Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

5 . Inaberler Anzeiger. J 
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Añ 183. 
Dienstag, den 16. November 
1880. 
Deutsches Neich. 
Müͤunchen. Se. Maj. der König verließ am 13. Nov. die 
Residenz, um sich zunächst nach dem Linderhof und in nächster 
Woche nach Hohenschwangau zu begeben, wohin das kgl. Hoflager 
von jetzt ab verlegt wird. 
( Die Geldverleiher.) Im Generalkomite des landwirth— 
chaftlichen Vereins für Bayern ist nunmehr auch die Be— 
chränkung der Wechselfähigkeit zur Berathung gelangt, wobei nach 
inem Vortrage des Referenten v. Jodlbauer beschlossen wurde: 
Dem Bauern ist der Gebrauch des Wechsels durchaus zu wider—⸗ 
athen, nicht aber zu verbieten. Hieran wurde von Herrn v. 
FJodlbauer — kgl. Regierungsdirektor und Chef der baherischen 
Brandversicherungskammer — der nachfolgende Vorschlag geknüpft: 
Nicht die Leute, welche wucherisch ausgebeutet werden, sollen ge— 
vissen Einschränkungen unterliegen, sondern diejenigen, von welchen 
dzie Gefahr ausgeht, die Geldverleiher. Unter Hinweis auf die 
zanz vorzüglichen Erfolge, welche die Anordnungen der kgl. baye⸗ 
ischen Staatsregierung in Bezug auf den Geschäftsbetrieb der 
Pfandleiher hatten, sollen einfach die Geldverleiher ähnlich behan— 
zelt werden wie die Pfandleiher. Die Geldverleiher wären auf 
Antrag der Verwaltungsbehörde von dem Gerichte auf Grund Be— 
chlusses in ein Verzeichniß zu bringen. Der rechtskräftige Eintrag 
zäütte die gesetzliche Wirkung, daß für die Dauer desselben der 
Fingetragene der Bestimmung des 8 800 3. 12 des Reichsstraf⸗ 
jesetzbuches — welche auf die Geldverleiher auszudehnen würe — 
anterstellt würde. Durch obrigkeitliche Anordnung würde das zu— 
ässige Maß der Zinsen, die Führung des Geschäftsbuches und der 
Inhalt desselben vorzuschreiben sein. Das Geschäftsbuch hätte den 
vesentlichen Inhalt sämmtlicher Darlehensgeschäfte, namentlich den 
Betrag des Darlehens, der Kaufschillinge, Zinshöhe, Zahlungsfrist 
i. s. w. zu enthalten. 
In Berlin erschien eine öffentliche, von den angesehensten 
Mitgliedern aller Stände und Berufsklassen unterzeichnele, großes 
Uufsehen erregende Erklärung, worin die immer zügelloser auf—⸗ 
retenden Hetzereien gegen die Juden scharf verurtheilt werden. 
Die Erklärung ist unter Anderm unterschrieben von den Professoren 
Albrecht, Arndt, Droysen, Bertram, Bruns, Auwers, Foͤrster, Di— 
ektor Bach, Oberbürgermeister v. Forckenbeck, Geh. Rath Bürger—⸗ 
neister Duncker, ferner den Professoren Gneist, Virchow, Schwalbe, 
Wattenbach, Weber, mehreren Landgerichtsdirekkoren und Räthen. 
Aus den Verhandlungen des preußischen Abgeord⸗ 
netenhauses vom 11. November sei hervorgehoben eine durch 
»je Abgeordneten v. Cuny und Spener eingebrachte und von der 
jesammten nationalliberalen Fraktion unterstützte Intervellation; 
ieselbe hat folgenden Wortlaut: 
„1. Hat die königl. Staatsregierung Ermittlungen über die 
isherige Wirkung des neuen Gerichtskostengesetzes und 
»er Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher angestellt? 2. Haben 
diese Ermittlungen ergeben, daß das gerichtliche Verfahren über⸗ 
näßig vertheuert ist? 3. Für den Fall der Bejahung ad. 2: 
we Schritte zur Abhilfe beabsichtigt die kal. Staatsregierung 
u thun?“ 
Hiezu bemerkt die „Frankf. Pr.“: „Wir können nicht umhin, 
diese Interpellation für eine durchaus zeitgemäße zu erklären und 
insere Genugthuung darüber auszudrücken, daß die Staatsregierung 
etzt genöthigt sein wird, sich über ihre Stellung zu der in der 
That brennenden Frage offiziell zu äußern.“ 
Ausland. 
Die amtliche „Wiener Ztg.“ gibt jetzt die Reihenfolge der 
xestlichkeiten bei der Vermählung des Kronprinzen Rudolph von 
Desterreich bekannt. Der Konig und die Koͤnigin der Belgier 
ommen am 10. Febr. in Salzburg an, wo sie, vom Kronprinzen 
mpfangen, übernachten; am 11. reisen sie nach Wien und nehmen 
Vohnung in Schönbruun; am 15. ist die Trauung. 
Die Lage der Dinge in Frankreich wird von einigen Pariser 
Journalen als eine sehr ernsie aufgefaßt. Girardin's France sagt, 
ie exinnern an die letzten Monate von 1847 vor dem Siurze 
»eg Känigshums und die letzten Monate bon 1851 vor dem Sturze 
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der Republik. Dieser Artikel errregte bei dem Publikum großes 
Aufsehen. Die France erinnert die Republikaner daran, daß bei 
»en allgemeinen Wahlen von 1877 bei sieben Millionen Stimm⸗ 
jebern der Unterschied der Stimmenzahl für die republikanischen 
dandidaten und die reaktionären nur eine Million betragen und 
haß seitdem die Republik an Ansehen und Solidität eher verlören 
als gewonnen habe. Wenn sich nicht eine Mehrheit finde, die fest 
ind bestimmt an der Verfassung von 1875 halte, so werde das Land 
ehr rasch auf abschüssiger Bahn einer neuen Revolution zugleiten. 
Was die France sagt, beginnen alle Gemäßigten ebenfalls zu fuͤrchten, 
die Opportunisten stehen zwischen den wuͤthenden Klerikalen und 
den Intransigenten, welche zur Macht zu gelangen hoffen, und das 
Ministerium ist ohne Kraft gegen die einen wie gegen die andern. 
In Peters burg wurden wieder einmal fünf Nihilisten 
um Tode mittelst Stranges, elf andere zu Zwangsarbeit auf 
Lebenszeit bezw. bis zu 15 Jahren verurtheilt. 
Die „Pol. Korresp.“ meldet aus Konstautinopel: „Die 
ßzforte erhielt von Derwisch Pascha ziemlich befriedigende Rach— 
ichten. Mehrere albanesische Häuptlinge sind für die Abtretung 
Dulcignos gewonnen. Die Stimmung der Masse ist jedoch noch 
mmer feindlich.“ (Eine nette Art, diese Angelegenheit zu traktiren! 
ind wie erhebend für die Großmächte, deren Schiffe noch immer 
in paar Seemeilen von Dulcigno dem beschaulichen Nichtsthun 
obliegen! 
Ueber die neulich erwähnte Belästigung des deutschen Bot⸗ 
chafters in Konstantinopel durch turkische Offiziere liegt, wie 
»ie „N. A. Z.“ hört, eine kurze telegraphische Meldung des Grafen 
datzfeld vor, wonach der Vorfall ohne Bedeutung erscheint. Die 
Affiziere hatten sich in trunkenem Zustand an den Wagen des 
Brafen gedrängt, ohne jedoch zu Thätllichkeiten überzugehen. Der 
Zultan sandte auf die Kunde von dem Geschehenen seinen Sekre— 
jär zu dem Botschafter, um ihm sein lebhaftes Bedauern wegen 
)es Vorkommnisses aussprechen und mittheilen zu lassen, daß die 
Zchuldigen bereits verhaftet seien. Sie sollen durch ein vom Sultan 
elbst eingesetztes Kriegsgericht im Beisein eines Dragomans der 
aiserlichen Botschaft abgeurtheilt und streng bestraft werden. (Nach 
inem Telegramm vom 13. November sind sie zu Degradation und 
einjährigem Gefängniß verurtheilt worden.) 
Nach der „Nationalzeitung“ hat die „Pforte“ den Mächten 
angezeigt, daß sie angesichts der Rüstungen Griechenlands gezwungen 
ei, an der Grenze militärische Vorkehrungen zu treffen. Betreffs 
Regulirung des Grenzgebiets sei sie zu den möglichsten Konzessionen 
hereit, nur müssen Larissa und Janina von jeder Diskussion aus— 
zeschlossen bleiben. 
New⸗NYorker Nachrichten zufolge beabsichtigen die Demo— 
raten, die Wahlen in einigen Staaten anzufechten. Bei der den 
Republikanern zur Verfügung stehenden großen Majorität dürfte 
in solches Vorgehen ohne Erfolg bleiben. 
Vermischtes. 
8St. Ingbert, 15. Nov. In seiner Samstagversamm— 
ung beschloß der Gewerbeverein, nach Anhörung des Referates des 
Mitgliedes W. über das Wirken der pfälzischen Gewerbevereine: 
. Der hiesige Verein soll einen Anschluß der Stadt St. Ingbert 
in das Gesuch, welches andere Städte (wie Kaiserslautern ꝛc.) 
Behufs einer Revision der Häusersteuer an die kgl. 
»ayer. Kammern richten, in geeigneter Weise vorbereiten, event. 
ins Werk setzen. 2. Für die Personenbeförderung 
nit dem Mittagsgüterzug nach Saarbrücken Schritte zu thun. 
Diese Beförderung ist seit gestern, Sonntag, wahrscheinlich in 
Folge des Gesuches unserer Nachbargemeinde Schaidt an die kgl. 
Bahndirektion Ludwigshafen, ins Leben getreten.) 3. Die zur 
debung unserer Gewerbverhältnisse so nöthige Verkehrserleichterung 
iach dem Sulzbachthale kann von Seiten der Stadt oder des Di— 
triktes gefördert werden durch Herstellung einer Straße 
ijach den bis an unsere Gemarkung fertig gestellten Straßen von 
dudweiler und Neuweiler. Es sollen die genannten Behörden zur 
lusführung dieser Straße angegangen werden. 4. Die Bettelei 
ist gemeinsichädlich, weil sie den Bettler demoralisiett. Es soll