St. Ingberler Anzeiger.
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AMs 2035
A
18855
Deutsches Neich.
Im nächsten Reichstage wird auch die Revision des Ge—
nossenschaftsgesetzes don konservaliber Seite beantragt werden.
Neben der Solidarhaft soll auch die Theilhaft der Mitglieder für
zulässig erachtet werden. Freiherr v. Mirbach, ein Agrarier, ar⸗
beitet bereits einen diesbezüglichen Gesetzentwurf aus, der u. A.
damit motivirt wird: „Die schlimmen Erfahrungen, welche man
mit der Solidarhaft gemacht habe, schreckten die Besitzenden vor
dem Eintritt in die Genossenschaften ab und beraubten diese sowohl
der Mittel zur Befriedigung des legitimen Kreditbedürfnisses, als
auch der geeignetsten Verwaltungselemente. Nur mittelst der Theil⸗
haft könnten die besitzenden Klassen den schwer durch den Wucher
bedrängten Volkskreisen hülfreiche Hand leisten, ohne zugleich be—
fürchten zu müssen, selbst Alles zu derlieren.“
Dem Bundesrath ging der in voriger Reichstagssession
unerledigt gebliebene Gesetzentwurf betreffs der Erhebung von
Neichsstempelabgaben wieder zu, und zwar in bisheriger
Fassung. Es soll danach besteuert werden: Aktien und auf Inhaber
lautende Werthpapiere, Schlußnoten und Rechnungen, Lombard⸗
darlehen, Cheks und Giro⸗Anweisungen; auch der Quittungsstempel
wird wieder vorgeschlagen; es wird in der Vorlage hervorgehoben
daß die Gründe, welche in letzter Session für Einbringung. des
Gesetzes maßgebend gewesen, underändert fortbestehen.
Dem Bundesrafh ging der Voranschlag des deutschen
Reichshaushaltes für das Rechnungssahr 188182 zu. Da⸗
nach hetragen die dauernden Ausgaben gegen 89 und die einma—
ligen Ausgaben gegen 10 Millionen Mark mehr als im Vorjahr.
Zur Deckung wären außer den ordentlichen Einnahmen 106,614 13]
Mark an Matrikularbeiträgen (gegen 25 Millionen Mark mehr
als im Vorjahr) zu erheben; dabon fallen auf Preußen über 514
auf Bayern gegen 21, auf Württemberg 424, auf Baden 414,
auf Hessen über 194 Mill., auf Elsaß⸗Lothringen gegen 3,100,000
M. Zur vorübergehenden Verstürkung des ordentlichen Betriebs⸗
jonds der Reichshauptkasse wird der Reichskanzler zur Ausgabe von
Schatzanweisungen, jedoch nicht über den Betrag von 40 Pillionen
ermächtigt.
Nach einem vielverbreiteten Gerücht, das von der „Tribüne“
registrirt wird, soll das vom Reichskanzler projektirte Arbeiter—
Versicherungsgesetz, noch bevor es an den Volkswirth⸗
schaftsrath gelangt, veröffentlicht werden. Das Gesetz soll sich vor⸗
äufig nur auf Arbeiter in Fabriken und ähnlichen Gewerbebetrieben,
in Bergwerken c., beziehen und später eine weitere Ausdehnung
rhalten.
Bestimmung der türkisch⸗ montenegrinischen Grenze von der Bojana⸗
mündung bis Skutari annimmt. (Es hatte sich da noch um einige
kleine Differenzen gehandelt.)
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Vfälzisches SGwurgerict.
IV. Quartal 1880.
16. Dez. Verhandlung gegen 1) Friedric Reinhard 189 Jahre
alt, Schreinergeselle von Frankened „2) Heinrich GIlas, 33 Jahre
alt, Schreiner zu Germer ssheim ersterer wegen Meineid leßterer
wegen Anstiftunng hiezu. Vertreter der k. Staatsbehörde: Staatsanwalt
Petri, Vertheidiger des Reinhard: Rechtsanwalt Schmidt; des Glas: Rechts—
anwalt Gebhart.
Der Angeklagte Glas war wegen Unterschlagung in die Sitzung des
Schöffengerichis Germersheim vom 13 Juni abhin geladen. Die anklagende
Behörde stellte nämlich auf: Glas habe von den Eheleuten Gießer in Ger—
mersheim eine Quantität von Mobilien, darunter auch ein Kanapee zum
Berkause erhalten und sich auch dabei verpflichtet, den Erlss der elwa der
lauften Mobilien sofort an die Eheleuie Gießer abzuliefern. Glas habe nun
wirklich das Kanapee glücklich an den Mann gebracht, den Erlds aus dem
Geschäfte mit 24 Mark aber nicht an seinen Auftraggeber abgeliefert, sondern
rechtswidrig für sich behalten, aiso unterschlagen.
Der Angeklagie Glas stellte nun in jener Schöffengerichtssitzung auf, er
habe die betreffenden Mobilien, worunier auch das Kanapee von den Ehe⸗
euten Gießer nichtszum Verkaufe übernommen, sondern fest von der Ehefrau
Bießer und zwar um 73 Mark gekauft und könne das auch mit Eastlastungs-
zeugen heweisen. Die Verhanduͤng der Sache wurde deßhalb in die Sißung
»es Schöffengerichts vom 29. Juni vertagt.
In dieser Sitzung brachte nun der Glis den heutigen Angeklagten Rein⸗
hard als Entlastungszeugen, der auf die Wichtigkeit und Heiligkeit des Eides
und die Folgen des Meineides aufmerksam gemacht und dann vereidigt wurde.
Auf seinen Eid sagte nun Reinhard damals aus, er selbst sei dabei ge⸗
wesen, als Glas in der Gießer'schen Wohnung von der Ehefrau Gießer die
Modilien um 75 Mark gekaunft habes Diejer Aufstelluug blieb er auch
treu, nachdem ihm damals der Widerspruch, in den er dadurch mit den andern
Zeugen gerathe, klar gemacht und er nochmals eindringlich ermahnt worden
war, bei der Wahrheit zu bleiben.
Da dringender Verdacht gegen ihn wegen Meineids bestand, wurde
Untersuchung gegen ihn eingeleitet und er gestand auch alsbald ein, daß er
damals vor dem Schöffengerichte die Unwahrheit gesagi habe. Er würde dies
nicht gethan haben, wenn es ihm Glas nicht vorher zuͤgemathet hätte; er
habe übrigens auch gemeint, er dürfe als Entlastungszeuge des Glas nut
Günstiges für diesen aussagen.
Die Geschworenen erklärten die Angeklagten im Sinne der Anklage für
schuldig, worauf Reinhard zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahre, und
Glas zu einer Zuchthansstraije von drei Jahren verurtheilt wurde. — Auf
Verlust er bürgerlichen Ehrenrechte wurde gegen Glas in der Dauer von
ünf Jahren, gegen Reinhard in der Dauer von zwei Jahren erkannt und
Beide für dauernd unfähig erklärt, als Zeuge oder Sachverständige eidlich
ernommen zu werden
Verm ischtes.
St. Ingbert. Am Sonntag Nachmittag hat sich in
ziner Versammlung bei Oberhauser der Verein gegen die
Bettelei in St. Ingbert“ definitiv konstituirt, indem nach Ver—
esung der in einer vorhergegangenen Versammlung festgestellten
Statuten diese unterzeichnet und die Wahl eines provisorischen
Ausschusses vorgenommen wurde. Der Ausschuß besteht aus 9
Mitgliedern und zwar aus folgenden Herrn: Custer, Bürgermeister,
Dengel, Pfarrer, Krieger, Pfarrer, Contad, Posthalter, J. Beer,
aufm., Karl Uhl, Kaufm. Schlick, k. Realienlehrer, Acker,
k. Steuereinnehmer, Drumm, Lehrer. Die 4 zuerst genannten
H. H. gehören gleichzeitig auch dem gesetzlich bestehenden Armen⸗
pflegschaftsrathe der Stadt an. — In den nächsten Tagen werden
die Statuten des neuen Vereins nebst Einzeichnungslisten bei der
hiesigen Bürgerschaft zur Kenntnißnahme und Zeichnung der Bei⸗
träge in Zirkulation gesetzt werden. Hoffentlich wird die Bethei⸗—
ligung bei diesem höchst gemeinnützigen und wohlthätigen Unternehmen
eine rege und zahlreiche!
*— Am Sonntag wurde bei einer Schlägerei in der Wirth—
chaft von A. Jungfleisch (unterhalb des Viadutes an der Kaiser⸗
traße) ein Bursche durch Messerstiche in den Rüden und ins Gesicht
sehr gefährlich verletzt.
J Die kgl. Kreisregierung gibt bekannt, daß am 31. Dez.
und 1. Januar das Führen von Dolchen, Stiletten und anderen
im Griffe feststehenden oder mittelst einer Vorrichtung feststellbaren
Messern von zugespitzten Streichern und Pfriemen, von Terzerolen,
Sadpistolen und Revolvern, von Abschraubegewehren, bon Rauf⸗
cingen oder Schlageisen allen unselbstständigen Personen bei Strafe
»erboten ist.
Ausland.
London, 19. Dez. Gestern hat in Mullingar (Irland)
eine Versammlung von Landleuten Statt gefunden, welcher 10,0006
Personen beiwohnten. Der Parlamentsdeputirte Suilivan hielt
eine Rede, in welcher er sagte, der jetzige Kampf zwischen den
Eigenthümern und den Pächtern sei ein Kampf auf Leben und
Tod; einer oder der andere müsse untergehen. — In Bonnicula
suchte am Samstag ein Volkshaufen von 2000 Menschen die
Wohnung des Magistratsmitgliedes Downing zu zerstören, welcher
mehreren seiner Pächter persönlich Ausweisungsbefehle zugestellt
hatte. Die Polizei mußte die Menge mit dein Bahonnet fern
halten. Downing entfloh und seine Wohnung wurde von der
Polizei besetzt.
„Daily Telegraph“ erfährt, das englische Kabinet habe die
Moͤglichkeit der Proklamirung des Standrechts in den unruhigen
Distrikten Irlands erwogen.
Laut Meldung der „Polit. Korr.“ aus Rom hat der Ge—
danke der Losung der griechischen Frage durch ein europüäisches
Schiedsgericht in den letzten Tagen insofern Konsistenz gewonnen,
als er gegenwärtig den Gegenstand der Erwägung der Kabinete
bilde. Die französische Regierung, von dem britischen Kabinet für
die Idee eines Schiedsgerichtes gewonnen, habe die Diskussion der
Möglichkeit und Zweckmäßigkeu der Idee gegenwärtig bei den
dabineten angeregt.
Die Pforte richtete an die Botschafter der Großmächte eine
Note, womit sie die in deren Note vom 5. d. beantragte sofortige