Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

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Sonntag den 1. Februar 
1880. 
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Deutsches Reich. 
München, 29. Jan. Prinz Alphons, das erst jüngst groß⸗ 
zährig gewordene Mitglied des kgl. Hauses, hat, nachdem derselbe 
mit dem Tage seiner Großjährigkeit in die bayerische Armee trat, 
aun dem Herkommen zufolge gestern die erste Wache (am Marien⸗ 
olatz) bezogen und daselbst sowohl gestern Nachmittag als heute 
Bormittag je 2 Stunden Posten gestanden. Während diesen 
Stunden war die Hauptwache das Ziel einer Massenwanderung der 
Münchener Vorstellung. 
GBayerischer Landtag.) Auf die Tagesordnung einer der 
nächsten Plenarsitzungen der Kammer der Abgeordneten wird gesetzt 
werden: mündlicher Bericht des Finanzausschusses zum Etat der 
Malzaufschlags⸗, Zoll- und Steuer-Verwaliung für je ein Jahr 
der 15. Finanzperiode. Gerichterstatter Crämer.) Nach dem An— 
rag des Ausschusses sollen als Ertrag des Aufschlags von Malz 
tatt der von der Regierung angesetzten 21,900, 000 N. in's Bud 
let eingesetzt werden 31,900, 000 MN. 
Nach dem Reichsbudgetentwurfe sind als Antheil Bayerus 
an dem durch den Franckenstein'schen Antrag den Einzelstaalen auf 
dem Papier reservirten Mehrertrag der Zölle und Tabaksteuer 
775 210. M. für die Zeit- vom 1. Apru 1880 bis 1. April 
881 in Aussicht genommen. 
Berlin. Auf ein an den General⸗Feldmarschall Grafen 
Moltke gerichtetes Schreiben, worin ersucht wird, dieser moͤge 
einen Einfluß bei dem Kaiser geltend machen behufs Verminderung 
der deutschen Armee, antwortete Graf Moltke: „Wer theilt nicht 
den innigen Wunsch, die schweren Militärlasten erleichtert zu sehen, 
velche vermöge seiner Welistellung inmitten der mächtigsten Nach⸗ 
»arn Deutschland zu tragen genöthigt ist? Nicht die Fürsten, nicht 
ie Regierungen verschließen sich ihm, aber glücklichere Verhältnisse 
tönnen erst eintreten, wenn alle Völker zu der Erkenntniß gelangen, 
»aß jeder Krieg, auch der siegreiche, ein nationales Unglück ist. 
Diese Ueberzeugung herbeizuführen, vermag auch die Macht des 
daisers nicht. Sie kann nur aus einer besseren religiösen und 
ittlichen Erziehung der Völker hervorgehen, eine Frucht von Jahr⸗ 
junderten weltgeschichtlicher Entwickelung, die wir beide nicht erleben.“ 
In Berliner Abgeordnetenkreisen bespricht man das Gerüchl 
von einer angeblich gepianten Wehirsteuert, wonach die Be⸗ 
echtigung zum Einjährigen Dienst und die Befreiung vom Dienst 
u besteuern wäre. Eine ähnliche Vorlage scheiterte im Jahr 1876 
an dem Wiederspruch des Bundesraths. 
Ausland. 
Paris. In der Kommission zur Prüfung des Antrags auf 
Beschränkung der Militärdienstzeit auf drei Jahre sprach der Kriegs⸗ 
ninister sich gegen den Anttag aus; zur guten Ausbildung des 
Soldaten, sagte er, würden drei Jahre nicht genügen. (Wie die 
herren vom Militär reden! In Frankreich genügen drei Jahre 
nicht, weil man dort eine längere Dienstzeit hat. Bei uns genügen 
»rei Jahre, aber zwei sollen nicht genügen, weil man eben drei 
Jahre Dienstzeit einmal hat.) 
Nach authentischen Nachrichten aus Cannes, ist der Zustand 
ꝛer Kaiserin von Rußland ein durchaus hoffnungsloser; sie 
eidet an der galoppirenden Schwindsucht im leßten Sladium und 
eharrt dabei nach Petersburg zuruͤckzukehren. (Der Antritt der 
ktückreise war für gestern in Aussicht genommen.) 
Wie der „Berl. Nat.Ztg.“ aus Petersburg geschrieben 
pird, hat die Nachricht von det Vermehrung des deuischen Heeres 
nn den russischen maßgebenden Kreisen einen sehr nachhaltigen, 
jeradezu verblüffenden Eindruck gemacht. 
Das Allerneuefte, was jetzt in Petersburg über nihilistische 
Borkommnisse colportirt und don Personlichkeiten, die dem Hofe 
nahe stehen, bisher auch nicht bestritten wurde, ist, wie das Bet⸗ 
iner „Tageblatt“ erfährt, ein eigenthümlicher Vorfall, welcher jüngst 
)em Kaiser Alexander bei einet Ausfahrt passirt sein soll: Der 
daiser griff nach seinem Taschentuch in der Brustsache seines Man— 
els und zog mit dem Tuche zugleich eine zusammengefaltete revo⸗ 
utionäre Proclamation heraug. Es wird behauptet, daß sich ein 
diener aus der nahen Umgebung des Czaren durch eine sehe be 
deutende Geldsumme bewegen ließ, die Proklamation in die Man⸗ 
teltasche zu bringen. 
In jüngster Zeit werden mit verdoppelter Aufmerksamkeit die 
nilitärischen Vorbereitungen verfolgt, welche Rußzland an der Süd— 
»stküste des kaspischen Meeres trifft, um von dort aus eine neue 
Erpedition an die afghanischen Grenzen zu unternehmen, unter dem 
Vorwande, die räuberischen Achal⸗Tekinzen oder Teke⸗-Turkmenen 
zu züchtigen. Da dieser central asiatische Feldzug eventuell zu 
ernsten Reibereien zwischen England und Rußland führen könnie, 
so ist das gespannte Interesse wohl erklärlich, mit welchem diese 
Vorgänge in Asien beobachtet werden. 
Vermischtes. 
F Für Zweibrücken und Umgegend hat sich in Zweibrücken 
ein Obst⸗ und Gartenbau⸗Verein gebildet. Vas Eintrutsgeld be⸗— 
trägt 1 M., der Jahresbeitrag 2 M. * 
F.In Pirmasens ist die Bildung eines „katholischen Kirchen⸗ 
bauvereins“ in Vorbereitung. 
Kusßel. Nach Mittheilung der „Kus. Zig.“ hat der 
Diener des Bürgervereins einen großen Theil der Jahresbeiträge — 
eiwa 400 M. — unterschlagen. 
Fr Kaiserslautern. Die Untersuchungen an der hiesigen 
Kreisrealschule betreffs verbotener Verbindungen haben durch Urtheil 
des Lehrerraths ihren Abschluß gefunden. Drei Schüler wurden 
entlassen, worunter 1 des J. Cursus; 8 Schüler erhielten Entlassungs⸗ 
indrohung nebst 1 Tag Carcer, 10 andere erhielten ebenfalis Car⸗ 
cerstrafen. Welchen Terroismus diese Knaben unter sich ausübten, 
beweist die Bereitwilligkeit, mit welcher sie ihre Monaisbeiträge, 
ihre Strafen mit je 50 Pf. für jedes Wegbleiben von der Kneipe 
und sonst angeforderte Beiträge oft mit über 5 M. bezahlten. Die 
Waffen und die Kasse der Verbindung wurden konfiszirt. Richt 
olos mit gestopften Pfeifen, mit Cigarren und Cigarretten sollen 
die Bürschchen stets reichlich versehen gewesen sein,sondern selbst 
Jeladene Revolver während der Schuͤlzeit in den Taschen und 
Stiefeln nachgeiragen haben. 
Die Bezirks-⸗Kranzchen Westricher Thierärzte für 1880 
finden alle zwei Monate an jedem ersten Donnerstag des Monats 
in Kaiserslautern statt, demnach am 5. Februar, 1. April, 3. 
Juni, 5. August, 7. October und 2. Dezember. Besondere Ein— 
sadungen erfolgen nicht. 
F Die Pfälzischen Bahnen wurden am Mitiwoch mit einem 
kräftigen Jungen beschenkt. Ein Mädchen von Speier, welches in 
die Entbindungsanstalt nach Heidelberg gebracht werden sollte, genas 
nuf der Fahrt nach Ludwigshafen in einem Wagen 3. Classe des 
iach 7 Uhr Morgens in Schifferstadt abgehenden Personenzuges 
iines Knaben. Mutter und Kind wurden nach der Ankunft in 
Ludwigshafen in das dortige Hospital verbracht. In welcher Ge— 
— wird nun wohl der junge Weltbürger sein Heimathsrecht 
erhalten. 
Der „Pf. Pr.“ zufolge hatie der in Neustadt wegen 
ꝛerspateten Einireffens vor Gericht bestrafte Schöffe einen Weg von 
3 Stunden zurüdzulegen und war auch schon um halb 9 Uhr im 
Amtsgerichte anwesend. Da die Sitzung erst um 9 Uhr begann, 
so ließ er sich noch schnell rasiren, welches Vergnügen (7) et mit 
obiger Strafe bezahlen mußte. 
, Aus Dürrkheim betheiligen sich an der Kaiserslauierer 
Ausstellung bon Lehrlingsarbeiten 33 Meister mit über 40 Lehr⸗ 
lingen. 
f Als Dirigent für das im August ds. J. in Lud wigs— 
ha fen staltfindende sechste pfalz. Sangerfest ist vom musikalischen 
Comite des pfalz. Sangerbundes der ruhmlichst belannte Componifi 
Speidel, Professor am Conservatorium in Stuttgart, in Aus— 
sicht genommen. 
fGestotben; in Saarbrücken Hr. Frit Hofer Buch ⸗ 
drucereibesitzer und Redakteur der „Saarbruder Jeitung.“ 
., Vor der Larlsruher Straflammer kam am Mittwoch der 
Peidelsheimer Eisenbahnunglücsfall (auf der Strede Bruch— 
al⸗-Bretien) vom 13. Oktober d. J. zuir Verhandlung. Das Ge—