Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Auzeiger und das (2 mal wöchenktlich; mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage) ericheint wochentlich viermal? Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteljahrlich 
AM 40 Z einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 A6 60 H, einschließlich 40 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 —,, von Auswärts 
mit 15 — fur die viergesvaltene Zeile Blattschriẽ oder deren Raum, Neclamen mit 30 4 vro Zeile berechnet. 
4179. Dienstaa, den 9. November 1880. 
Deittsches Reich. 
München. Se. Maj. der König haben die Einberufung 
der Landräthe auf Mittwoch den 1. Dezember angeordnet. 
Bis zur Einberufung des bayerischen Landtags wird der 
Steuerausschuß die zweite. Berathung der ersten Lesung der 4 
Steuergesetze vollendet haben. In die zweite Lesung wird er erst 
eintreten, wenn der Laudtag versammelt ist. Gegenüber dem Vor— 
wurf, daß das Resultat der Steuergesetzberathungen wieder eine 
Steuererhöhung sein werde, lassen sich „patriotische“ Stimmen in 
der Presse dahin vernehmen, daß die Kammermehrheit jede Steuer— 
erhöhung zurückweise. Es handle sich nur um eine äußerst noth— 
wendige Revision und Beseitigung der Mißstände und Ungleichheiten 
der bestehenden Steuergesetzgebung. 
Zur Ernennung des Grafen Lerchenfeld zum bayerischen Ge— 
sandten in Berlin bemerkt die „Germania“: „Der neuernannte 
zayerische Gesandte ist ein noch junger Diplomat; seine Bekannt⸗ 
schaft mit dem Grafen Herbert Bismarck läßt annehmen, daß er 
in der Wilhelmstraße willkommen sein wird.“ 
Nach einer Aeußerung des Finanzministers Bitler im preu— 
zischen Abgeordnetenhause wären für die vollständige Durchführung 
der Steuerreformpläne des Reichskanzlers noch etwa 110 bis 115 
Millionen jährlicher neuer Steuern erforderlich, welche dem der— 
maligen Reichsstag zur Bewilligung unterbreitet werden sollen. 
Veranschlagt ist die Biersteuer (nicht für Bayern) auf 17 Millionen, 
Börsensteuer und Quittungssteuer auf 20, Wehrsteuer auf 20, 
Branntweinsteuer (gilt nicht für Bayern) auf 15. zusammen also 
72 Millionen Mark. Die noch fehlenden Millionen sollen dem 
ohnedies schon genug belasteten Tabak aufgebürdet werden. Be⸗ 
kanntlich hat der Quittungsstempel schon bei der ersten Berathung 
der Börsensteuer im Reichsstage nur wenig Freunde gefunden und 
auch bezüglich einer weiteren Belastung des Tabaks ist eine Maio— 
rität der Regierung keineswegs sicher. 
Am 4. November tagte in Stuttgart die Landesversamm— 
iung der württembergischen Deutschkonservativen, an welcher auch 
esinnungsgenossen aus Bayern, Baden und Preußen theilnahmen. 
Es wurde u. a. beschlossen, an den Reichstag die Bitte zu richten, 
daß der Grundsatz der gemischten Schule (Kommunalschule) ein für 
allemal aus der Schulgesetzgebung ausgemerzt und die Zivilche, 
welche als schwere Schädigung des Volkslebens erscheine, beseitigt 
werden möge. 
Auslanud. 
In einem am Samstag abgehaltenen französischen Mi— 
nisterrathe erklärte Minister Constans, daß die Ausführung der 
Märzdekrete, von einigen alleinstehenden Fällen abgesehen, jetzt als 
dollkommen beendigt betrachtet werden kann. Vollzogen wurden 
die Dekrete gegen 260 Mönchsklöster. Der Spruch der Konflikts⸗ 
gerichtshöfe ist überall zu Gunsten der Regierung ausgefallen, doch 
jaben einige der dabei beschäftigten Justizbeamten ihre Entlassung 
jenommen. Die Gesammtzahl der wegen der Märzdekrete um ihre 
Entlassung nachsuchenden Gerichtsbeamten beläuft sich auf ungefähr 
100, welche durch Vermittelung meistentheils bei großen Bankin⸗ 
tituten u. s. w. lohnende Beschäftigung gefunden haben. Die 
Regierung hat sich damit eine Anzahl erbitterter Feinde geschaffen, 
velche nicht verfehlen wird, ihren ganzen Einfluß bei den nächsten 
Wahlen gegen die Republik geltend zu machen; es läßt sich zwar 
schwerlich erwarten, daß dieser Einfluß von besonders schwer wie— 
gender Bedeutung sein wird, unbequem wird er der Regierung 
iber auf alle Fälle werden. 
Wie dem Londoner „Standard“ gemeldet wird, soll der 
Zar fast vollständig bewußtlos sein; demnächst werde 
in Ukas veröffentlicht werden, welcher den Thronfolger vprovisorisch 
um Regenten ernennt. 
In Folge der letzten Wahlen werden die Republikaner in dem 
zeuen Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten eine 
Mehrheit von zwölf Stimmen haben. 
renischtes. 
* St. Ingbert, 9. Nov. Unsere Kirchweih war sowohl 
am Sonn⸗ als am Montage von dem schönsten Spätherbstwetter 
begünstigt. Wohl in Folge desselben hatte sich die Stadt an beiden 
Tagen eines außerordentlich zahlreichen Besuches von Auswärts zu 
erfreuen und Tags über und Abends herrschte auf den Straßen, 
vor den Schau- und Verkaufsbuden und bei den Caroussels das 
sebhafteste Treiben, daß auch, gemäß dem alten deutschen Brauche, 
Gambrinus mit Inbrunst und Ausdauer gehuldigt wurde, verstehi 
sich von selbst. 
* GPfälzischer Kunstverein) Bei der am 7. 
November stattgehabten Verloosung fielen auf die nachgenannten 
Mitgliedsnummern die beigesetzten Gewinnstnummern: Nr. 21 
-17; Xr. 568 — 12; Nr. 61 — 10; Nr. 80 — 19; Pr. 
97 — 22; Nr. 100 — 25; Nr. 115 — 24; Nr. 127 — 
15; Nr. 809 — 9; Nr. 310 — 83; Nr. 361 — 830; Vr. 
394 — 13; Nr. 396 — 26; Nr. 411 — 8; Xr. 440 - 1; 
Nr. 453 — 21; Nr. 5323 — 27; Nr. 338 — 18; Nr. 389 — 
23; Nr. 608 - 16; Nr. 612 — 6; Nr. 625 — 14; VYr. 
672 — 5; Nr. 733 - 4; Nr. 758 — 11; Rr. 766 7; 
Nr. 7ö9 — 31; Nr. 787 — 29; Yr. 800 — 20; Nr. 813 
— 23 Yr. 836 — 28. Von genannten 831 Gewinnen (Nr. 1 
dis einschließlich 23 Oelgemälde, Nr. 24 bis einschließlich 31 
Kupferstiche), kommen 6 nach Speyer, 4 nach Zweibrücken, je 3 
nach Dürkheim und Landau, je 2 nach Frankenthal, Kaisers⸗ 
autern, Ludwigshafen und Neustadt, dann je einer nach Karlsruhe, 
Erlenbrunn, St. Ingbert, Vetersau, Straßburg, Wachenheim und 
Baldfischbach. 
- In diesem Jahre waren in den tabakbautreibenden Distrik- 
sen der Pfalz 4606 Hektaren Tabak angebaut, die in Anbe—⸗ 
tracht der Schwere der diesjährigen Frucht ein ungefähres Erträg⸗ 
niß von 160,600 Centner liefern dürften. Im Vorjahre waren 
nur 2872 Hektaren mit Tabak bepflanzt und betrug das Quan⸗ 
tum 83, 158 Centner, mithin nahezu 100 Prozent weniger als 
m Jahre 1880. 
WGeistesgegenwart.) Ein Gendarmeriewachtmeister kommt 
auf seinem Umgang im Westrich durch ein Dorf. Derselbe ist 
vegen seiner strengen Handhabung der Feuerpolizei überall gefürchtei. 
da erblickt er ein Väuerlein mit brennender Pfeife unter dem 
Zcheuerthor stehend. Er selbst raucht eine Cigarre. „Herr Wacht⸗ 
meister, Herr Wachtmeister!“ ruft das Bäuerlein, als er dieses 
ansichtig wird, „kommen Sie schnell in meine Scheuer, ich muß 
Ihnen etwas Wichtiges zeigen.“ Nichts ahnend, triit der Gendarm 
mit der Cigarre im Mund in die Scheuer. „So“, spricht das 
Bäuerlein, „jetzt sind wir quitt. Machen Sie mir ein Protokoll 
für meine Pfeise, so mache ich Ihnen eins für die Cigarre. Ver— 
)utzt sieht der Herr Wachtmeister das Bäuerlein an und geht kopf⸗ 
chüttelnd weiter. 
FHrn. Lehrer Henkel in Niederkirchen (Osterthal) 
haben die Gemeinden Niederkirchen, Saal und Marth, deren Kinder 
der Jubilar unterrichtet, zu seinem 25jährigen Jubiläum — laut 
Meldung der „Pf. Pr.“ — als Zeichen der Aneckennung treuer 
pflichterfüllung ein feines Sopha und einen bequemen Sessel zum 
veschenk gemacht. 
— Dieser Tage schickte zu Saarbrücken die Frau eines 
Fuhrmannes ihr 5—6 Jahre altes Mädchen mit einer Flasche 
um Kaufmann, um Essig zu kaufen; auf der Straße fiel dasselbe 
o unglücklich, daß die Flasche zerbrach, die Glasscherben den Hals 
des Kindes durchschnitten und dasselbe, obgleich ärztliche Hülfe zur 
Stelle war, nach wenigen Minuten eine Leiche war. 
fBei der im Laufe des Monats Oktober in München ab— 
zehaltenen juristischen Prüfung haben, wie mitqgetheilt wird, sämmt⸗ 
liche Pfälzer bestanden. 
F In Ungarn ist die Weinlese in Güte und Menge sehr 
gering ausgefallen; wegen des Faulens der Trauben mußte mit 
der Lese diesmal sehr bald begonnen werden. Obendrein verbreitet 
sich die Reblans immer mehr in den ungarischen Weinbergen. 
— 3— * 
Zu kath. Dikß 1Ssschulinspeltoren wurden ernannt: Pfarrer 
Weis in Trulben für den Kanton Virmasens, Pfarrer Göller in Höchen 
iür Waldmohr. 
Fur die Redaction verantwortlich: F. X. Demen.