Full text: St. Ingberter Anzeiger

Benedix „Die zärtlichen Verwandten“ und am Mittwoch in dem 
neuen effektvollen Schauspiel von Wilbrandt: „Die Tochter des 
Herrn Fabricius“, das überall mit sehr großem Beifall aufgenommen 
wurde, hier auftreten wird. An beiden Tagen werden die Mann⸗ 
heimer Künstler die Hauptrollen innehaben. Dem Theaterbesuchenden 
Hublikum stehen mithin zwei genußreiche Abende in Aussicht. 
FKaiserslautern. Die zwei großen Lüstres im Tanz⸗ 
saal des Hotel Karlsberg, die seiner Zeit 1000 fl. kosteten, wurden 
zusammen um 200 M. von Herrn Reiß ersteigert. 
F In Neustadt a. H. wird am nächsten Sonntag der 
Reichstagsabgeordnete Dr. Günther aus Nürnberg sprechen. 
Die Einladung zur Versammlung geht von den Mitgliedern der 
Fortschrittspartei in Neustadt aus. 
FIn Frankfurt hat sich der Kassier Henning, der bei 
der Kasse des „Hilfsvereins für Gewerbetreibende“ angestellt war, 
nachdem eine Revision der Kasse schlimme Dinge an den Tag ge— 
hracht hatte, erschossen. Gemeinsam mit einem gewissen Wallmann 
(welcher verhaftet ist) machte Henning Wuchergeschäfte, deren Grtrag 
sie unter sich theilten. Wallmann soll durch Henning einen be— 
deutenden Kredit bei der Kasse in ganz unrechtmäßiger Weise ge⸗ 
habt haben. Außerdem scheint Henning noch ganz bedeutend in 
die Kasse gegriffen zu haben, und zwar gehen die Veruntreuungen 
bis über das Jahr 1874 zurück. Wie groß der Abgang in der 
Kasse eigentlich ist, das muß die Untersuchung erst feststellen; es 
laufen darüber allerhand Gerüchte um, die aber wohl sehr über— 
rrieben sind; so wird behauptet, der Abgang betrage 700,000 M. 
Mit der Beaufsichtigung des Kassiers scheint es gar nicht streng 
denommen worden zu sein. Der Verein war i. J. 1844 von 
Handwerkern zu dem Zweck gegründet ,worden, kapitalbedürftigen 
Meistern unter die Arme zu greifen. — Durchgegangen ist auch 
ein Kassier der Feuerversicherungsgesellschaft Probidentia mit 6000 
M. Er ließ durch seine Frau ein Schreiben an die Direktion in 
Frankfurt gelangen, worin er bat, man möge ihn nicht verfolgen, 
weil er sich sonst todtschießen würde. Die Aniwort darauf war 
ein Steckbrief. 
Der traurige Vorfall in München ruft die Erinnerung 
an ein ähnliches Ereigniß wach, welches sich im Jahre 1393 am 
französischen Hofe zutrug. Zu Ehren der Wiedergenesung des ge⸗ 
müthskranken Königs Karl VI. wurde eine Fastnachtsfeier veran— 
staltet, wobei sechs Cavaliere sich als Satyre verkleidet hatten. 
Der ganze Anzug war mit Theer und Pech überzogen und statt 
der Haare mit Hanf und Werg besetzt. Dem Könige gefiel diese 
Maskirung so gut, daß er sich sofort einen gleichen Anzug fer— 
tigen ließ und so die Zahl der Satyren auf Sieben erhöhte. Als 
aber bei Einbruch der Nacht die Satyren einen Tanz aufführten, 
hei welchem sich der König lebhaft betheiligte, kam derselbe einer 
hrennenden Fackel zu nahe und brannte in wenigen Augenblicken 
lichterloh. Die anderen Masken vergaßen sich selbst, bemühten 
sich den König zu retten, aber Einer zündete dabei den Anderen 
an, und vier davon verbrannten jämmerlich. Der König ward 
gerettet, allein er wurde wieder gemüthskrank und blieb es bis an 
sein Ende. 
FMünchener Blätter erlassen einen Aufruf zur Sammlung 
don Geldbeiträgen für jene Familien, welche durch die entsetzliche 
Katastrophe auf dem Maskenfeste der Künstler theils ihre Ernährer, 
theils die Hoffnung und Stütze für die Zukunft verlieren.“ 
Der zweite Haupitreffer der NUürnberger Liebfrauen— 
kirchen⸗Lotterie im Betrage von 20,000 Mk. ist der Kirchenver⸗ 
waltung geblieben, resp. zugefallen. 
Die Handels- und Gewerbekammer von NRiederbayern 
ist gerade herausgegangen mit ihrem Gutachten über den Gesetzent⸗ 
wurf bezüglich der Innungen. Man weiß doch wenigstens, wie 
man mit ihr daran ist; sie sagt, daß sie den Gesetzentwurf entspre— 
hend den ihr zugegangenen Meinungsäußerungen der Gewerbever⸗ 
eine von Passau und Straubing wohl als Anfang einer Besserung 
der gewerblichen Verhältnisse begrüße, daß sie aber nur von obli— 
gatorischen Innungen ein wirksames Heil erwarte. Im übrigen 
hat die Kammer den Antrag des Goldarbeiters Straub einstimmig 
angenommen, welcher dahin geht: „Eine durchgreifende Rettung 
aus der gewerblichen Misere ist nur von der gänzlichen Umarbeit— 
ung unserer Gewerbeordnung zu erhoffen.“ Hierher will die Kam— 
mer in erster Linnie auf Antrag des Kaufmannes Finsterwald die 
Abschaffung des Hausirhandels verstanden wissen. Die Beschlüsse 
wurden einstimmig gefaßt. 
— Verschiedene konservative Berliner Zeitungen erzählen, der 
— 
habe vor, zur katholischen Kirche überzutreten. Ein Sohn des 
Herrn v. Bleichröder will oder soll eine Tochter des (katholischen) 
Grafen Hatzfeldt, des deutschen Botschafters in Konstantinopel, 
heirathen, und Das soll mit jenem Schritt in Verbindung stehen. 
Der Bräutigam bringt der Braut zwar einen sehr jungen Adel, 
aber desto mehr Geld zu. 
Was Berlin ißt, ergiebt sich in Ziffern aus den 
neuesten Berechnungen des Berliner Magistrats. Berlin verzehrt 
zanach jetzt alljährlich durchschnittlich an Lebensmitteln aller Ar— 
twa 148,566,754 kg und zwar an Schlachtvieh allein 45,000, 00 
. an Geflügel 5,000,000 kg, an Butter 10,001,248 kg, ar 
Fischen aller Art ca. 10- 11,000, 000 Kg ꝛc. An jedem einzelnen 
Tag des Jahres müssen demnach in Berlin 740,000 Kg Lebens. 
mittel vorhanden sein. 
F Ein schändlicher Heirathsschwindler, welcher —VV 
Damen, die auf sein Gesuch antworteten, dadurch in Schrecken ge⸗ 
setzt hat, daß er ihnen mit dem Verkauf bezw. der Veröffentlichung 
der auf seine Annonce eingesandten Briefe drohte, falls sie ihm 
nicht dieselben mit 5 Mark abkauften, ist, wie die „Hannoversche 
Post“ mittheilt, von der Hannoverschen Polizeibehörde in der Pet— 
son des etwa 80 Jahre alten Kaufmanns Julius Damerar 
uus Königsberg i. Pr. in dem Augenblicke verhaftet worden, 
als er an der Postanstalt die von einer Berliner Dame geforderh⸗ 
Geldsumme in Empfang nehmen wollie. 
FHaare und Augen. In diesem Jahre wird wieder 
die vor fünf Jahren zu ethnologischen Zwecken stattgefundene Er— 
mittelung über Farbe der Augen, Haut und Haare der Schület 
nnerhalb Deutschlands stattfinden. Bei der letzten Zählung waren 
760,000 Schüler untersucht, von welchen 224,000 blaue, 287,000 
graue, 255,000 braune, 450 schwarze, 3 rothe und einer ein braune 
und ein rothes Auge hatte. Hinsichtlich der Haare hatten 410, 000 
Schüler blondes, 818,000 braunes, 3700 schwarzes, 192 rothes 
74 weiße und 15 gelbe Haare 
F Gegen die Kurzsichtigkeit. Durch Untersuchung von mehr 
ils 30 Augenärzten an beiläufig 40,000 Schülern wurde festge 
tellt, daß die Kurzsichtigkeit unter unserer Jugend fort und for 
zunimmt, und zwar im Schulalter von Klasse zu Klasse. Dit 
Flementarschulen weisen 5 bis 11 Prozent Kurzfichtige auf, die 
Töchterschulen schon 10 bis 24, die Realschulen 20 bis 40, dite 
Bymnasien 80 bis 55, die Sekunda und Prima 35 bis 88. Ein 
Tübinger Arzt fand innerhalb 20 Jahren unter 600 Theologie⸗ 
tudierenden 79 Prozent Kurzsichtige. An diesem Uebel sind die 
enggedruckten Schulbücher, namentlich die Woörterbücher, Schuld. 
Man sollte auf die Schulbücher dieselbe Rücksicht nehmen wie auf 
die Bibel, die man in Perlschrift für die Fernsichtigen, in Cicero— 
chrift für die Normalsichtigen, in grober Mittelschrift für die Kurz— 
ichtigen und in Reliefschrift für die Blinden druckt. 
*F 314 Liebesbriefe. Pest, 21. Febr. Ein sonderbares 
Akten-Faszikel gelangte dieser Tage an die Königliche Tafel. Eine 
Dame aus der Provinz strengte gegen ihren Geliebten einen Pater— 
nitätsprozeß an und als der Geklagte Alles hartnäckig leugnete, 
egte die Klägerin in ihrer Gegenschrift als Beweis 314 Liebes— 
zriefe bei, welche sie seiner Zeit von dem Verklagten erhalten hatte, 
ind klebte auf jeden derselben den vom Gesetze vorgeschriebenen 
15 Kr.-Stempel. Der Gerichtshof erster Instanz verurtheilte den 
Beklagten, machte aber den Ausgang des Prozesses von einem Eide 
abhängig, wogegen beide Parteien das Rechtsmittel der Appellation 
ergriffen, und die Klägerin verlangte in ihrer Appellation, die 
dönigliche Tafel möge, wenn der Prozeß referiert wird, alle 314 
Liebesbriefe verlesen lassen. 
In Paris liefern Theater-Unternehmungen, wenn sie 
zut geleitet werden, glänzende Ergebnisse. Die Direktion des 
Theaters Baudeville hat ihren Auctionären über das Geschäftsjahr 
880 Rechnung abgelegt. Die Dividende beträgt 1125 Fres. für 
cde Actie von 2500 Fres. Einzahlung, was einer Verzinsung von 
15 pCt. des Actienkapitals gleichkommt. 
FLeuchtende Buchstaben. Einem italienischen Che⸗ 
niker ist angeblich eine neue epochemachende Erfindung gelungen; 
dieselbe besteht in der Behandlung des Buchdrucks mit gewissen 
Materien, so daß die gedruckten Buchstaben im Dunkeln sichtbar 
werden. Von nun wird man also im Dunkeln lesen können! Der 
Erfinder will seine Entdecknng praktisch erproben und soll — wie 
talienische Zeitungen in ernster Weise mittheilen — zu diesem 
3wecke schon nächstens in Turin ein neues Tageblatt in großem 
Formate unter dem Titel „Merlin Cocaja“ erscheinen. 
4 Ein schreckliches Unglück hatte sich zu Rueda in der 
Provinz Saragossa (Spanien) ereignet; der Glockenthurm der 
irche ist eingestürzt. 10 Todte wurden bereits unter dem Schutte 
jervorgezogen. 
4 Wie groß der Viehreichthuum Rordamerikas und wie 
hedeutend die Ausfuhr von Fleisch, Schmalz u. s. w. aus dem⸗ 
'elben ist, geht daraus hervor, daß im vergangenen Jahr nach 
offiziellen Zusammenstellungen allein in Chicago 7,057,092 
Schweine, 1,877,148 Stück Rindvieh und 334,5606 Schafe ge⸗ 
chlachtet wurden. 
4 Amerikanisches. Wie aus Montreal gemeldet wird, 
geht man mit dem Projekt um, unter den Niagara-Fällen einen 
Eisenbahn-Tunnel anzulegen. 
Ein Diamant von einem enormem Werth ist vom Cap 
der guten Hoffnung nach Europa 'gebracht worden. Er hat ein 
Bewicht von 500 Karat und besitzt ein Feuer, wie es bei den in 
den Capminen gefundenen Diamanten sehr selten ist. Die Königin