Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 52. Donnerstag, den 31. März 1881. 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) Die Verlängerung des gegen⸗ 
wärtigen Landtages jedenfalls bis 80. April, möglicherweise aber 
noch darüber hinaus, ist nunmehr, da es unmöglich erscheint, daß 
bis 9. April die noch zu erledigenden Geschäfte beendet sein werden, 
außer Zweifel. 
Der Kulturkampf in Preußen scheint mit raschen Schritten 
einem Ende entgegen zugehen. So hat nun auch das bischöfliche 
Domcapitel zu Trier in der Person des Generalvicars Lorenzi 
einen Capitularvicar gewählt. 
Das Innungsgesezz ist bekanntlich vom Reichstage 
un eine Kommission verwiesen worden. Welcher Art ihre Ent— 
scheidung sein wird, ist nach dem Votum, welches eben derselbe 
steichstag am 5. Mai 1880 abgegeben hat, kaum zweifelhaft; 
zamals bereits einigte sich die Majorität der Konservativen und 
der Klerikalen zu der Resolution, nach welcher nur Innungsmeistern 
das Halten von Lehrlingen erlaubt sein solle und der Gesetzentwurf 
zer Reichsregierung ist nur die legislative Konsequenz hiervon. 
In einem Punkte geht derselbe noch allerdings über den Inhalt 
—F Resolution hinaus; das ist in der Bestimmung, daß besonders 
ewährten Innungen, — über die Bewährung entscheidet die zu— 
tändige Behörde, — das Recht gegeben werden soll, durch ihr Schieds⸗ 
gericht auch über Streitigkeiten von Innungsmeistern mit Nicht- 
Innungsmeistern zu entscheiden. 
Der deutsche Kronprinz wurde am Mittwoch aus 
Petersburg zurückerwartet. Alle Nachrichten, die von Petersburg 
m kaiserlichen und kronprinzlichen Palais eingetroffen sind, lauten 
sehr befriedigend. Es hat sich, so schreibt die „Köln. Ztg.“, 
wischen dem Kaiser Alexander III. und dem deutschen Kronprinzen 
eine erfreuliche Uebereinstimmung der Ansichten ergeben. Beide 
ind ernste, ruhige, wohlgesinnte Männer, welche auch an Jahren 
nicht allzu weit auseinander stehen. Schon jetzt ist in Berlin alle 
Besorgniß geschwunden, daß sich Alexander III. den Panslawisten 
n die Arme werfen und eine abenteuerliche, Europa beunruhigende 
Politik befolgen könnte. Kaiser Wilhelm spricht von seinem Groß— 
neffen in den Ausdrücken einer aufrichtigen großen Freundschaft 
und Achtung. 
Ausland. 
Bezüglich des griechisch-türkischen Grenzstreites wird jetzt aus 
Wien gemeldet, daß eine Einigung über die Grenzberichtigung 
unter ⁊den Botschaftern in Konstantinopel erzielkl worden sei und 
die Türkei ihre Zustimmung dazu ertheilt habe. Ta voraussichtlich 
ämmtliche Mächte dem Vorschlage zustimmen werden, so ist eine 
Zurückweisung von Seiten Griechenlands unwahrscheinlich. 
Der schweizerische Bundesrath hat eine Untersuchung 
wegen der Genfer Nihilisten und ihres Treibens angeordnet. 
Während seines Aufenthaltes in Petersburg empfing der 
deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm eine Deputation von Deutschen 
zus Moskau und sagte Folgendes: „Ich hätte freilich gewünscht, 
daß die Veranlassung meiner Reise eine fröhlichere gewesen wäre, 
ils dem armen Kaiser die letzte Ehse zu erweisen. Sie können 
Sich wohl denken, welchen Eindruck das Verbrechen auf meinen 
bater und mich hervorgerufen; aber ich gestehe, es war mir sehr 
ieb, daß mein Vater mich hierher geschickt hat. Ich habe persön⸗ 
ich stets die intimsten Beziehungen zu dem jetzigen Kaiser unter— 
jalten; nun aber können Sie Ihren Landsleuten in Moskau sagen, 
daß die alten freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen beiden 
Staaten zur Tradition geworden, fernerhin fortbestehen und die 
Freundschaft der heutigen Generation eben so dauerhaft sein wird, 
vie die der alten; und diese Freundschaft ist nicht blos für beide 
Nachbarstaaten, sondern für den Frieden von ganz Europa wichtig!“ 
Die Tragik der Petersburger Katastrophe wird noch 
dadurch erhöht, daß Czar Alexander II., wie jetzt bestätigt wird, 
wirklich kurz vor seinem Tode den ersten Schritt zu der von seinen 
Moͤrdern angestrebten inneren Reform sanctionirt hatte. Er unter⸗ 
eichnete fünf Stunden vor seinem Tode den Ukas, durch welchen 
deputirte der Kreisversammlungen nach Petersburg berufen werden 
ollen, um über Reformvorschläge der Regierung, die innere Ver⸗ 
valtung des Reiches betreffend. zu berathen. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert. Am Dienstag Nachmittag gegen 28 
Uhr wurden wir hier von einem Gewitter überrascht. 
*— Die Zunahme der Bevölkerung unserer Stadt hat eine 
Ueberfüllung der Volksschulen, zunächst der unteren Klassen derselben, 
zur Folge. Um derselben in den unteren kath. Knabenklassen ab⸗ 
zuhelfen, soll nun demnächst eine neue kath. Knabenschule (die achte) 
errichtet werden. 
*— In Folge der Erkrankung des kgl. Oberamätsrichters 
Herrn König dahier wurde Herr Amtsanwalt Zahm in Lud⸗ 
wigshafen zum Amisrichter außer Status bei dem hiesigen kgl. 
Amtsgerichte ernannt. 
FWie Bayern durch sein Branntweinsteuergesetz sich den 
bezüglichen Bestimmungen der Branntweinsteuer⸗-Gemeinschafi ge— 
nähert hat, so verfolgt der gegenwärtig dem Reichstag vorliegende 
Brausteuer-Gesetzentwurf die Absicht, sich mit dem 
hayerischen Malzaufschlaggesetz nach Thunlichkeit in Uebereinstimm⸗ 
ung zu setzen. Von dem gleichen Steuersatz ist zwar zunächst noch 
Abstand genommen, da nur 4 M. vom Hektoliter ungebrochenen 
Malzes erhoben werden sollen. Dagegen werden unsere Brauer 
nit Genugthuung vernehmen, daß die nach dem gegenwärtig giltigen 
Besetz in der Brausteuergemeinschaft zulässige Verwendung von 
Surrogaten fernerhin nicht mehr gestattet werden soll. 
Die Aneignung von Fallwild in einem fremden Jagdrevier 
st nach einem Urtheil des Reichsgerichts als unberechtigte Jagd⸗ 
ausübung nach 8 292 des Strafgesetzbuchs zu bestrafen. 
F In Blieskastel haben Handwerker nach dem Vorgange 
Zpeyers gleichfalls eine Petition an den Reichstag um Einführ—⸗ 
aung von Zwangsinnungen gerichtet und einen Verein zum Schutze 
des Handwerks gegründet. 
Das diesjährige Musterungsgeschäft für das Be— 
zirksamt Zweibrücken findet in nachstehender Weise in 
Zzweibrücken statt: am 11., 12., 13., 19. und 20. April 
Musterung, am 21. April Verbescheidung der Reklamationsgesuche, 
am 22. April Loosung. — Es wird nicht überflüssig sein, noch 
darauf aufmerksam zu machen, daß nach den neu erschienenen 
Ergänzungen des Reichs-Militär-Gesetzes die Landwehrleute nicht 
bei den Herbst⸗, sondern schon bei den Frühiahrs-Kontrolversamm⸗ 
lungen zu erscheinen haben. 
F Der Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Kaisers⸗ 
lautern-Kirchheimbolanden, Frhr. v. Stauffenberg, 
vird nächstens nach Kaiserslautern kommen und voraussichtlich am 
12. April seinen Wählern über seine bisherige Thätigkeit im bayer. 
Landtag Bericht erstatten. 
F Aus Kirchheimbolanden meldet die „Pf. Pr.“: 
Herr Einnehmer Sattler dahier und sein Zwillingsbruder Herr 
Fohann Adam Sattler, kgl. Steuer⸗ und Gemeinde-Einnehmer zu 
Bergzabern feierten am 25. März ihren 81. Geburtstag. Beide 
sind dekorirt mit der goldenen Ehrenmünze des k. Ludwigsordens 
für ehrenvolle 50 Dienftjahre und dürften solche Fälle zu den 
seltenen gehören, daß zwei Zwillingsbrüder in gleicher Lebensstellung 
mit einander ein solches Alter erreichen. 
Die Gewerbebank Speyer hatte i. J. 1880 einen Ge⸗ 
'ammtumsatz von 18,397,300 M. bei einer Mitgliederzahl von 
1052. Die Stammantheile haben sich auf 310,100 M. erhöht. 
Die Depositengelder belaufen sich auf 722,226 M. Die Geschäfts- 
und Verwaltungskosten betragen 9513 M. 90 Pf. Aus dem er— 
zielten Reingewinn von 35,6547 M. beschloß die Generalversamm-⸗ 
lung eine Dividende von 9 pCt. zu geben (wie im verflossenen Jahr.) 
F Zu der am 28. März in Spey er begonnenen Prüfung 
ür den einjährig-freiwilligen Militärdienst haben sich 18 junge 
Leute eingefunden. Für den deutschen Aufsatz wurden ihnen fol— 
gende drei Themata gestellt: 1. Welche Wechselbeziehungen bestehen 
‚wischen Arbeit und Vergnügen? 2. Welche Vorzüge bieten Fuß—⸗ 
reisen? 3. Begründung des Wortes: „Friede ernährt, Unfriede 
verzehrt“. 
F Das niederbaherische Schwurgericht hat in der 
gegenwärtigen Schwurgerichtssession bereits das fünfte Todesurtheil 
gefällt.