Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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Donnerstag, den 17. Februar 
i881. 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) Der Gesetzentwurf, einige 
Abänderungen an den Gesetzen über die allgemeine Grund- und 
Haussteuer betr. ist nunmehr nach den von dem Ausschuß in der 
zweiten Lesung gefaßten Beschlüssen zusammengestellt, gedruckt und 
bertheilt. Der Ausschuß hat beschlossen, an die Kammer durch den 
Referenten v. Hörmann mündlichen Bericht erstatten zu lassen und 
beantragt, die Kammer wolle beschließen: J. Dem Gesetzentwurf 
sei nach den Beschlüssen des Ausschusses die Zustimmung zu er— 
theilen; IBI. die Petitionen der Hausbesitzer in München, Kaisers— 
jautern, Zweibrücken, Ludwigshafen, Neustadt a. H., des Stadt- 
rathes in Speyer. des Gemeinderathes in Kandel, von Hausbesitzern 
in Homburg, des Stadtrathes in Landstuhl, von Hausbesitzern in 
Annweiler, Frankenthal, St. Ingbert u. s. w., welche sämmt⸗ 
lich Aenderungen in den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen über 
Grund-, bezw. Häusersteuer beantragen, seien als durch die Beschlüsse 
zum Gesetzentwurfe erledigt zu erachten; die Petitionen der land⸗ 
wirthschaftlichen Bezirksvereine seien, soweit sie die Abschaffung der 
Grundsteuer und deren Ersatz durch eine allgemeine Einkommen⸗— 
steuer beantragen, gleichfalls als durch die Beschlüsse zum Gesetzent— 
wurfe erledigt zu erachten, dagegen, soweit sie eine Aenderung der 
Gesetze über Gebührenwesen und über Branntweinsteuer bezielen, 
an den Petitionsausschuß zur zuständigen Behandlung abzugeben. 
Aus München, 14. Februar wird gemeldet: Am Mittwoch 
früh werden sich die Minister Dr. v. Lutz und Frhr. v. Crailsheim, 
sowie Ministerialrath v. Mayer zu den Verhandlungen des Bundes— 
raths nach Berlin begeben. Für die Dauer der Abwesenheit der 
beiden Minister wird die interimistische Leitung der Geschäfte des 
Staatsministeriums des Innern für Kirchens und Schulangelegen⸗ 
heiten der Justizminister Dr. v. Fäustle, die des Staatsministeriums 
des 'kgl. Hauses und des Aeußeren Staatsrath v. Pfistermeister 
übernehmen. (A. Z3.) 
Am Dienstag wurde in Berlin der Reichstag eröffnet. Die 
Thronrede kündigt an, der Voranschlag des Reichshaushalts für das 
Rechnungsjahr 1881/82 werde unverweilt vorgelegt werden. In den 
bisherigen wirthschaftlichen und finanziellen Ergebnissen erblicken 
die Bundesregierungen eine Aufforderung, die Grundgedanken der 
Steuerreform weiter durchzuführen, so die finanzielle Selbstständigkeit 
des Reiches anzustreben und zugleich den einzelnen Bundesstaaten 
die Mittel zu gewähren zur Minderung drückender Abgaben und 
zur Verbesserung der Lage der Arbeiter. Angekündigt werden der 
Entwurf eines Stempelgesetzes, ein Gesetzentwurf über die Brau— 
steuer (letztere betrifft Bayern nicht), der Gesetzentwurf über Ver— 
sicherung der Arbeiter gegen Unfälle, um der Sozialdemokratie ent— 
gegen zu treten, ferner der Gesetzentwurf über die Innungen, ein 
Gesetzentwurf über die Versorgung der Hinterbliebenen von Reichs- 
beamten, einer über Bestrafung im Trunkenheitszustand begangenen 
Verbrechen, endlich ein Gesetzentwurf über Einführung zweijähriger 
Budgeiperioden. 
Zum Ausland, sagt die Thronrede weiter, steht Deutschland 
in freundlichen Beziehungen, insbesondere entspricht sein politisches 
Verhältniß zu den großen Nachbarstaaten der persönlichen Freund— 
schaft des Kaisers mit deren Beherrschern. Unter den Mächten 
herrscht in dem Willen, den Frieden zu erhalten, volle Ueberein— 
stimmung; es besteht betreffs der wesentlichen Ziele der schweben⸗ 
den Verhandlungen keine prinzipielle Meinungsverschiedenheit. Der 
Einigkeit der Mächte wird es hoffentlich gelingen, auch theilweise 
Friedensstörungen zu verhüten, jedenfalls sie so zu beschränken, daß 
sie weder Deutschland noch dessen Nachbarn berühren. 
Der Bundesrath genehmigte den Entwurf des Reichs— 
Stempelsteuer-Gesetzes mit einem Zusatz, wonach der zur Reichskasse 
fließende Nettoertrag der Stempelabgaben den Bundesstaaten nach 
dem Fuße der Matrikularbeiträge zu überweisen ist. 
In der Sitzung des Bundesraths vom 12. d. M. wur⸗ 
den festgestellt: die für das nächste Jahr zu erwartenden Gr⸗ 
träge aus Zöllen auf Mk. 188,250,000, aus der Tabakb 
steuer auf Mk. 4,878,000, aus den Aversen für Zölle und Ta 
haksteuer auf Mk. 3,829,000. Die Ueberweisungen an die Bun— 
)esstaaten betragen Mk. 66,657,000, der Anleihebedarf Mark 
33,369,221. 
Die Umwandlung des preußischen Volkswirth⸗ 
schaftsraths in eine deutsche Institution scheint doch 
zrößere Schwierigkeiten zu machen, als dies auf Grund der bereits 
dem Bundesrathe zu diesein Zwecke vorgelegten Etatsposition den 
Anschein hatte. Die bayerische Regierung ist nicht geneigt, zuzu⸗ 
lassen, daß wichtige Organisationen auf einem anderen als dem 
geraden verfassungsmäßigen Wege ins Leben gerufen werden und 
hat daher in der Sonnabend⸗-Sitzung des Bundesraths sich da⸗ 
gegen erklärt, daß der Volkswirthschaftsrath durch die Hinterthür 
einer Etatsposition in die Institutionen des deutschen Reichs ein— 
zeschmuggelt werde. Die bayerische Regierung verlangt die Vorlage eines 
ormlichen Gesetzes, das den Volkswirthschaftsrath als dauernde Reichs- 
Institution ins Leben ruft, und ist in Folge dessen die betreffende 
Etatsposition vorläufig zurückgezogen worden. Es ist anzunehmen, 
daß diese Zurückziehung eine definitive sei, da Fürst Bismarck bei 
einer früheren Gelegenheit (Einbeziehung St. Paulis in den Zoll⸗ 
verein) die Erklärung abgegeben, daß er bei Streitigkeiten über 
die Auslegung der Verfassung im Bundesrathe es opporiun erachte, 
eine materielle Entscheidung mit allen Mitteln zu umgehen. Es 
ist demnach anzunehmen, daß er in dem vorliegenden Falle dem 
bayerifchen Standpunkte Konzessionen machen wird. Daß die Re— 
gierungen im Uebrigen geneigt sind, einen Volkswirthschaftsrath 
ür Deutschland schaffen zu helfen, haben Anfragen, die vorher 
tattgefunden haben, unzweifelhaft ergeben, fraglich aber erscheint 
jetzt allerdings, ob dabei nicht etwa der Hintergedanke obgewaltet 
hat, daß vielleicht im Reichsstage diese Meinung Widerstand fin⸗ 
den könne. 
Die Eisenbahn-Kommission des preußischen Abgeordneten⸗ 
hauses beschloß, der Staatsregierung die Ermächtigung zur Legung 
des zweiten Geleises der Rhein⸗Rahe-Bahn und einen bez. 
Kredit von 8,750,000 Mark, sowie ferner die Ermächtigung zum 
Ankauf der Rhein-⸗Nahe-Bahn zum Course von 15 Prozent zu er 
cheilen. 
xse mischtev. 
*St. Ingbert, 17. Febr. Als Seltenheit in dieser 
Jahreszeit wurde uns heute Morgen ein lebender Schmet ter⸗ 
ling (itronfalter) überbracht. 
Nach der neuesten Volkszählung zählen die Landgerichtsbezirke: 
Frankenthal 193,170 Seelen 
Kaiserslautern 164,1020, 
Zweibrücken 164,034 , 
Landau 154,792 
Die ganze Pfalz 676,098 Seelen. 
Nach der „Pf. Pr.“ ist dem Pfarrer Petersen in Mu ß⸗ 
bach (rüher Seminar-Inspector in Kaiserslautern und dann 
Pfarrer in Ernstweiler) die protestantische Pfarrei in Wimpfen a. 
B. (hessische Enclave am Neckar zwischen Baden und Württemberg) 
verliehen worden. 
Das Handels⸗ und Gewerbegremium Kirchheim bo⸗ 
landen hat sich, laut der „Pf. Pr.“, in einem Bericht an die 
pfälzische Handelss und Gewerbekammer dahin ausgesprochen, daß 
es wünschenswerth sei, den Mißständen im Gesellen- und Lehrlings- 
wesen entgegenzutreten, daß Innungen auf Grund freiwilligen Bei— 
tritts wünschenswerth seien, aber daß Eingriffe in die Gewerbe— 
freiheit dabei durchaus unterbleiben mögen. 
F Gestorben in Kaiserslautern der frühere Landtags— 
abgeordnete und Bürgermeister Bierbrauereibesitzer Joh. Gelbert, 
75 Jahre alt. 
Von dem Schöffengericht Kaiserslautern wurde ein 
15jähriger Fortbildungsschüler von Morlautern zu einer Gefäng— 
nißstrafe von 1 Monat verurtheilt, weil er am 80. Dezember v. 
Is. Abends, nach Beendigung des Unterrichts, einen Mitschüler 
berfolgte und mit einem Messer derart verwundete, daß eine zehn⸗ 
tägige Arbeitsunfähigkeit die Folge war. 
F Für die Landes-Ausstellung in NUrnberg wird auf 
dem Ausstellungsplatze eine altdeutsche Weinstube errich— 
tet werden, und der Betrieb derselben ist nun den Herren Ed.