St. Ingberker Anzeiger.
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43 191. Dienstag, den 30. November
1880
Deutsches Reich.
Der Sieuerausschuß der bayerischen Kammer der Abge—
ordneten schritt in seiner Samstag⸗Sitzung zur Berathung des
Gesetzentwurfs, welcher die Einführung einer allgemeinen Ein—
kommensteuer bezielt. Es ist die Einführung einer solchen
Steuer schon seit dem Bekanntwerden des Regierungsentwurfs auf
so vielfachen Widerspruch gestoßen, daß die Ableynung derselben
durch den Ausschuß sich voraussehen ließ. In der allgemeinen
Debatte wurde der Gesetzentwurf durch den Finanzminister v. Riedel
eingehend begründet; es sprachen dann unter anderen auch die
Abgg. Frhr. v. Stauffenberg und v. Schlör für die allgemeine
Einkommensteuer. Bei der Abstimmung über Art. 1 aber wurde
derselbe mit 14 gegen 6 Stimmen abgelehnt, was natürlich die
Ablehnung des Gesetzentwurfes in sich schließt. Dies voraussehend,
hatte der Finanzminister schon vor einiger Zeit eine Reihe von
Aenderungen an dem jetzt geltenden Einkommensteuergesetz vorge⸗
schlagen, um dadurch wenigstens die dringendsten Verbesserungen
dieses Gesetzes herbeizuführen. Es wird nun der Ausschuß dem—
nächst in die Berathung dieser Vorschläge eintreten.
Dem bayerischen Finanzminister fällt ein unerwarteter
Segen in's Haus. Der Malzaufschlag soll nach dem „Vtld.“ ein
Erträgniß ergeben, das ziemlich weit über die Voranschläge
hinausgeht.
Die Handels⸗ und Gewerbekammer für Oberbayern hat
sich auf eine Anfrage der Regierung dahin ausgesprochen, daß ein
Bedürfniß einer reichsgesetzlichen Regelung der Altersversorgung der
Arbeiter und einer Fürsorge für ihre Relikten nicht bestehe und daß
die Einführung von Zwangskassen zu diesem Zwecke nicht befür⸗
wortet werden koͤnne.
Wie der „Allg. Z.“ aus Berlin gemeldet wird, wären die
Congestionen, an welchen Hr. v. Rudhart in Petersburg litt, nur
eine Folge des Klimawechsels gewesen, einen Schlaganfall habe er
nicht gehabt. Demnach wird wohl die Meldung der „Voss. Ztg.“,
die Aerzte hätten ihm gerathen, nach seiner Wiederherstellung Ruß⸗
land zu verlassen, unrichtig sein.
In Berlin ist eine Conferenz von Armenpflegern Deutsch⸗
iands zusammengetreten.
Die Vorarbeiten für das bürgerliche Gesetzbuch für
das deutsche Reich sind der „Magdeb. Zeitung“ zufolge so weit
vorgerückt, daß man den ersten Entwurf desselben nebst den Mo—
tiven in etwa vier bis fünf Monaten vollenden zu können hofft.
Diese Vorarbeiten sind bereits größtentheils gedruckt, aber nicht für
die Oeffentlichkeit bestimmt. Erst der zweite Entwurf, welcher von
der im nächsten Frühjahr zusammentretenden Gesetzgebungskommission
ausgearbeitet werden soll, wird der öffentlichen Beurtheilung über⸗
zeben werden. An den Reichstag aber wird das neue bürgerliche
Gesetzbuch, wie das genannte Blatt bemerkt, schwerlich vor Ablauf
von vier Jahren gelangen.
Ausland.
Der päpftliche Nuntius in Paris hat dem französischen Mi—
nister des Auswärtigen einen Protest der Kurie gegen die Aus—
führung der Märzdekrete (gegen die Ordensgemeinschaften) überreicht.
Ein verhältnißmäßig geringfügiger Vorfall wirft ein interessan⸗
tes Streiflicht auf die oͤsterreichisch-italienischen Beziehungen. In
Mailand wird eine Ausstellung vorbereitet, zu welcher auch
Ausländer, Oesterreicher aus Triest und Trient, eingeladen wurden.
Die Mailänder Arrangeure behandelten aber die Oesterreicher mit
sammt deren Ausstellungsobjekten, als wären dieselben Inländer,
d. h. Italiener. Das Wiener Kabinet remonstririe hiergegen in
Rom durch den öͤsterreichischen Botschafter, aber sonderbarer Weise
ohne Erfolg, worauf den Triestinern und Trientinern die Beschickung
der Mailänder Ausstellung behördlich untersagt worden ist. Die
Italianissimi erkennen sreilich die Berechtigung dieses Verbots nicht
an, sondern klagen wieder einmal über die „Unterdrückung“ ꝛc.,
die Oesterreich ausübe.
In einer zu Hanley gehaltenen Rede wies der englische
Staatsselretär Granville auf die beschämende Lage Irlands
zjin, wo Eigenthum und Leben aller Garantieen der Sicherheit er⸗
mangeln. Es sei unmoͤglich, diese Zustände fortdauern zu lassen;
die Regierung werde dem Parlamente Maßregeln vorschlagen
müssen, welche dem gegenwärtigen Bedürfnisse genügten und die
Zukunft des Landes sicher stellten. Granville gab sodann einen
zeschichtlichen Ueberblick über die Orientalische Frage. Be—
züglich Griechenlands sei kein neuer Vorschlag gemacht; es sei
aber unmöglich, die griechische Frage ungelöst zu lassen. Redner
jedachte des englischen Vorschlages, Smyrna zu besetzen, und
heilte mit, daß Rußland und Frankreich denselben angenommen
jatten; auch Oesterreich versprach anfangs, dem Vorschlage beizu⸗
reten, lehnte aber später ab, in Folge dessen auch Frankreich und
Deutschland die Theilnahme verweigerten. Die Pforte aber be—⸗
chloß, sobald sie Kenntniß von den Pourparlers der Mächte er⸗
sielt, Dulcigno zu übergeben. Granville trat nun für das „euro—⸗
—
noch lange fortdauern werde, und hob die loyale Mitwirkung
Desterreichs, Deutschlands und Italiens hervor. Die Beziehungen
wischen England und Rußland seien durchaus freundschaftlich. Der
Minister schloß mit der Versicherung, daß die Regierung an ihrer
auswärtigen Politik festhalte, indem sie bemüht sei, das euro⸗
zäische Einvernehmen aufrecht zu erhalten und zugleich die volle
Freiheit ihres Urtheils und ihrer Akltion zu wahren. Weiter er⸗
klärte er: England habe kein Bündniß mit Rußland abgeschlossen;
gewiß sei auch seinerzeit kein geheimes Abkommen zwischen beiden
Mächten getroffen. Deutschland übe einen höchst wichtigen Ein—
luß aus, wie es seiner großen Machtstellung in Europa gebühre.
Deutschland sei es gewesen, welches in der orien⸗
tkalischen Frage das europäische Einvernehmen bis
diesen Augenblick aufrecht erhielt.
Nachdem Bedri Bey, der Bevollmächtigte der Pforte, in
Tunja die Konvention über die regelrechte friedliche Uebergabe
Duleignos unterzeichnet hatte, brach Bozo Petrowich mit 4000
Mann montenegrinischer Truppen und 12 Geschützen auf, um die
Stadt und die umliegenden wichtigen Positionen zu besetzen. Am
26. November, Abends 6 Uhr war die Besetzung vollzogen. End⸗
lich doch!
Wie das „Berl. Tagbl.“ hört, wird der bekannte französische
General Fleury, ehemaliger Botschafter des franzosischen Kaifer-⸗
reichs am Petersburger Hofe in Petersburg erwartet. Diese
Reise — wenn sie wirklich zu Stande kommen sollte — wird wohl
nicht verfehlen, in politischen Kreisen große Sensation zu erregen
Wie es scheint, soll jetzt die griechische Frage in den Vorder'
grund gedrängt werden. Nach einem Telegramm des „B. T.“ soll
der König von Griechenland dem deutschen Gesandten Herrn
d. Radowitz, der ihn vor übereilten Schritten warnte, erklärt haben:
„da die Mächte Griechenland nicht unterstützen würden, so wolle
er lieber den Krieg gegen die Türkei für die gerechte Sache riskiren,
welche überdies von den Mächten in der Verliner Konferenz
anktionirt wurde, als innere Konvulsionen Griechenlands erleben,
nachdem dies so viel gethan.“ Ohne Unterstützung der Mächte wird
Griechenland gegen die Turkei nichts ausrichten und an ein direktes
Eingreifen zu Gunsten der Hellenen ist bei keinem Staate, außer
vielleicht bei Rußland, zu denken.
Von den Bevollmächtigten der Vereinigten Staaten
und China's sind ein Handelsbertrag und ein Vertrag betreffend
die Auswanderung unterzeichnet worden. Letzterer Verirag gesteht
der Union die Kontrole nach Maßgabe der amerikanischen Gesetze
über die Einführung chinesischer Arbeiter zu.
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*St. Jugbert, 29. Nop. In der Sitzung des
Schöffengerichts hier vom 24. Ifdn. Monats kamen fol⸗
zende Fälle zur Verhandlung: Drei Burschen von Heckendalheim
erhielten wegen Körperverletzung, je fünf, — dtei und — vier
Tage Gefängniß; eine Frau aus Altenwaid wegen Verübung gro⸗
hen Unfugs eine Geldstrafe von zwei Mark und ein Mann aus
Hamburg wegen Beitels eine Haftstrafe von drei und wegen Sach⸗
beschädigung eine Gefängnißstrafe von acht Tagen.
*St. Ingbert, 80. Now. Wir erinnern daran, daß
morgen, wie in allen Orien des deutschen Reiches, so auch hier,
die Volkszählung stattfinden wird. Die Zaählungslisten