Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Inaberker Anzeiger. 
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Q 175. — 
Dienstag, den 2. Rer 
1880. 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 29. Okt. In hiesigen Hofkreisen verlautet, daß 
ich Prinz Ludwig Ferdinand, der älteste Sohn des verstorbenen 
Prinzen Adalbert, mit der Infantin Maria Isabella, ältester 
Schwester des Königs Alphons XII. von Spanien, verloben werde. 
Munchen, 30. Okt. In Abgeordneienkreisen verlautet mit 
aller Bestimmtheit, daß die Staatsregierung beabsichtige, der dem— 
naͤchst zusammentretenden Kammer ein neues Landtagswahl-Gesetz 
vorzulegen. 
Miünchen, 80. Okt. Im Steuergesetzgebungsausschuß der 
Abgeordnetenkammern kam gestern die Besteuerung der wirthschaft⸗ 
ichen Genossenschaften, Kredit⸗, Konsum⸗Vereine etc. zur Berathung. 
Der Vorschlag der Regierung, diese Vereine zu besteuern, wann sie 
in Nichtmitglieder verkaufen und auf Gewinn ausgehen, 
wurde aufgenommen. 
München. Unser König hat dem General Feldmarschall 
rafen v. Moltke zu dessen 80. Geburtstag ebenso wie der 
deutsche Kaiser ein eigenhändiges Glückwunschschreiben zugehen lassen. 
Wie die „Korr. Hoffmann“ aus München berichtet, ver— 
autet in Abgeordnetenkreisen mit aller Bestimmtheit, daß die bayer— 
sche Staatsregierung beabsichtige, der demnächst zusammentreten— 
den Kammer ein neues Landtagswahlgesetz vorzulegen. Diese 
Nachricht kommt einigermaßen überraschend, denn bisher war allge⸗ 
mein angenommen worden, daß der Landtag erst im Januar ein— 
jerufen uͤnd nur Abänderungsvorschläge zum bestehenden Wahlgesetze 
den Kammern vorgelegt werden sollten. 
In der Bewegung gegenüber den hohen Gerichtskosten 
sst es besonders beachtenswerth, daß auch das bayerische Justiz— 
ministerium die Gerichtspräsidenten zur Abgabe von Gutachten 
zarüber veranlaßt hat. Die betr. Justizstellen sollen sich entschieden 
gegen die Höhe der Gerichtskosten ausgesprochen und die allge— 
meinen Klagen des rechtssuchenden Publikums bestätigt haben. 
Die Präsidentenwahl im preußischen Abgeordnetenhaus 
jat ein Vielen unerwartetes Resultat ergeben. Das im vorigen 
Jahre mit so vieler Ostentation zu Stande gebrachte klerikal-konser— 
dative Bündniß hat für den Augenblick einen Riß erhalten. In 
)er Hand der Konservativen lag die Entscheidung, ob Herr v. 
deereinan (Zentrum) wiederum als Vizepräsident aus der Wahl 
hervorgehen würde. In einer Sitzung der Konservativen soll es 
darum zu sehr lebhaften Debatten gekommen sein. Das Resultat 
var, daß nahezu ein Drittel der Partei sich entschieden dahin er— 
tlärte, Freiherrn v. Heeremaun nicht wieder wählen zu wollen. Und 
io ergab denn auch die Wahl als Resultat: v. Köller (konserv.), 
Präsident, v. Benda (liberal), J. und Stengel (freikonserv.) L. 
Gizeprasident. 
Fürft Bismarck will, wie man versichert, als preußischer 
Handelsminister die letzten großen Aufgaben dieses Ressorts zur 
Crledigung bringen und dann die Handelsangelegenheiten 
auch äußerlich zu dem machen, was sie thalsächlich schon längst sind, 
nämlich zur Reichssache. Der erste Schritt dazu ist die geplante 
Einrichtung einer Abtheilung für Handel und Gewerbe im Reichs— 
amte des Innern, aus welcher Abtheilung sich wohl in kurzer Zeit 
ein selbstständiges Reichsamt für Handel und Gewerbe entwickeln 
vürde. In der That gibt es keinen preußischen Handel mehr, 
ondern nur noch einen deutschen, wie denn schon seit mehr als 
zehn Jahren die Gesetzgebung in Bezug auf Handel und Gewerbe 
den Einzelstaaten entzogen und erst dem Norddeutschen Bunde, 
päter dem deutschen Reiche übertragen worden ist. In Ermangel⸗ 
ung einer die betreffenden Gesetze vorbereitenden Reichsinstanz mußten 
alle einschlägigen Entwürfe im preußischen Handelsministerium vor— 
dereitet werden, was eben die große Ueberlastung des letzteren und 
io viele andere Unzuträglichkeiten herbeiführte, wie sich dieselben in 
janz analoger Weise beim preußischen Justizministerium heraus⸗ 
tellten, welches bis zum Jahre 1874 die Last der Reichsjustizgesetz⸗ 
gebung zu tragen hatte. Erst 1874 wurde zur Beseitigung dieses 
debelstandes im Reichskanzleramt eine Abtheilung für Instizwesen 
jeschaffen, welche sich am 1. Januar zu dem selbstständigen Reichs⸗ 
uustizamte ausdehnte. Einen ähnlichen Entwickelungsgang dürfte 
auch die neue Abtheilung für Handel und Gewerbe im Reichsamt 
des Innern nehmen. 
Wie das „Berl. Tgbl.“ hört, ist die Rückkehr des Fürsten 
Hohenlohe auf seinen Pariser Posten jetzt nach seiner Genesung 
als bald bevorstehend. In den Kreisen, in welchen die somit in 
Aussicht stehende Abreise des Botschafters erörtert wird, verfehlt 
man nicht, die verschiedenartigsten Schlüsse daraus zu ziehen, von 
denen die meisten dahin gehen, daß sich Fürst Hohenlohe als Ver— 
treter Deutschlands in Paris zur Zeit unentbehrlicher erweise, wie 
in seiner Stellung als Vertreter des Reichskanzlers. 
Ausland. 
Wien, 31. Okt. Die hochoffiziöse, Montagsrevue“ signa⸗ 
isirt den Rücktritt Gladstone's und die Uebernahme 
der Premierschaft seitens Lord Hartingtons. — 
Des Weiteren erklärt die „Montagsrevue“, Bismarck dürfte 
nugenblicklich bereits seine Enutlassung eingereicht haben; 
edenfalls sei derselbe aber dazu fest entschlossen. Als Ursache 
»erlautet die Intrigue einer den intimeren Hofkreisen angehö— 
renden Persönlichkeit und die Meinungsverschiedenheit, 
velche an leitender Stelle bezüglich der Besetzung des Postens des 
Staatssekretärs des Aeußeren vorliege. 
Paris, 31. Okt. Es verlautet, daß zwischen Gambetta 
uind dem Ministerium sich eine Wiederannäherung vollzogen 
hat. Dieselbe wird für ernst angesehen, so daß man das Fortbe⸗ 
tehen des Ministeriums für gesichert hält. — Der Kronprinz und 
die Kronprinzessin von Dänemark werden am Ende der Woche hier 
erwartet. Dieselben werden während des vierzehntägigen Aufent⸗— 
haltes im Hotel Bristol Wohnung nehmen. 
Die „St. James Gazette“ meldet: Der Gesundheitszu⸗ 
stand des Zaren ist so prekär, daß er eine Quelle ernster 
Besorgnisse für seine Umgebung ist. Der Schlaganfall, der ihn 
üngst befiel, soll sein Gehirn angegriffen haben. Die Hoffnung 
auf seine Wiedergenesung ist indeß noch nicht aufgegeben. — Eine 
Eskorte russischer Offiziere passirte jungst Berlin, in deren Obhut 
ich eine Summe von 8 Millionen Rubel befand, welches Geld 
dem Privatvermögen des Zaren angehören und für Anlagen im 
Auslande bestimmt sein soll. 
Riza Pascha verständigte den montenegrinischen Woi⸗ 
voden Popovic, er müsse die Wiederaufnahme der Verhandlungen 
»ertagen, bis er neue Instruktionen aus Konstantinopel erhalten 
jabe. 7000 Montenegriner konzentriren sich neuerlich bei Jutor⸗ 
man, anscheinend in der Absicht, gegen Dulcigno vorzurücken. 
Das vom griechischen Ministerpräsidenten Komunduros 
in der Abgeordnetenkammer entwickelte politische Programm gipfelt 
in der Erklärung, Griechenland werde allein die Beschlüsse der 
Mächte durchführen und die Rüstungen in erhöhtem Maß betreiben, 
um die aktive Armee ohne die Reserve auf 80. 000 Mann zu 
bringen. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 1. Nov. Wie wir hören, ist der Di—⸗ 
striktsrath des Kantons Blieskastel dem Beschlusse des Distrikts⸗ 
rathes St. Ingbert, die beiden Kantone St. Ingbert und Blies⸗ 
kastel in Zukunft zu einem Bauschaffnerbezirke zu vereinigen, den 
A 
* St. Ingbert. Die von den Aktiven des „Musikvereins“ 
uind der „Gemüthlichkeit“' am Sonntag Abend veranstaltete Unter⸗ 
haltung hatte sich eines außerordentlich zahlreichen Besuches zu 
erfreuen. Dieselbe ist im Ganzen als sehr gelungen zu bezeichnen. 
Ais das Beste des Abends dürfen wir wohl das Flötensolo des 
hrn. Schadewitz hervorheben. Das meisterhafte Spiel desselben 
erntete denn auch reichen Beifall. Auch die Klavierpiecen und die 
Gesänge wurden sehr gut zum Vortrage gebracht und dankbar 
aufgenommen. Sehr nett spielte sich besonders das komische Duett 
„Der Weinreisender“ ab. Auch der theatralische Theil des Pro— 
gramms wurde gut durchgeführt und erregte gar oft das Lachen 
der Zuhörer. 
SBlieskastel, 29. Okt. Am verflossenen Dienstag 
fand dahier unter dem Vorsitze des Hrn. Distrikts schulinspektors 
Helfer von Rubenheim die Jahreskonferenz der kath. Lehrer un⸗