Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Uhr: 1) Katharina Danter, 46 J. a., Ehefrau von Ph'lippZiehl, 
) Katharina Ziehl, 19 J. 'a., Tochter der Vorigen, beide von Friesen— 
Jeim, wegen Neineibs. Staatsanwalt: Kieffer, Veriheidiger: Rechtskandidal 
Fleischmann. — Nachmittags 8 Uhr und 18. Dez.: Johann Ripplinger, 
48 J. a. Fuhrmann von Kaiserslautern, wegen Meineids. Staatsanwalt: Dr 
Krell. Vertheidiger: Rechtsaänwalt Loem. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 3. Dez. Wie der Leser aus einem 
Inserat der heutigen Nummer des „Anz.“ ersehen, beabsichtigt der 
Bewerbe-Verein die Gründung eines Vereines zur Unterstützung 
der wirklich Armen und zum Schutze gegen die Hausbettelei. 
Es ist diese Absicht des Gewerbe⸗Vereins eine sehr lobens werthe 
und zeitgemäße; denn es ist die höchste Zeit, daß der übertriebenen 
Hausbettelei, bei der gerade die Unwürdigsten von den verabreichten 
uͤnterstützungen den Löwenantheil ziehen und die in ihren Folgen 
so gemeinschädlich und demoralisirend wirkt, Schranken gezogen werden. 
In den benachbarten preußischen Städten hat man schon vor einiger 
Zeit Vereine gegen den Bettel gegründet, und man empfindet die⸗ 
selben heute als eine große Wohlthat. Da man aber hier so gut 
wie anderwärts den Wunsch nach Abhilfe trägt, so ist nicht daran 
zu zweifeln, daß die Absicht des Gewerbe-Vereins allqgemeine bei⸗ 
fällige Aufnahme finden wird. 
4— Die kgl. Regierung der Pfalz hat sich in Sachen her u m⸗ 
ziehender pfälzischer Musikanten zu der nach⸗ 
stehenden Kundgebung d. d. Speier 29. Nov. veranlaßt gesehen: 
Nach einer der k. Regierung vom kaiserlich deutschen Konsulate 
in Helsingfors zugegangenen Mittheilung hat sich im Laufe des 
vergangenen Sommers eine größere Anzahl von deutschen Musi⸗ 
kanien (auch aus unserer Gegend) nach Finnland begeben, um in 
cleineren Abtheilungen von 5 bis 7 Mann in den einzelnen Häu— 
sern in den Städten und auf dem Lande Musikstücke zu exekutiren 
und ihren Lebensunterhalt bei den Hauseinwohnern als Entgelt 
für ihre Leistungen zu erbitten. Gegen das zahlreiche und das 
Bedurfniß weit überschreitende Auftreten solcher wandernder Musik— 
gesellschaften, bei geringfügigen musikalischen Leistungen, ist in der 
hortigen einflußreichen Presse lebhaft agitirt und dasselbe sogar als 
eine neu auftretende Landplage besprochen worden. Es steht daher 
zu befürchten, daß diese Musiker, falls sie im kommenden Jahre 
abermals so zahlreich dort auftreten sollten, nicht mehr den nöthi⸗ 
gen Lebensunterhalt sich würden verdienen können und daß selbst 
die polizeiliche Erlaubniß zum Musiziren erheblich wird einge⸗ 
schränkt werden. Das kgl. Bezirksamt Zweibrücken wurde ange⸗ 
viesen, die seinem Bezirke angehörigen Musikanten, welche um 
Reisepässe nach Finnland nachsuchen, auf diese Verhältnisse in ge⸗ 
eigneter Weise aufmerksam zu machen. 
In Sachen der Arbeiterversicherung hat der —A 
hrücker Gewerbeverein aus dem Ministerium in Mün— 
hen nachstehende Zuschrift erhalten: „Der Gewerbeverein Zwei⸗ 
oͤrücken, welcher, soviel bekannt, der Frage der Unfallversicherung 
hesonderes Interesse zuwendet und behufs möglichst günstiger Ge⸗ 
staltung der Versicherungsbedingungen mit verschiedenen Unfallver⸗ 
sicherungs-Gesellschaften Verhandlungen gepflogen hat, wird ersucht, 
— — wichtigsten 
in dieser Angelegenheit erstatteten Gutachten und Referate dem 
igl. Staatsministerium des Innern, Abtheilung für Landwirthschaft, 
Gewerbe und Handel zur Einsicht in Vorlage zu bringen. gez. 
o. Pfeufer. 
4 Nach der „Pfälz. Post' waren vorigen Donnerstag sämmt⸗ 
liche Vürgermeister des Bezirks Zweibrüscken beisammen, um 
iber ein dem verlebten Bezirkgamtmann Damm in Zweibrücken 
nuf dem Friedhof aufzustellendes Denkmal zu berathen, und wurde 
beschlossen, dasselbe um den Betrag bis zu 3000 Mark aufstellen 
zu lassen. 
4Durch Beschluß des k. Amtsgerichts Faiserslautern 
bom 30. Nob. 1880 wurde über das Vermögen des Gastwirthes 
Ernst Thomas in Kaiserslautern — Hotel Karlsberg — aui 
dessen Antrag der Konkurs eröffnet. 
4 Das't. Amtsgericht Ebenkoben scheint den Weinhänd— 
lern scharf auf die Finger zu sehen; wie die „Ggt.“, berichtet, 
wurden in Hainfeld am Dienstag die Kesler von 4 Weinhändlern 
amtlich versiegelt. 
Der 27 Jahre alte Winzer Franz Weidner von Diedes— 
feld'wollte vor einigen Tagen ein geladenes Gewehr auf seine 
Fhefrau in seiner Wohnung abfeuern, welches zwar versagte. Der 
liebe Ehegatie, gegen welchen Untersuchung wegen Mordversuchs 
eingeleitet ist, hat nun die Reise nach Amerika angetreten. 
4 Als ein Zeichen der Zeit isi es zu betrachten, wenn bei 
Vergebung des Schulhaus-Umbaues in Herschberg durchschnitt⸗ 
äch 27,33 pCt., bei einzelnen Arbeiten aber bis zu 50 vOt. ab⸗ 
geboten wurden. 
4 Um bei dem Kampfe gegen die Weinverfälschung auch die 
Unterstützung der Staais- und Reichsgesetzgebung zu gewinnen, sollen 
auf Anregung des Winzervereins zu Königsbach zu geeigneter 
Zeit Adressen. wo möglich von Vertretern aller Weinorte der Vfalz 
interzeichnet und von hoher königl. Regierung unterstützt, dem 
ayerischen Landtag und dem Reichstag zugehen. Der Vorstand 
des Königsbacher Weinproduzentenvereins hat bereits den Fürsten 
Bismarck und' den Landtags- und Reichstagsabgeordneten Dr. Völk 
mit allen Uebelständen, an denen die Weinindustrie leidet, bekannt 
gemacht und diese Herren um ihren Beistand aur Abhilfe gebeten, 
den dieselben auch zugesagt. 
— Die diesjährige Session des Landrathes der Pfal z wurde 
am Mittwoch Mittag im Lyceumssaale zu Speyer durch Se. 
Exc. Herr Staatsrath Regierungspräsidenten v. Braun eröffnet. 
— Von der außerordentlichen Sorgsamkeit, mit welcher pere u⸗— 
zische Behörden in Rechnungssachen zu Werke 
Jehen, gibt das nachstehende Beispiel Zeugniß. Ein in Saar—⸗ 
zrücken wohnender Militär⸗Invalide hatte diesen Sommer auf fis— 
alische Kosten eine Badekur gemacht. Vor einigen Tagen erhielt 
ex auf Veranlassung der Intendantur des 8. Armeecorps vom 
Ldandwehr-Bezirkskommando die Nachricht, daß ihm damals zu we— 
nig Geld ausbezahlt worden sei. Es wurde ihm demgemäß auf—⸗ 
gegeben, eine neue Quittung auszustellen und den der Aufforder— 
ung beigefügten Betrag in Empfang zu nehmen. Dieser Betrag 
estand in einem sorgfältig eingewickelten einzigen Pfennig. 
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4 Nachdem es den fortgesetzten Bestrebungen eines gewissen 
Wißwässer in Mannheim gelungen ist, sich in der Pfalz, und 
war in den Verwaltungsbezirken Germersheim, Kirchheimbolanden 
ind Neustadt, eine Anzahl von Anhängern zu verschaffen, die außer 
nach seinem Namen, Wißwässerianer, sich auch „den Verein oposto— 
lischen und augsburgischen Bekenntnisses“ nennen und schon öfter 
Anlaß zu Klagen in den Gemeinden gegeben haben, und nachdem 
die kgl. Regierung der Pfalz die kgl. Bezirksämter aufgefordert hat, 
darüber zu wachen, daß die Wirksamkeit dieses Vereins in den 
Schranken, die solchen Vereinen durch den 84 der zweiten Verfas— 
ungsbeilage gezogen sind, bleiben, so hat auch das kgl. Konsisto— 
rium die ihm untergegebenen Dekanate, Pfarrämter und ständigen 
Bikariate angewiesen, die weltlichen Behörden in ihren Bemühungen 
uim Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung zu unterstützen. 
4 Der bad. Bienenzuchtverein hat aus Larnaka auf Cipern 
eine Sendung von 100 Bieuen, worunter eine Königin, erhalten, 
durch welche die heimische Race verbessert werden soll. Diese Send⸗ 
ung machte die Postreise über Beyrut, Alexandrien, Triest und die 
Brennerbahn in einem mit Zucker, Honig und Wasser zweckmäßig 
nusgestatteien Behälter. Die ciperische Biene ist durch einen fast 
durchsichtigen Hinterleib ausgezeichnet und wird selbst der italien⸗ 
schen vorgezogen. die weniger stechlustig und lichter gefärbt ist als 
die deutsche. 
In Hanau wurde vom Schwirgericht ein Dienstknecht, 
der einen 14jährigen Knaben, welcher ihn „Honigdieb“ genannt, 
erschlagen und auf einem Heuboden 2 mm tief im Heu vergraben 
hatte, wegen Todtschlags mit Ausschluß von Milderungsgründen 
dem Antrag des Staatsanwalts gemäß zu 10 Jahren Zuchthaus 
und Verlufl der hürgerlichen Ehrenrechte auf die gleiche Dauer ver—⸗ 
urtheilt. 
Straßburg. Zur Zeit wird hier ein heißer Kampf, 
zum Glück nur in den Spalten unserer Zeitungen ausgefochten, 
der für das Fleisch konsumirende Publikum nur von guten Folgen 
jein kann. Ein Konsortium größerer Landwirthe hat hier nämlich 
eine eigene Verkaufsstelle errichtet, um das produzirte Fleisch un⸗ 
nittelbar zu bedeutend niedrigeren Preisen an die Konsumenten ab⸗ 
geben zu iönnen, wie die eigentlichen Metzger. die doch erst vom 
dändler, oft aus dritter, vierter Hand Vieh kaufen. Das Syn ⸗ 
Ritat der Metzger sucht nun das Unternehmen in den Zeitungen 
n den Augen des Publikums nach Möglichkeit herabzusetzen, wo⸗ 
gegen die UÜnternehmer sich entsprechend vertheidigen. — Jedenfalls 
»ann das Publikum durch solche Konkurrenz nur gewinnen. 
pKolmar, 24. Nov. Vor der Strafkammer des Land⸗ 
gerichts dahier kam dieser Tage folgender interessanter Un ter⸗ 
shlagungsfall zur Verhandlung: Von 1869 bis 1870 war der 
n dem Bankgeschaͤft der Gebr. Emil und Mayer Rothschild zu 
Mühlhaufen beschäftigte Kommis Armand Ganser in Folge 
ingünstiger Spekulationen der genannten Firma eine erhebliche 
Summe schuldig geworden, die er bei seiner im Jahre 1870 er⸗ 
olgten Uebersiedelung nach Paris nicht bezahlen konnte. Unter den 
ur Sicherung der Giäubiger von ihm hinterlegten Papieren befand 
ich ein Loos der Prämienanleihe der Stadt Paris, welches bei der 
im 15. April 1879 vorgenommenen Ziehung 200,000 Francs 
jewann. Der Gewinn wurde von der Deutschen Effeklen⸗ und 
Wechsel⸗Bank zu Frankfurt für Rothschild eingezogen, ohne daß 
Hanser von seinem Glück Mittheilung erhielt. Emil Rothschild 
zegab sich im September 1879 nach Paris, versuchte, den Ganser 
u bewegen, die Quittung über die Hinterlegung der Papiere zu—⸗ 
ückzugeben und, als er sich darauf nicht einließ, einen vom 31. 
Jan 1879, also 8 Monoie zurückdatirten Schein über die Ab⸗ 
sretung der Papiere zu unterschreiben. Auf die Frage des Ganser, 
Wekeines der Loose gewonnen habe. wurde ibm mit Nein geant⸗