Full text: St. Ingberter Anzeiger

lange nicht mehr jene Goldgrube für den englischen Schatz, welche 
es einst war, und die britischen Kolonialpolitiker haben sich seit 
Jahrzehnten bereits daran gewöhnt, in Afrika, dem schwarzen Kon⸗ 
tinente, ein „zweites Indien“ zu erblicken, dessen Erschließung und 
Unterwerfung zu Gunsten Großbritanniens mit aller Macht zu 
betreiben sei. Im Süden war es die Kapkolonie, im Westen die 
Goldküste, im Osten Natal und Transvaal und im Norden Egyp⸗ 
ten, welches dem englischen Vordringen in Afrika als feste Basis 
dienen soll. Die sichersten Ausgangspunkte und die civilisirtesten 
waren die südafrikanischen Kolonien. Gelingt es nun den Trans⸗ 
vaal⸗ Bauern, den Befreiungskampf durchzukämpfen und gar noch 
die übrigen niedersächsischen Siedler zur Abschüttelung der britischen 
Oberherrschast zu bewegen, dann verliert die englische Kolonial⸗ 
politik in Afrika die Aussichten für eine erfolgreiche Zukunft und 
die Hoffnung auf eine Ausschlachtung der Schätze Afrikas in all⸗ 
einigem britischen Interesse. Von welcher Wichtigkeit aber eine 
Rückdrängung des britischen Einflusses aus Südafrika auf die 
ganze Welthandelspolitik des britischen Reiches sein müßte, läßt 
sich aus dem Vorgesagten annähernd ermessen. Unter diesem Ge— 
sichtspunkte ist der Kampf in Transvaal aufzufassen und seine 
zroße Bedeutung zu beurtheilen. Der nordamerikanische Freiheits⸗ 
kampf ist mit nicht größeren Streitkräften und nicht blutigeren 
Gefechten eröffnet worden und Südafrika wird in der Entwickel⸗ 
ungsgeschichte der Menschheit dereinst sicherlich keine kleinere Rolle 
spielen, als zur Zeit bereits Nordamerika. Darum ist es erklär⸗ 
lich, daß die gesammte gebildete Welt mit groͤßter Spannung dem 
ampfe folgt, welchen England zur Befestigung seiner beabsichtig⸗ 
ben künftigen Herrschaft über Afrika mit den Transvaalern führt. 
Seit der Losreißung der nordamerikanischen Kolonien haben die 
Engländer in ihren Kolonialkriegen nicht mehr gegen eine weiße 
Bevölkerung gefochten. Die eroberungslustigen Nachkommen der 
Rormannen und Angelsachsen messen sich jetzt in Afrika mit dem 
zähen, an Freiheit und Besitz hängenden Nachwuchs der Nieder⸗ 
sachsen, mit den Abkömmlingen jener stolzen und todesmuthigen 
Race, welche in ihrem alten Heimathlande, in Holland, den selbst⸗ 
hewußten Spruch führen: „Gott schuf das Meer — wir die 
küsten“, und welche lieber ihr Land durch Durchstich der schützen⸗ 
den Dämme den Meereswogen wieder preisgaben, als sich fremden, 
willkürlichen Eroberern zu unterwerfen. 
In der griechisch-türkischen Sireitfrage scheinen sich die 
Dinge immer mehr zuzuspitzen. Während die beiden Gegner ihre 
Waffenrüstungen ergänzen, ist auch die Diplomatie nicht müßig, 
noch den letzten Versuch eines friedlichen Ausgleiches zu machen. 
Bedeutsam ist es hierbei, daß Deutschlands großem Kanzler un— 
gesucht die Führerschaft zugefallen ist. Den schadenfrohen Berich— 
ten englischer und französischer Blätter, unter letztern namentlich 
das „Journal des Debats“, gegenüber, daß die Mission des Gra— 
fen Hatzfeld in Konstantinopel vollständig gescheitert sei, 
schreibt jetzt die „Nordd. Allg. Zeitung“ offiziös: Man könne 
nicht von einer Mission des Grafen Hatzfeldt (deutscher Botschaf⸗ 
ter in Konstantinopel) reden. Die deutschen Interessen im Orient 
beschränkten sich auf die Erhatlung des Friedens, namentlich aber 
unter den Mächten. Die deutsche Politik bringe keine Versuchung 
mit sich, die Führerrolle zu erstreben. Hatzfeldts Instructionen 
hinderten nicht, jedem anderen Vorschlag zur Erhaltung des Frie— 
dens zuzustimmen. Bismarck habe, von anderen Cabineten aaf—⸗ 
gefordert, seine Ansicht über das zweckentsprechende Verfahren für 
die Konstantinopler Botschafter geäußert. Diese Aeußerung trug 
ediglich den Charakter des Gutachtens eines Sachverständigen. 
Dieses Gutachten erhielt ausnahmlos die prinzipielle Zustimmung 
der Cabinete Ob die Botschafter die Uebereinstimmung der Ca⸗— 
binete zu einem praktischen Ergebnisse entwickeln würden, bleibe 
Aabzuwarten; jedenfalls werde Deutschland dabon zuletzt berührt. 
Vermischteh. 
Der Staatszuschuß für die Pfälzischen Eisen— 
bahnen pro 1880 hat sich auf rund 1,748,000 M. vermin⸗ 
dert, während derselbe pro 1879 noch 2,608,000 M. betragen hatte; 
es ergibt sich daher eine Besserung von 8355,000 M. 
Der Bestand des Pensionsfonds für die Angestellten der 
Pfälzischen Eisenbahnen war am 1. Januar 1880 
M. 2,405, 636,60. Die Einnahme pro 1880 betrug M. 
109,278.93, darunter Beitrag der Pfälzischen Eisenbahnen M. 
97,848.49 Pf., der Speyer⸗Heidelberger Bahn und Kons. M. 
1533. 71, diverse Einnahmen M. 4189. 15, Zinsen M. 110,010.60. 
Totalbestand M. 2,814,915.62. Die Ausgaben entziffern M. 
271,700.84, darunter M. 268,630. 18 für Pensionen, M. 1570. — 
für Unterstützungen, M. 1500.71 für diverse Ausgaben. Verbleibt 
demnach Aktivrest M. 2,543,214.78. Der Bestand der Lebens— 
vbersicherungsbasse für die Angestellten der Pfälzischen Eisenbahnen 
var am 1. Januar 1880 M. 308,921.47. Die Einnahme pro 
1880 betrug M. 58,532. 26. die Ausgabe M. 23,990. 09. Sohin 
Stand der Lebensversicherungskasse am 31. Dezember 1880 M. 
343, 463. 64. 
Von Seiten des Neustadter Kriegerbereins ergeht ein 
Aufruf an die pfälzischen Kameraden, sowie an die Bewohner der 
Pfalz, innerhalb der einzelnen Vereine bez. Ortschaften Samm. 
ungen zur Errichtung eines Denkmals auf dem Schlachtfelde 
von Wörth für die dort gefallenen Bayern vorzunehmen. Von 
der kgl. Regierung wurde, nach der „N. Zig.“ die Erlaubniß zur 
Veranstaltung dieser Sammlungen bereits ertheilt. 
FIn Kaiserslautern ist in einem Stalle die Maul— 
und Klauenseuche, eine sehr ansteckende, auch durch Menschen über— 
rragbare Krankheit, aufgetreten. 
F Der diesjährige Fastenhirtenbrief des Herrn Bischofes in 
A —— 
amkeit der Gläubigen darauf, daß mitten in der christlichen Welt 
ein neues Heidenthum emporwächst mit seinen Lastern und grauen— 
jaften Zügen. Dem könne nur entgegengewirkt werden, wenn der 
ortschreitende Niedergang des christlichen Familienlebens aufgehalten 
vird. Die Ursachen des Niedergangs findet der Oberhirte in der 
nuflösenden Zeitrichtung, besonders aber in dem Mangel höheren 
Ernstes beim Eintritt in die Ehe. Die Hausväter und Hausmütter 
verden aufgefordert, die höhere Würde zu erfassen, mit welcher 
hre ganze Stellung von der Religion umgeben ist. Familien, in 
denen christliche Sitie und Zucht herrsche, seien der Schutzdamm 
moran die Fluthen des Umsturzes sich brechen. 
F In Saarlouis hat ein von der dortigen Karnevals⸗ 
zesellschaft veranstaltete Massskenzug einen traurigen Abschluß 
zefunden. Einer der Wagen überfuhr ein Kind, das, wie die 
„Saar⸗Ztg.“ meldet, während der folgenden Nacht seinen Ver— 
letzungen erlag. 
F In Saargemünd erschoß sich in der neuen Kaserne 
ein Unteroffizier des 5. bayer. Chevaulegers-Regiments. Derfelbe, 
ein geborener Preuße, hatte den Feldzug von 1870 - 1871 mit⸗ 
jemacht und war vor mehreren Jahren als Kapvitulant in das 
Regiment übergetreten. 
Der Handelsgärtner E. Buchner in München, in 
weiteren Kreisen durch seine Reise in den Tropenländern bekannt, 
hat vor mehreren Wochen bei Erkrankung an Diphterie an sich 
jelbst und später mit Genehmigung des behandelnden Arztes auch 
hei erkrankten Familienmitgliedern den Versuch gemacht, diese Krank— 
heit mit Bucalyptus globulus (blauer Gummibaum) zu bekämpfen, 
und es ist ihm dieser Versuch auch vollständig gelungen. Die 
Blätter dieses Baumes wurden je nach dem Bedarfsfall leichter 
oder stärker eingekocht und damit inhalirt und gegurgelt. Der Ge— 
hrauch dieses Decotums fand jeweils schon bei beginnender Diph— 
therie statt. E. Buchner hat die Resultate seines Versuches dem 
Großherzog von Hessen, dessen Tochter bekanntlich von dieser schreck- 
lichen Krankheit im zartesten Alter dahingerafft wurde, unterbreitet 
uind dieser Tage ein äußerst schmeichelhaftes Schreiben aus dem 
dortigen Kabinet erhalten. Auch hat derselbe die Äbsicht, seine Er— 
'ahrungen der Königin von England und der Kronprinzessin von 
Preußen mitzutheilen, welche einen Preis für die Auffindung eines 
diese Krankheit erfolgreich bekämpfenden Mittels ausgesetzt haben. 
ẽEs wird an den Männern der ärztlichen Wissenschaft sein, die 
Bedeutung dieses Heilmittels zu würdigen. 
In München ist Emil Stöhr, Mitglied der provisorischen 
Regierung der Rheinpfalz im Jahr 1849, plötzlich in Folge eines 
dirnschlages im 61. Lebensjahr gestorben. Vormals kgl. Salinen⸗ 
»eamter in Dürkheim a. d. H., wurde er 1849 in die provisorische 
Regierung berufen; nach Niederwerfung der Bewegung zu lang⸗ 
ähriger Zuchthausstrafe verurtheilt, wanderte er in das Exil und 
var längere Jahre Direktor von Schwefelbergwerken in Sicilien. 
Die letzten Lebensjahre verbrachte er in München, in seinem Fach 
eifrig beschäftigt, wie auch bis zu seinem Tod politisch thätig füt 
die Ziele der Demokratie. 
— Ein entsetzlicher Unglücksfall hat sich dem „Rosenh. Anz.“ 
zufolge, in Laufen (Oberbayern) ereignet. Vor einigen Tagen, 
Abends, fand man nämlich im Lokale der dortigen Grenzwache die 
heiden Grenzaufseher Böll aus Klingen in der Rheinpfalz und 
dappach aus Landshut erschossen vor. Wahrscheinlich liegt unvor⸗ 
ichtige Handhabung des Revolbvers vor. Böll hat einen Schuß 
urch die Schläfe, Happach mitten durch die Brust und bei letzterem 
ag auch der Revolver. Es ist anzunehmen, daß Happach den 
Revolver auf Böll richtete und als dieser tödtlich getroffen nieder⸗ 
'ank, sich selbst entleibte. Immerhin wäre es auch möglich, daß 
in Tags zuvor zwischen den beiden Kollegen stattgehabter Wort- 
vechsel das Motiv der That gewesen wäre. Das Verhältniß der 
Beiden zu einander wird übrigens als ein freundschaftliches bezeichnet. 
Böll war vollständig angekleidet und sollte um 5 Uhr Abends in 
Dienst gehen. Untersuchung wurde sofort eingeleitet. 
x Eine komische Geschichte, schreibt man aus Sang er—⸗ 
hausen, ist kürzlich in einem nahen Dorfe passirt. Der Sohn 
eines Vollbauern, sog. Vierspänners, ist im Begriff, die Tochter 
ines Einwohners zu freien. Wird auch die ägentliche Hochzeit 
im Hause der Braut abgehalten, so bringt es doch die Sitte mil 
ich, daß auch im Hause der Bräutigams besonders reichlich Kuchen