 
zu trösten, in Preußen würden ja die zum Tode Verurtheilten doch 
aicht hingerichtet, Kaiser Wilhelm gebe dies so lange er lebe, nicht 
nehr zu. Sofort erwiderte die Alte unter nachlassenden Thränen: 
Wann er nit geköppt gift — dann is et gut!“ 
F Neunkirchen. Am Eingang des hiesigen Eisenwerks 
st folgendes angeschlagen: „An die Arbeiter. Nachdem die 
vor 83 Jahren in hiesiger Gegend aufgetauchte sozialdemokratische 
Agitation Dank dem gefunden Sinne der Arbeiter, der Energie der 
Urbeitgeber und der allgemeinen Entrüstung, welche die bald darauf 
rfolgten verbrecherischen Attentate hervorrusen mußten, nach kurzem 
Bestehen ein schnelles Ende fand, tritt dieselbe heute plötzlich wieder 
jervor. Das bisher unter angeblich fortschrittlicher Firma erschei— 
iende Neunkircher Tageblatt veroͤffentlicht in seiner heuligen Nummer 
ein Gedicht, welches den sozialen Klassenhaß in der aufreizendsten 
Art verbreitet und die hier bestehenden Zustände geradezu in ihr 
gegentheil verdreht. Entsprechend den Abmachungen unter den 
Arbeitgebern des Saargebietes und des darauf bezüglichen Werksan— 
chlags vom 6. Juli 1877 sind wir nunmehr genoͤthigt, jedem 
Arbeiter zu kündigen, welcher von heute ab entweder das Neun— 
ircher Tageblatt hält oder verbreitet oder ein Wirthshaus besucht, 
n welchem diese Zeitung aufliegt. Neunkirchen, den 27. Oktober 
880. Gebrüder Stumm.“ 
F Bei der Ziehung de Gewerbemuseums-Lotterie 
vurden außer den bereits gestern mitgetheilten noch folgende Gewinne 
jezogen: 1000 M. gew. Nr. 3589, je 530 M. gew. Nr. 51577, 
13319, 36931, 51201, 22798, 20091, 78943, 67316, 735883. 
38689. 48110, 44423, 19863, 24457, 29298, 57214; je 50 
M. auf Nr. 8110, 4017, 5429, 9917, 22475, 24117, 287385, 
38886, 44800, 45754, 47345, 56826, 57995, 60111, 65364, 
538982, 69283, 80423, 82853, 84218, 91912, 95377, 96638. 
der Gewinn von 5000 M. fiel nach den Kaisersl. Bl. auf Nr. 
34690. 
fDer am Mittwoch in Neustadt versammelt gewesene 
dreisausschuß des pfälz. Feuerwehrverbandes hat an 16 Gemeinden 
usammen 2280 Mark bewilligt für Anschaffung von Ausrüstungs- 
segenständen. Für im Dienst verunglückte Feuerwehrleute in den 
gemeinden Edenkoben, Rockenhausen, Landau, Ensheim und Weiler⸗ 
»ach wurde die Gesammtsumme von 339 Mark angewiesen. — 
der Entwurf eines Exercierreglements wird in nächster Zeit an die 
Bezirksausschüsse zur Berathung versandt werden, und wird hierüber 
n einer im Januar zu berufenden Ausschußsitzung Beschluß gefaßt. 
ẽs wurde konstatirt, daß seit Einführung der neuen Distrikts-Feuer⸗ 
oͤschordnung ein wesentlicher Fortschritt auf dem Gebiete des Feuer— 
öschwesens in der Pfalz zu verzeichnen ist. 
fIn Nürnberg hat sich eine „Aktiengesellschaft für Er— 
auung billiger Wohnungen und Errichtung von Arbeiterherbergen“ 
jebildet. Die Höhe des Grundkapitals wird vorläufig auf 120 000 
Mark festgesetzt und je nach Bedarf erhöht. Die Höhe der Aktien 
jeträgt je 200 Mark. Die Dividenden sollen nie mehr als 4 pCt. 
zetragen, die Vorstandschaft (5 Personen) und der Aufsichtsrath 
9 Personen) sollen ihre Funktionen unentgeltlich versehen. Wer 
ꝛin Haus erwerben will muß 10 pCt. des Kaufpreises und monat⸗ 
iche Abschlagszahlungen von 33 pCt. desselben leisten; die notarielle 
Verbriefung findet erst nach Bezabluna von 18 des Kaufpreises Statt. 
Bienstesnachrichten. 
In Folge Auflösung der Forstwartei Sengscheidt, Forstreviers St. Ingbert, 
wurde der k. Förster Ph. Schnorr daselbst auf die erledigte Forstwartei 
Ruhethal und auf die bei'm Forstrevier St. Ingbert neuerrichtete Forstgehil— 
fenstelle der vormalige Forstgehilfe Jul. Renter au Kaiserslautern versetzt. 
Fuür die Redaction verantwortlich: F. * 
—00— 
Gescet —te-Vveree u⏑—. 
Mein Geschäft und Wohnung befindei sich von jetzt ab 
Dercum'schen Hause. 
Halte mich bestens empfohlen. 
IR. MOMIAM. CSchreiner, 
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