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M 47.
Dienstag, den 22. März
1881.
Zum Geburtstage des Kaisers.*)
Es ist eine seltene Gunst des Schicksals für das neue deutsche
Keich, daß der erste Herrscher, unter dem es seine Geburt feierte und
nach den fetten Jahren auch sieben recht magere Unglücksjahre zu
urchleben hat, ein gottbegnadetes Greisenalter erreicht. So hat
ich das deutsche Volk in seinem Glück wie in den Tagen bitterer
Trübsal daran gewöhnt, nach oben, nach seinem Kaiser zu schauen,
zen es wie seinen Vater verehrt, und seit vielen Jahren ist es
as Geburtsfest des siegreichen Hohenzollern, an welchem die dauern⸗
den Gefühle der Volksliebe und Treue naturgemäß zu lauter Aeußer⸗
uing drängen. Da tönt in der Hütte bis zum Palast ein aufrich⸗
iges Gebet für den Kaiser zum Himmel empor; da quillen aus
zerufener und unberufener Dichter⸗ und Sängerbrust freudige und
chöne Lieder hervor; da klingen im ganzen Vaterlande in festlichen
creisen die Gläser zusammen; die Höchstgestellten, wie die Besten
er Nation feiern mit begeisterter Rede des Kaisers arbeitsvollen,
hren⸗ und freudenreichen, aber auch oft schwergeprüften Lebens—
auf, und all der Jubel und die Lust eines liebenden Volkes macht
ich in dem donnernden Rufe Luft: Ein Hoch dem Kaiser und dem
heldengreise! Gott schütze und erhalte ihn noch lange Jahre dem
eutschen Vaterlande und dem deutschen Volke!
Es wirken viele Umstände zusammen, welche diesen Aeußer⸗
ingen der Volksseele nicht nur einen weihevollen Charakter, sondern
ine so tiefinnerliche Aufrichtigkeit, eine wahre Herzensfreudigkeit
erleihen. So lange es civilisirte Völker gab, war die Ehrfurcht
»or dem hohen Alter eine edle Tugend. Kaiser Wilhelm hai das
Alter, welches der Psalmist für das Menschenleben mit den herr⸗
ichen Worten bezeichnete „und wenn es hoch kommt, währt es
ichtzig Jahre“ — längst überschritten. Geprüft durch harte Schick⸗
alsfügungen steht der Kaiser dennoch vor unseren Augen mit hoher
ingebeugter Gestalt und seltener Frische des Körpers und Geistes,
nit einem Antlitz, aus dem trotz aller bitteren Erfahrungen die
tiebe zu seinem Volke, die Milde und die Leutseligkeit spricht. Sein
derz ist offen und seine Hand freigebig, wo es Noih zu lindern
iilt, es lebt und webt bis zu seinem letzten Athemzuge mit seinem
dolke und für sein Volk.
Die irenische Weisheit des Alters läßt den Kaiser oft das
tichtige treffen, wo eine Nation in ihrem Urtheil schwankt. Seine
Vorte tragen ein helles und klares Gepräge und oft schon war
ein Wort, geredet zu seiner Zeit, gleich goldenen Aepfeln in filbernen
zchalen. Man ist versucht, gerade darin, daß dem ersten deutschen
daiser an seinem Lebensabend von einer harien, materiell und gei—
tig bedrängten Zeit das entscheidende Wort in einer zu gleicher
jeit machtvoll ihrer Lösung entgegendrängenden Fülle von Zeit⸗
zagen zugeschoben wird, sichtbar das gütige Walten einer weisen
horsehung zu erkennen.
Auch seine „Zeit ist in Unruhe“. Gewaltiger als zu den
zeiten des großen Kurfürsten und des großen Friedrich ist die Lösung
er politischen Zeitfragen an den Kaiser Wilhelm, den die Rach—
oelt den Großen und allzeit Siegreichen nennen kann, herange⸗
ceten. Auf blutig gedüngtem Saatfelde ist der Frieden und mit
jm das deutsche Kaiserthum erblüht. Berlin ist zum Centrum
er europaischen Politik geworden, das deutsche Reich ist zur Macht,
ein Volk ist zur Nation geworden. Unter der festen politischen
ührung Kaiser Wilhelm's hat sich das Reich consolidirt, welches
eute trotz aller großen schwebenden Fragen nur noch den Ausbau
eines stolzen Gebäudes zu besorgen hat. Aber neue und große
lufgaben sind ihm vorbehalten und wenn unsere Hoffnungen auf
ie Zukunft nicht gesunken, wenn die Sittlichkeit des Volkes nicht
järtere Einbußen erlitten, wenn die ehrliche Arbeit, wenn auch hart
jebeugt, wieder emporstrebt und das deutsche Volk seinen Muth
nicht verloren hat, so ist das Alles in hohem Maße dem edlen
Beispiel zu danken', welches in jeder Beziehung der Kaiser seinem
dolke gegeben hat.
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eine greise und dabei fast jugendfrische Arbeitskraft nicht erlahmen,
Witlhelm J. deuischer Kaiser und König von Preußen, ist geboren am
Närtz 1797.
'd lange wir ihn weiterwirken sehen in steter Lust und Opferfreu
aigkeit, in wahrhaft rastloser Thätigkeit, so lange kann das deutsch
Lolk sich selbst und seinen hohen Zielen als Nation treu bleiben.
Es blickt empor zu seinem Kaiser wie zu einem Leitstern, der es
nie getäuscht. Und in diesem felsenfesten Vertrauen, in seiner un—
rschůtterlichen Treue liegt der Schlüssel zu der Liebe seines Kaisers
ind zu der hohen Freude, mit der es alljährlich die Feier seines
Beburtstages ale isch einem Volksfeéste begeht!
eeutsches Reich.
Die Verm̃ehrung der bayer. Armee um ein Infanterie⸗
segiment und vier Batterieen macht für den Friedenssiand die
hermehrung der Zahl der Offiziere um 70 bis 80 erforderlich.
Durch die am 19. März publizirte kgl. Entschließung wurden aber
2 Portepeefähnriche zu Sekondelieutenants befördert, so daß eine
zrößere Anzahl Offiziersstellen vorerst noch unbesetzt bleibt.
In Berliner Regierungskreisen und am Hofe ist man voll
Zuversicht, daß Rußland an dem Verhältniß zu Preußen und
Ddeutschland Nichts ändern wolle.
Dem Bundesrath liegt außer der dem Reichstag bereits
zugegangenen Novelle noch ein zweiter Abänderungsantrag zur Ge—
verbeordnung vor. Zu dem letzteren hat die sächsische Regierung
inen Zusatz beantragt, der die obligatorische Einführung von
Arbeitsbüchern für alle gewerblichen Arbeiter bezweckt. Bekanntlich
sat schon die Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878
ie Arbeitsbücher für Personen unter 21 Jahren angeordnet; es ist
ber seither vielfach die Forderung erhoben worden, diese Ver⸗
flichtung auch auf ältere Arbeiter auszudehnen. So wurde u. A.
eulich in der württembergischen Kammer gelegentlich einer Ver⸗—
andlung über das zunehmende Vagabundenwesen darauf hinge—
oiesen, daß mangels irgend welcher Arbeitsnachweisungen wirkliche
HZagabunden von Arbeitsuchenden gar nicht zu unterscheiden seien.
lehnlichen Erwägungen mag jetzt der sachsische Antrag entspringen.
Dem Reichstag sind jetzt die Gesetzentwürfe uͤber die Brau—
teuer (geht Bayern nicht an), uͤber die Wehrsteuer und über Reichs—
Stempelabgaben zugegangen, dazu eine Denkschrift, in welcher aus
inander gesetzt wird, daß man darauf denken müsse, die wachsen⸗
)en Bedürfnisse des Reiches und der Einzelstaaten lieber durch in—
irekte Abgaben zu befriedigen, als durch Vermehrung der direkten
Zteuern, und das vor allem schon aus dem Grund, well ein stärkeres
Anspannen der direkten Steuern in den meisten Staaten unmög—
ich sei.
Mit ungetheilter Befriedigung wird man überall, wo Deutsche
vohnen, begrüßen, wie unsere Flotte neuerdings an einer fernen
Züste gezeigt hat, daß ungestraft deutsches Eigenthum nirgends
nehr in der Welt angetastet werden darf. Die Zeiten sind vorüber,
vo die deutsche Flotte für eine Piratenflotte erklärt wurde und
Deutschland selbst so wenig Sorge zeigte, seine Unterthanen in der
Fremde zu schützen, daß es seine Flotte, wenigstens die bescheidenen
Anfänge dazu an den Meistbietenden öffentlich versteigein ließ.
Wie offiziel bekannt gegeben wurde, hat das deutsche Schiff Victoria
das Seeräubernest Liberia an der westafrikanischen Küste, dessen
Bewohner ein dort gestrandetes deutsches Schiff geplündert hatten,
erstört, neun Geiseln an Bord genommen und die liberische
Kegierung veranlaßt, in 3 Monaten 2000, in einem halben Jahte
3400 Dollars zu bezahlen.
Ausland.
In Frankreich spitzt sich der Gegensatz zwischen Gambetta
ind dem Präsidenten Grevy immer mehr zu. Eine Ministerkrisis
st zwar nicht erklärt, Jedermann aber fühlt ihr Herankommen.
Vermischtes.
* Sit. Ingbert. Am letzten Samstag Abend wurde von
derrn Professor Luremburger in Zweibruͤcken als Prüfungs-
ommissär im Beisein des kgl. Bezirksamtmannes Herrn Dr. Schla g⸗
nweit die Prüfung in der gewerblichen Fortbildungsschule dahier
bgehalten. Das Resultat derselben war ein recht befriedigendes.
Die gewerbliche Fortbildungsschule wird gegenwärtig in zwei Cursen
von 127 Schülern besucht. Der untere Cours zaͤhlt 62 und der
bere 65 Schüler. Von diesen nahmen an dem Unterrichte in der
rachabtheilung 23 theil.)
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