Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler AAnzeiger. 
er Et. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöͤchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
age) erscheint wöchentlich viermal? Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierieljahrlich 
Zao0 Z einschließlich Trägerlohn; durch die Vost bezogen 1 4 60 H, einschließlich 40 H Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 ⸗, von Auswaͤrts 
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder deren Raum, Neclamen mit 30 vro Zeile berechnet. 
— 
Samstag, den 12. März 
1881. 
Deutsches Reich. 
Ueber die Sitzung der bayerischen Abgeordnetenkammer 
om 8. März, in welcher der Gesetzentwurf über die Wahlreform 
r Annahme gelangte, schreibt ein Korrespondent des „Pf. K.“: 
die heutige Sihung der Abgeordnetenkammer war eine hoch bedeut⸗ 
me, nicht blos um deswillen, weil in ihr die durch 11 Jahre 
ndurchgeschleppten Verhandlungen über die Reform unseres Land⸗ 
agswahlgesetzes endlich zu einem, zwar nicht großen, immerhin aber 
och anerkennenswerthen Ergebniß geführt haben, auf welches man 
or noch nicht langer Zeit kaum mehr zu hoffen wagte; sondern 
uch um deßwillen, weil dieses Ergebniß gewissermaßen als das 
este greifbare Symptom gelten kann, daß der eben so lang oder 
igentlich noch etwas länger dauernde Kampf der „Patrioten“ gegen 
ie Regierung abgeschlossen ist. In der heutigen Sitzung haben 
ir aus dem Munde der Abgg. Rittler und Jorg die sozusagen 
stzielle Auseinandersetzung zwischen der kleinen Anzahl der 
Fetremen“, welche jenen Kampf fortsetzen wollen, und dem Gros 
t Patrioten“, weiches die prinzipielle Opposition aufgibt, ver⸗ 
ominen. Mit Recht betonte Abg. Jörg, daß diese prinzipielle 
ppofltion, welche die „Patrioten“ eine Zeit lang durchzuführen 
ersuchten, mit der sie aber bekanntlich kein Glück hatten, nur dazu 
ente/ eine bedauerliche Erbitterung zwischen der Rechten und der 
inten der Kammer zu erzeugen, durch welche derselben die Mög— 
chkeit furchtbarer Arbeit vielfach beeinträchtigt wurde. Seien wir 
vh, daß die große Mehrzahl der „Patrioten“ endlich zu der Ein⸗ 
chi gekommen ist, es konne auf diesem Weg ohne den größten 
-chaden für das Land nicht mehr fortgehen. Der Linken wird 
amit speziell noch ein Stein vom Herzen genommen; sie war 
nurch die prinzipielle Opposition der Rechten gar manchmal in die 
zwangslage gebracht worden, dem Ministerium, auch wo es ihr 
igentuͤch nicht darum zu thun war, sekundiren zu müssen, um nur 
acht den gemeinsamen Gegner triumphiren zu lassen. Sie wird 
ünftig ihr Ermessen freier walten lassen können. 
Berlin, 8. März. Der Reichskanzler ist thatsächlich un— 
zäßlich und erkültet und wird auch morgen dem Reichstag fern 
leiben. Die Unterhaltung bei einem heute von dem Reichskanzler 
eranstalteten parlamentarischen Diner war ganz unpolitisch. 
x Eine neue Aeußerung des Grafen Mol tke über die Noth⸗ 
dendigkeit der Kriege. Aus Paris wird gemeldet, daß die dorti⸗ 
igen Blätter ein Schreiben des Grafen Moltke an den in Nizza 
cbenden Russen Gobarow, Komitémitglied des Vereins für Reform 
ind Kodifikation des internationalen Rechts, veröffentlichen. Der 
Feldmarschall halt in diesem Schreiben die in dem bekannten Briefe 
n den Geh. Rath Bluntschli bereits ausgesprochenen Ansichten über 
ie Nothwendigkeit und Ünvermeidlichkeit der Kriege vollkommen 
iufrecht. Der Krieg — so führt Graf Moltke aus — sei ein ge— 
vochtes, ja oft das einzige Mittel, das Wohl, die Unabhängigkeit 
ind die Ehre eines Landes zu sichern. Der Fortschritt der Kultur 
zune die Unwendung, dieses Mittels seltener, aber wohl nie ganz 
nibehrlich machen. Das Leben der Völker sei, wie das der ein⸗ 
elnen Menichen, ein immerwährender Kampf. Ein von den Par—⸗ 
amenten gewählter internationaler Gerichtshof würde auch nicht 
nehr ausrichten, als die Weisheit der Kabinete; Kabinetskriege seien 
hhnehin in unserem Jahrhundert ausgeschlossen. Heutzutage drohe 
deit mehr Gefahr von den Völkern selbst und von deren Leiden⸗ 
haften; Aufgabe der Regierungen sei es, diese Leidenschaften zu 
uͤgeln und auf diese Weise leichtfertige Kriege zu vermeiden. Von 
olcher Kriegslust sei die deutsche Nanion gluͤcklicherweise frei; die 
heschichte unseres Jahrhunderts lehre, daß Deutschland niemals aus 
rivolen Gründen den Krieg erklärt habe. Nachdem es seine Ein— 
jeit erkämpft, habe es seinen Zwecd erreicht; es habe kein Bedürf— 
iß nach neuen Kriegsabenteuern, wenn es auch immer zur Ver⸗ 
heidigung bereit stehen werde. Graf Moltke schließt mit dem 
Wunsche, daß Deutschland nie in die Nothwendigkeit versetzt werden 
adge, von dieser Kriegsbereitschaft Gebrauch zu machen. 
Wyrenher Verkaͤuuf der Hawaii⸗Inseln an 
Deutschland.) In der zu Singapore erscheinenden „The 
Ztraits Times“ vom 31. Januar findet die „Fr. Ztg.“ nach— 
lehende Notiz: „Ein Agent des Koͤnigs Kalakana befindet sich 
rugenblicklich in Berlin, um mit der deutschen Regierung die Be⸗ 
— FF 
st eine bekannte Thatsache, daß Deutschlaud vor allen Dingen 
dolonien zu erhalten wünscht. Es hat mit Samoa und auch mit 
Zawaii einen Vertrag, seinen Handel mit jenen Inseln blüht und 
eine Burger werden von den Behörden der Inseln mit Gunst be⸗ 
andelt. Fürst Bismarck soll lebhaft wünschen, den vorgeschlagenen 
handel abzuschließen und er wird darin sicher von der Hofpartei, 
in deren Spihe (1) Prinz Heinrich, der zukünftige Oberbefehls— 
aber der deuischen Flotte steht, unterstützt werden. Widerstand 
vird wahrscheiniich von den deutschen Liberalen kommen und von 
zen rivalisikenden Nationen, insbesondere von den Verei— 
igten Staaten, welche ebenfalls Verträge mit den Inseln abge⸗ 
Hlossen haben und deren Bürger dort sehr zahlreich sind.“ Die 
Fr. Zig.“ bemerkt dazu: Wir geben die Notiz so, wie wir sie in 
‚em genannten Blatte finden, meinen aber, wenn die Sache auf 
Wahcheit beruht, so sollten wir darüber doch eher von Berlin als 
jon Singapore her unterrichtet werden. 
Ausland. 
Laut einer Wiener Depesche des „Temps“ beantragt Deuisch- 
and bei der Pforte, an Griechenland Kreta statt Epirus abzuge⸗ 
en. Dieser Vorschkag wird jetzt von den Mächten berathen. 
Wenn die Verhandlungen zum Ziele führen, so werden die 
Mächte durch einen internationalen Alt die Beschlüsse der Verliner 
Fonferenz aufheben. 
Paris, 8. März. Das „Journal offiziel“ publizirt das 
Dekret, welches die Emission einer Milliarde 8-proc. amortisirbarer 
fente zum Cours von 83,25 auf den 17. März festsetzt. Es 
ollen dadurch die von der Kammer bewilligten Mittel für große 
Bauten ꝛc. beschafft werden. 
Paris, 8. März. Der Kriegsminister wird, der „K. Z.“ 
ufolge, bereits in nächster Zeit die Rundreise durch die Befestig— 
ingen des östlichen Frankreichs antreten. Es handelt sich jetzt zu⸗ 
nörderst um die Schleifung einer Anzahl von Forts um Mezieres 
ind um den Bau verschiedener Forts um Charleville, da aus 
x5harlebille ein verschanztes Lager zum Schutz der Maas gemacht 
verden soll. Charleville liegt im Arrondissement Mezidres am 
inken Ufer der Maas und ist eine Stadt von 12,000 Einwohnern. 
Dublin, 9. März. Zwei weitere Mitglieder der Landliga 
vurden verhaftet, darunter ist der Hauptorganisator der Liga 
Nichael Boylon, welcher Namens der amerikanischen Republik gegen 
ie Verhaftung protestirte. 
Nach der , Nordd. Allg. Ztg.“ schweben in Konstantino⸗ 
pel Verhandlungen, um den Levantischen Handel, der seinen Weg 
iach Rußland über die Ostseehäfen nimmt, von diesem Wege ab— 
ulenken und den südrussischen Eisenbahnen zuzuführen. 
Die Nachrichten über die orientalische Frage lauten in 
zen letzten Tagen ungünstig. Die sechs Botschafter in Konstan⸗ 
inopel sollen nicht einmal unter fich einig sein über das, was sie 
ordern wollen. Die türkischen Staatsmänner sollen drei verschie— 
zene Grenzlinien ausgearbeitet haben, zwischen denen Sultan Abdul 
Zamid schwankt. Die Türken suchen nach gewohnter Weise Zeit 
u gewinnen und die Ernennung zweier besonderer Kommissare für 
die Grenzangelegenheit wird in diesem Sinne gedeutet. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 9. März. In heutiger Schöffengerichts- 
itzung wurden verurtheilt: Ein Bursche von Obermohr und ein 
Mann von Spiesen, beide wegen Hausirens ohne Legimationsschein 
ind Besteuerungsnachweis, jeder zu 18 Mk. Geldstrafe; ein Frauen⸗ 
immer von Rohrbach, wegen Beleidigung angeklagt, wurde als 
nicht genügend überführt, freigesprochen und ein Mann von Hecken⸗ 
zalheim wegen Diensibeleidigüung unter Annahme mildernder Um⸗— 
tände zu 5 Mtk. Geldstrafe. 
Dem von dem Vorschußvereine Zweibrücken ausge⸗ 
jebenen Geschaͤftsberichte pro 1880 entnehmen wir, daß dieser 
Ferein am 1. Januar 341 Mitglieder zählte (7 traten im Laufe 
es vorigen Jahres aus, der Zugang betrug 11). Der Gesammi⸗ 
imnschlag pro 1880 betrug M. 9,348.497. 84 (gegen 8,919.,991. 31