17. ds. eine außerordentliche Sitzung abgehalten in Folge der um—
aufenden Gerüchte, daß abermals fuͤr eine Aufhebung des Kirch—
heimbolander zweiten Notariates im Zellerthale agitirt werde. Es
wurde beschlossen, dei dem k. Oberstaatsanwalt in Zweibrücken, so—
wie bei dem k. Staatsministerium der Justiz vorstellig zu werden,
im die Aufrechterhaltung des zweiten Notariates zu sichern. Eine
Deputation, bestehend aus den Herren Bürgermeister Ritterspach,
Adjunkt H. Reinheimmer und Georg Lambert, wird sich zur direkten
Betreibung der Angelegenheit nach Zweibrücken und erforderlichen
Falles nach München begeben. Vorerst wurde das Ministerium
auf telegraphischem Wege ersucht, in der Sache keine Entscheidung
zu treffen, bevor das Bittgesuch der Stadtgemeinde in München
zingelaufen und geprüft sei. (Die „Pf. Pr.“ der wir vorstehende
Nachricht entnehmen, bemerkt berichtigend, daß die HH. Notare
der Zellerthaler Agitation fernstehen.)
F Die Eingabe Kaiserslauterer Hausbesitzer, ist mit
ꝛiwa 350 Unterschriften versehen, an den Abg. Frhr. v. Stauffen⸗
berg abgegangen, welcher gebeten ist, sie der Abgeordnetenkammer
einzureichen und dort zu vertreten.
F Wie der „Eilbote“ von zuverlässiger Seite erfährt, hat der
bisherige Vertreter des Wahlkreises Landau⸗Neustadt im Reichstage,
Herr Gutsbesitzer Jordan in Deidesheim, auf eine an ihn ergangene
Anfrage mit aller Vestimmtheit erklärt, ein Mandat für den Reichs—
ag nicht mehr annehmen zu können.
— Die bekannte Affaire des Ruß dorfer Liebes- und jetzigen
Ehepaares wird noch das Reichsgericht beschäftigen, da die k. Staats—
anwaltschaft gegen das freisprechende Erkenntniß des Landgerichts
Landau Berufung ergriffen hat.
F In Ludwigshafen wurde am 15. Nov. das neuer⸗
baute und sehr zweckmäßig eingerichtete städtische Schlachthaus feier⸗
ich eröffnet.
F Aus der Pfalz, berichtet die „Pf. Ztg.“: Das Neichs⸗
gericht in Leipzig hat in Betreff der widerspenstigen Konskribirten
ein wichtiges Urtheil erlassen. Es war nämlich bisher konstante
Praxis mehrerer pfälzischen Gerichte, an der Hand der Geburtsregister⸗
Auszüge alle jene jungen Leute, welche mit ihren Eltern ohne staats⸗
zolizeiliche Bewilligung, also „ungesetzlich', ausgewandert waren,
vegen Widerspenstigkeit serienweise in die gesetzliche Strafe zu ver—
ällen. In diesem Jahre hat nun das Landgericht Kaiserslautern
ein von der bisherigen Rechtspraxis gänzlich abweichendes Urtheil
zefällt und sämmtliche widerspenstigen Konskribirten, welche in ihrer
dindheit mit ihren Eltern ausgewandert waren, freigesprochen.
Das Gericht erwog nämlich: daß den in ihrer Jugend Ausge—
wvanderten nicht blos die zur Erkenntniß der Strafbarkeit nöthige
Einsicht, sondern auch der verbrecherische Wille, die rechtswidrige
Absicht gefehlt habe, indem dieselben, falls sie beim Eintritte in
»as konskriptionspflichtige Alter noch am Leben waren, gar keine
enntniß von den bayerischen Militärgesetzen und somit von einer
Wehrpflicht hatten. Die kgl. Staatsbehörde griff dieses Urtheil
nittelst Rebisions-Berufung an. Dieselbe wurde jedoch vom Reichs—
jerichte verworfen und das angegriffene Urtheil des Landgerichts
aiserslautern bestätigt. Die in diesem Jahre Freigesprochenen
önnen also unbehindert zum Verwandtenbesuche ꝛc. ꝛc. nach Bayern
zurückzukehren, was bezüglich der als „widerspenstig“, rechtskräftig
Verurtheilten aller früheren Jahrgänge nicht der Fall ist.
Münchener Blätter beschäftigen sich neuerdings vielfach mit
den Parteiverhältnissen in der Pfalz. Ueber die demokratische
Agitation in unserer Provinz wird im „Vaterland“ die Bemerkung
zemacht, daß an ihrer Spitze „mitunter Leute von sehr katilina—
cischer Existenz und getrübter Vergangenheit“ stehen. Den Beweis
'ür die Richtigkeit dieser Mittheilung überlassen wir dem ge—
iannten Blatte.
4 Von der außerordentlichen Sorgsamkeit, mit welcher preu⸗
zische Behörden in Rechnungssachen zu Werke gehen, gibt das
nachstehende Beispiel Zuugniß. Ein in Saarbrücken woh—
aender Militär-Invalide hatte diesen Sommer auf fiskalische Kosten
eine Badereise gemacht. Vor einigen Tagen erhielt er auf Veran—
lassung der Intendantur des 8. Armeekorps vom Landwehrbezirks-
ommando die angenehme Nachricht, daß ihm damals zu wenig
Geld ausgezahlt worden sei. Es wurde ihm demgemäß aufge—
jeben, eine neue Quittung auszustellen und den der Aufforderung
zeigefügten Betrag in Empfang zu nehmen — der in einem sorg⸗
ältig eingewickelten einzigen Pfennig bestand.
FIn Saargemünd hat ein Erzschwindler viele Herr⸗
scchaften düpiert. Derselbe hatte sich eine Subskriptionsliste ange—
ertigt und sammelte in den ersten Familien der Stadt, um —
»emnächst einen Luftballon steigen zu lassen. Wohl fünfzig sind,
heilweise mit ganz netten Beträgen, dabei reingefallen, denn als
der Pfiffikus merkte, daß die besten Hühnchen gerupft waren, ver⸗
zufiete er, ohne besondere Spuren zu hinterlassen.
Als Kuriosum kann mitgetheilt werden, daß im Schlacht⸗
jaus zu Baden ein Stück Vieh geschlachtet wurde, welches eine
deber von netto 95 Pfund in sich hatie. Das Gewicht einer ge⸗
unden Leber schwebt gewöhnlich zwischen 12 und 20 Pfund.
F In Darmstadt hat sich ein Verein gebildet, der sich
die Aufgabe stellt, ‚den Verkehr mit den dort wohnenden Fremden
zu pflegen und die Niederlassung von Fremden daselbst zu fördern.“
Dabei kann man sich allerlei denken.
F In Bödigheim Gaden) wurde während der Prüfung
der neuen Orgel, die in Gegenwart des Orgelbauers in der Kirche
»orgenommen wurde, die, für den Baumeister ausgeworfene und
iusbedungene Summe von etwa 9000 Mark in der Wohnung des
rdirchenfondsrechners mittelst Einbruchs gestohlen.
fF In Frankfurt verstarb im Alter von 70 Jahren der
rühere Bahnhofverwalter Friedrich More aus Grünstadt, welcher
iner der drei Grünstadter Studenten war, die in den dreißiger
Jahren bei Erstürmung der Hauptwache zu Frankfurt festgenommen
vurden. Bei einem anfangs glücklichen Fluchtversuche üeßen ihn
eine beiden Genossen, Eduard Fries und Maithiä, aus hier nicht
u erörternden Gründen im Stich. Er wurde darauf in Mainz
zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt, später aber zur Aus-
vanderung begnadigt. Im Jahr 1848 amnestirt, kehrte er wieder
tach seinem Vaterland zurück und wurde Bahnhofverwalter in Neu⸗
tadt a. d. Haardt. Seine Kommilitonen und Schicksalsgenossen
Dr. Fries (prakt. Arzt zu Sissach in der Schweiz) und Dr. Matthiä
ind ihm im Tode bereits vorangegangeu.
FBruchsal, 16. Novb. Heute Morgen wurde hier
»er Moörder E. Reif, Eisengießer aus Hausen, der seine beiden
dinder im Rheine ertränkte, in Folge Spruches des Karlsruher
Zchwurgerichtshofes mittels des Fallbeiles hingerichtet.
Die Freiburger Strafkammer (Baden) hat schon
vieder 2Z Weinfälscher, den Weinhändler Germann von
Mühlheim zu 2 Monate Gefängniß und 200 M. Geldstrafe und
hen Küfer Burger von Münchweier zu 6 Wochen Gefängniß und
100 M. Geldstrafe verurtheili.
FIn München hat sich in der Nacht von Montag auf
Dienstag in einem Gasthof ein dort wohnhafter Israelit, Namens
Adler, erschossen, welcher, wie das „Vaterland“' sagt, ein in Ame—
cika erworbenes Vermögen von 200,000 M. hinterlassen hat.
F In München hat sich eine „Bank“ aufgethan — un—⸗
zefähr die siebentausendste, sagt das „Vaterland“ — deren „Direktor“
dor etlichen Tagen deßhalb nicht gepfändet werden konnte, weil sich
uichts Pfandbares vorfand. „Banldirektor“ ist er aber doch!
Von dem Militärbezirksgerich Würzburg wurde der
Sergeant der Reserve Joh. Allgeyer des 2. Jäger⸗Bat. wegen
Mißbrauchs der Dienstgewalt durch vorschriftswidrige Behandlung
ines Untergebenen, des Einjährig-Freiwilligen Karl Lingenfelder,
vährend der Ausübung des Dienstes zu drei Wochen Mittelarresi
inter Abrechnung der Untersuchungshaft verurtheilt.
F Aus Mittenwanld (an der bayerisch-tyrolischen Grenze),
14. November, schreibt man dem „Bayerischen Kurier“: Heute
Morgens halb 9 Uhr wurde unser Markt von einem heftigen
Erdbeben heimgesucht, das 3—24 Sekunden andauerte. die
Stöße nahmen unter donnerähnlichem Rollen die Richtung von
Westen nach Osten. Alle Möbel kamen in heftiges Schwanken;
zs war in den Wohnungen ein schreckliches Klirren und Sausen,
'o daß die Lente im Schrecken aus den Häusern auf die Straßen
lüchteten. Dabei zeigte das Thermometer 7 Grad Wärme und
var der Himmel hell und klar. Gott sei Dank sind wir mit dem
olosen Schrecken davongekommen.
F Der Krieg von 1870,71 hat Frankreich nach den
ffiziellen Zusammenstellungen 14 Milliarden 638, 098,814 Franken
jekostet. Nicht gerechnet sind dabei die zerstörten Gebäude, die ver—
nichteten Kunstwerke, der Verlust der Domainen in Elsaß-Lothrin⸗
jen, und vor allen Dingen die verlorenen Menschenleben. — Sollte
ziese offizielle Aufstellung nicht ein kleiner Dämpfer auf die Re—
anchegelüste sein?
fF In Agram haben in der Nacht zum 16. Nov. wieder
wei heftige Erdstöße Statt gefunden und die Bevölkerung zum
Verlassen der Wohnungen genöthigt.
Der „Allg. Deutschen Ztg.“ für Brasilien“ entnehmen wir,
daß die blühende deutsche Kolonie Blumenanu durch eine vom
22. bis 26. Septbr. dauernde Ueberschwemmung in den schreck—
lichsten Nothstand versetzt worden ist; der Verlust an Menschen⸗
eben, Vieh u. s. w. sei entsetzlich groß. In Rio Testo allein seien
10 Personen umgekommen, aller Verkehr sei gehemmt, weil fast
alle Brücken, Kanäle und Wege zerstört sind, die Saaten seien fast
janz verloren und eine große Anzahl von Familien ohne Obdach,
»hne Nahrung und Kleidung. Es hat sich in Rio de Janeiro ein
Komite zur Unterstützung der Nothleidenden gebildet.
F Aus New⸗York, 186. Nov. wird gemeldet: Vergangene
Nacht brannte das Irrenhaus St. Peter in Minnesota ab. 80
bis 40 Geisteskranke kamen theils durch das Feuer theils durch
zie hochgestiegene Kälte um —
Vostowir αιαj»ναν ν eerte
Nachrichten.
Die am H9. Oktober in Paris zusammengetretene internationale
Postkonferenz hat am 3. November ihre Arbeiten beendet.