Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

zut herzustellen und kann mit oder ohne Farbe, sei es eingebrannt 
oder in Glasur, behandelt werden. Da es eine leicht verkäufliche 
Waare sein soll, so wird weniger auf eine reiche Ausstattung, als 
auf enisprechende Eleganz in der Form und Silhouette gesehen. 
Die Arbeiten sind bis zum 1. August 1881 an das pfälzische 
dewerbemuseum in Kaiserslautern abzuliefern und erfolgt die Preis⸗ 
zuerkennung am darauffolgenden 25. August durch Se. Exz. den 
igl. Regierungspräsidenten. Zur Preisbewerbung sind nur gewerb— 
liche Arbeiten aus der Pfalz berechtigt. Nach dem 1. Oktober sind 
die Arbeiten, die Eigenthum der Verfertiger bleiben, wieder zurück⸗ 
zubeziehen. 
FDem „Frk. Kur.“ war neulich geschrieben worden, die 
konserbative Partei des Wahlkreises Kirchheimbolanden— 
Kaiserslautern wolle bei der nächsten Reichstagswahl keinen 
eigenen Kandidaten aufstellen, wenn Dr. Zinn sich wieder bereif 
erläre, ein Mandat anzunehmen. Die konservative „Pfälz. Post“ 
ertlärt, es sei ihr davon nichts bekannt. Wer sich der Vorgänge 
bei den letzten Reichstagswahlen erinnert, wird auch schwerlich daran 
geglaubt haben. 
In Otterberg soll, einem vielfach geäußerten Wunsche 
entsprechend eine Arbeitsschule für junge Mädchen errichtet werden. 
Kaiserslautern. Der Pf. V.“ ist eine übersicht- 
liche Zusammenstellung der Kosten der Veschaffung eines der Stadt 
enisprechenden Stadthauses zugegangen, der zufolge bei Umtausch 
des alten Stadthauses gegen das Karlsberghotel nach Abzug des 
Annuitäten Kapitals (Mieihen) von 90,000 M. das nene Stadt⸗ 
haus 118,000 M. erfordert und die Umlagen um circa 1,09 Pro⸗ 
sent erhöht werden müssen. Die Kosten der Restaurirung und Ver— 
Frößerung des alten Stadthauses sind auf 46,000 M., die für den 
Rerbau dines Stadthauses auf der Theaterbleiche auf 180,000 M. 
deranschlagt, und würden sich in letzterem Falle die Umlagen um 
41,7 Prozent erhöhen. 
F Die Einweihung der restaurirten Stiftskirche in Kaiser s⸗ 
daut'ern ist auf Miltwoch den 8. Dez. festgesetzt. Um 10 Uhr 
zeginnt der destgottesdienst, bei welchein der geistliche Kommissär 
bie Weiherede und Dekan Vogt die Predigt halten wird. Am 
Nachmittage findet ein Orgelkonzert Stait, zu welchem folgende 
Personen ihre Mitwirkung zusagten: Frau Renteister Hilger und 
die Herren Zahn, Organist der Nitolaikirche in Leipzig, Dr. Wernher 
aus Zweibrücken, Seminarlehrer Berger von Kaiserslautern, sowie 
die Zoͤglinge der Lehrerbildungsanstalt. Auf 4 Uhr ist im Hotel 
arlsberg ein Festmahl anberaumt. 
Kaiserslautern. Unser Mitbürger Hr. Glocken⸗ 
gießer Max Faber (vormals G. Hamm) hat den Guß dreier 
Rlocken beeendet, die für Kurachee in Indien bestimmt sind. Die— 
selben wurden durch Domkapellmeister Weber aus Mainz einer 
Hrüfung unterworfen und vollkommen zweckentsprechend befunden. 
Das Gewicht der Glocken beträgt je 1213, 9 und 6 Zentner. 
Auf dem Weiler Dusen brücken, Gemeinde Nünsch- 
weiler, brannte in der Nacht vom 22. auf 23. ds. Mts. das 
Wohnhaus des Acderers und Wirthes Knerr sammt Scheuer und 
Siall ab, mit Ausnahme der Tanzstube. Es wurde dort gerade 
der Schluß des Kirchweihfestes gefeiert. 
4 Die „Pfälz. Volksztg.“, Organ der demokratischen Volks⸗ 
partei, hatte in einem kurzen Referat über Dr. Buhl's Neustadter 
Rede behauptet, gegen den Zolltarif hätten — 
agsabgeordneten gestimmt mit Ausnahme eines einzigen „unseres 
Zinn.“ Das genannte Blatt hat sich, wie der „Kaiserl. Ztg.“ 
mitgetheilt wird, damit einer Unwahrheit schuldig gemacht. Hr. 
Zinn hat in der zweiten Lesung des Zolltarifs für den Zoll auf 
Kaffee und Petroleum, in der dritten Lesung aber auch gegen den 
Zoll auf diese Artikel und schließlich gegen den ganzen Zolltarif 
gestimmt, ebenso wie die anderen pfälzer Abgeordneten. 
FIn Kandel verurtheilte das k. Amtsgericht einen Han⸗ 
delsmann aus Rülzheim wegen Hehlerei zu 21 Tagen Gefängniß. 
Derselbe hatte nämlich einem Burschen einen Sack Frucht, den 
letzterer seinem Vater entwendet hai, um einen Spottpreis abge⸗ 
nommen. 
Mainz, 24. Nov. Unter den Postsendungen, welche 
vorgestern Abend auf den Frankfurter Zug verladen wurden, befand 
sich'auch ein Postbeutel mit 68,000 M. in Papiergeld. Als der 
Zug in Frankfurt eintraf, wurde der Postbeutel nicht vorgefunden. 
Wer beschreibt den Schrecken des Postschaffners! Alles Durchsuchen 
Jalf nichts, das Geld war und blieb verschwunden. Es wurde so⸗ 
sori hierher telegraphirt, allein auch hier war nichts zu finden. Als 
am Morgen daranf ein Postbediensteter eines der Wägelchen, mit 
welchen die Poststücke nach den Bahnzügen gefahren werden, in 
Gebrauch nehmen wollte, fand er beim Oeffnen des Deckels den 
werthvolien Beutel vor. Er war aus Versehen liegen geblieben 
ind befand sich die Nacht über in Gefahr, in unrechte Hände zu 
gerathen. Man kann sich die Freude denken! 
pMünchen, 22. Nov. Vor dem Landgerichte J stand 
heute ein bejammernswerthes Opfer des Wuchers. Der vormalige 
Fienlenant W. F. vom 15. Inf.⸗Req. in Neuburg a. D. mußte 
1878, weil er die auf Ehrenwort versprochene Zahlung von 86 
Mark nicht leisten konnie, seine Stellung quittiren. Das Loos des 
Mannes gestaltete sich so schlimm, daß er, um seinen Hunger zu 
tillen, dazu kam, sich an frenidem Eigenthum zu vergreifen. Er 
ntwendete in der v. d. Tannstraße vom Fenster der Parterrewohnung 
des Hauptmanns a. D. v. Hetterich weg eine goldene Uhr mit 
seite im Werthe von 150 Mark und am gleichen Tage in den 
Café's Dengler, Roth GBonnet) und Metropole Eßbestecke und Löffel 
zus Neusilber, um sie zu verkaufen. Der Angeklagte versichert, nur 
vom Hunger dazu getrieben worden zu sein; all sein Bestreben, 
Arbeit zu vekommen, sei vergeblich gewesen; die höchsten Herrschaften 
zätten ihm durch Lakaien die Thüren weisen lassen, vergeblich habe 
resich als Kellner verdingen wollen; lange Zeit habe er von den 
Dost gelebt, das er von den Bäumen am Wege pflückte. Die 
Vertheidigung regte die Frage an, ob Hunger nicht momentane 
Heistesstörung hervorrufen könne, und erwähnte, L. Büchner bejahe 
dieselbe. Das Gericht verurtheilte den Mann, der den besten Ein⸗ 
druck machte, zu 424 Monate Gefängniß, wovon 1 Monat Unter⸗ 
uchungsyaft in Abrechnung kommt. (EFr. K.) 
F Ein Selbstmord wegen zu großer Korpulenz — ein solcher 
Fall dürfte in den Annalen der Seilbstmordsiatistik bisher noch nicht 
zerzeichnet worden sein. Dieses eigenthümliche Motiv hat nun aber 
hatsächlich ein Mädchen aus Brünn in die Fluthen der Donau 
getrieben. Der „Mähr. Korr.“ schreibt darüber: Marie Speiz, 
ine wegen ihrer ungewöhnlichen Größe und Stärke in Brünn 
vohlbekannte Waise, betrieb längere Zeit am Krautmarkt einen kleinen 
Wurstwaarenhandel, bei dem sie jedoch in letzter Zeit gänzlich zu 
Hrunde ging. Sie begab sich nach Wien, um einen passenden 
Dienstplatz zu suchen und blied seit dieser Zeit verschollen. Dieser 
Tage erhieit nun ihre in Vrünn lebende Schwägerin einen Brief 
on ihr indem sie bekannt gibt, sie könne wegen ihrer Korpergröße 
ind Korpulenz nirgends einen Dienstplatz bekommen, da man sie 
aͤberall verlache. Dies gehe ihr so zu Herzen, daß sie beschlossen 
habe, ihrem Leben in der Donau ein Ende zu machen. In der 
Tyhat hat die bedauernswerthe Korpulente diesen Entschluß ausgeführt. 
P Trichinosis. In Dingelstedt, Kreis Oschersleben, ist 
eine erhebliche Trichinenepidemie ausgebrochen. Zur Zeit sind mehr 
als achtzig Krantheitsfälle konstatirt, von denen verschiedene als 
hedenklich zu bezeichnen sind. Die Untersuchung wegen dieser trau⸗ 
rigen, den ganzen Ort in Aufregung versetzenden Angelegenheit ist 
bereits im Gange. 
In Elberfeld fand am 23. Nov., Abends ein demon⸗ 
strativer Volksauflauf auf dem Königsplatz Stait, welcher sich gegen 
den Verfasser eines in einem Kirchenblatt erschienenen Artikels über 
dag Lied Deutschland, Deutschland über Alles“ richtete. Die 
Polizei schritt ein und verhaftete mehrere Personen. 
— In Bezug auf die Morde in der Gegend yon Vochum 
ichreidt man: Das geheimnißvolle Dunkel, welches die wiederholten 
ẽcmordungen von Frauen bisher umhüllte, hat sich, wie es scheint, 
eeit den letzten Tagen gelichtet. Der muthmaßliche Mörder gehört 
nicht etwa der untersten Volksklasse, sondern den besseren Ständen 
in 'und ist ein Techniker, der in den letzten Jahren sich öfter in 
der Gegend von Bochum aufhielt. Um die Zeit des Mordes an 
der Hebamme Becker war er ebenfalls wieder in Bochum. Nach 
ceiner Abreise bemerkte der Wirth, bei dem er logirt hatte, einen 
Kegenschirm, den er als seinem Gast gehörig erkannte. Er stellte 
»enselben zurück, um, ihn dem Gast gelegentlich wieder einzuhän⸗ 
digen. Vor einigen Tagen nahm der Wirth diesen Schirm zufällig 
n' die Hand und bemerkte, daß derselbe über und über mit Blut 
»efleckt war. Es stieg nun in ihm der Verdacht gegen seinen 
gast auf, daß er der längst gesuchte Mörder sein koönne und in 
diesem Verdacht wurde er nm so mehr bestärkt, als er den Ver— 
„ächtigen als einen mürrischen, stets verschlossenen und alle Gesell⸗ 
chaft meidenden Menschen kannte. Ex machte Anzeige, und es 
jelang der Bochumer Polizei, in aller Stille sich ein Paar Stiefel 
es Verdächtigen aus seinem jetzigen Aufenthaltsort zu verschaffen. 
dieselben paßlen in die Fußspuren, welche man an der Stelle 
jefunden, wo die Hebamme Becker ermordet worden und von denen 
Ran Gipsabgüsse genommen hatte. Auch der Milchbauer, welchem 
er Morder mit der Frau Becker vor der That begegnet war, der 
hin aber nicht in's Gesicht sehen konnte, weil er sich einen Regen⸗ 
schirm vorhielt, will sich jetzt erinnern, daß der Begleiter der Frau 
gecker jener Techniker gewesen sei, der ihm wohl von Ansehen. 
nicht aber seinem Namen und seiner Beschäftigung nach bekanni 
vat. Auf diese Verdachtsgründe hin erfolgte der telegraphische 
Befehl zur Verhaftung, und dürfte der Mann in diesem Augen— 
blick wohl schon gefaßt sein. 
Paris, 20. Nov. Barbed d. Aurevilly hat in einem 
oeben veröffentlichten Buche „Goethe et Diderot“ die Entdeckung 
gemacht, das Goethe groß ist nur durch „die Langeweile, die e 
erzeugt'. „Seine Arbeisform bestand nur im Uebersetzen und 
Imarbeiten; sein „Faust“ ist auf diese Weise entstanden.“ „Goeth 
war“ — so heißi es wörtlich — „von der Are seines Wesen⸗ 
IAs auf die Haut ein Tölpel!“ Dies zur Kennzeichnung des Fort⸗