Hl. Ingberler Anzeiger.
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Samstag, den 2. April
1881.
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— —
Deutsches Neich.
In den nächsten Tagen werden folgende Veränderungen in
»en höheren bayerischen militärischen Kreisen ver öffentlicht werden:
general v. d. Tann tritt in den Ruhestand, die Führung des 1.
Urmeekorps übernimmt Kriegsminister v. Maillinger und an dessen
Ztelle tritt General v. Fries. Der Stadtkommandant von München
—
Iberst des Leibregiments v. Parseval wird Flügeladjutant des
dönigs und Prinz Arnulf übernimmt als Oberst das Leibregiment.
Die bayerische Abgeordnetenkammer nahm den Artikel 24
des Gewerbesteuergesetzes in der Ausschuß⸗Fassung mit geringen
Modifikationen an, wodurch das Zustandekommen des Gesetzes ge⸗
ichert ist. (Art. 24 handelt von den Fällen, in welchen irgend
in Geschäft wegen seines besonders ausgedehnten oder günstigen
Betriebes höher als nach den regelmäßigen Bestimmungen des
Tarifs eingesteuert werden kann.)
Der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm ist am 30. März
vohlbehalten aus Petersburg in Berlin wieder eingetroffen.
In Berliner politischen Kreisen gilt es als zweifellos, daß
nie Anwesenheit des Kronprinzen in Petersburg zu sehr wichtigen
»olitischen Abmachungen geführt habe, die sich keineswegs nur auf
die Asylfrage beschränken.
Die „National⸗Zeitung“ schreibt: „Zwischen den Cabineten
»on Berlin und Petersburg sind Erwägungen darüber im
Hange, ob und welche Schritte gegen die Nihilisten im Auslande
anternommen werden können. Diese Thatsachen halten wir für
eststehend. Es kann dieselbe zum Ausgangspunkte einer großen
europäischen Aktion und eines neuen Verhältnisses der Mächte zu
inander werden, es kann sich möglicherweise nur um Durchsetzung
einiger verstärkten Polizeimaßregeln handeln. Wir müssen abwarten,
wie sich die Sache auswächst. Zunächst halten wir es für wenig
glaublich, daß Deutschland über die Grenze der Mäßigung in seinen
nternationalen Beziehungen irgendwie hinausgehen wird.“
(Reichsstag.) Bei der Berathung der Denkschrift über die
Ausführung des Sozialistengesetzes erklärte am Schluß einer langen
Rede über die Gefahrlichkeit der sozialistischen Agitation, wie sie
aeuestens bei der Ermordung des Kaisers von Rußland und nach
dem Wiener Kongreß zu Tag getreten sei, Minister v. Puttkamer,
die preußische Regierung werde Anregung dazu geben, den sogen.
leinen Belagerungszustand auch auf Leipzing auszudehnen.
Der sichtlich wenig unternehmungslustige Reichstag kam
im 28. März an die erste Lesung der neuen Steuergesetze und der
ie begleitenden recht mittelmäßigen Denkschrift. Der Reichskanzler
ertheidigte seine Sache selbst und hielt, wie er erklärte, eine Rede
ür und an die Wähler draußen, um ihnen zu zeigen, was alles
erleichtert, beseitigt werden soll durch den Ertrag der neuen Steuern;
reilich kämen noch mehrere hinzu und werde er nicht müde werden,
eine Pläne dem nächsten, nöthigenfalls dem zweiten und dem
ritten Reichstag zur Annahme und Ausführung vorzulegen. An
Reichstagsauflösungen würde es da wohl nicht fehlen. Was mit
den hunderten neuer Millionen gemacht werden soll, wüßte man
also. Aber wie sollen wir sie aufbringen, wer soll sie zahlen?
Das mobile Kapital ist die Antwort. Wer sie zahlen soll, bleibt
rotzdem die Frage, und Abg. Lasker meinte, warum statt der Bier⸗
teuer⸗Verdoppelung nicht die Verstärkung der (norddeutschen) Brannt⸗
wveinsteuer und die schon vom Minister Camphausen gewollte
keichs⸗Erbschaftssteuer, welche z. B. in Preußen heute nur etwa
5,000,000 Mark jährlich einbringen? Und was die Hauptsache
väre, wozu denn neue Steuern auflegen, wenn man mit den
aufenden Einkünften mehr als gededt sei? Vom Sparen ist
dabei noch gar nicht die Rede. Mit neuen Steuern soll, so führte
Fürst Bismarck aus, dem armen Mann geholfen, sollen Alters⸗
ersorgungs⸗ und Invalididätskassen gegründet werden. Wo kämen
vir denn hin mit der Privatwohlthätigkeit und der Selbsthilfe,
zie in sittlicher Kraftbethätigung den Menschen aus dem sonst ent⸗
ttehenden eigenen Sumpf herausheben müssen? Offenbar sieht der
steichskanzler jetzt in jeder Wider- und Einrede Gegnerschaft und
Opposition, der er mit persönlichen Angriffen zu begegnen glaubt.
der Redner der Deutschkonservativen, v. Maltzahn, trat dem Kanzler
qI
bei, aber, wie man heraushörte, mit halbem Herzen, und Abg.
». Benda sagte namens der Nationalliberalen: die Wehrsteuer
vollen wir einstimmig nicht, die Brausteuer ohne Branntweinsteuer
uch nicht, und von der vorgeschlagenen Reichsstempelsteuer ver⸗
verfen wir die darin begriffene Quittungssteuer. Zu Reformen
vird dann freilich wenig Geld gemacht und — wenn das Zentrum
uicht „abmacht“ oder abgemacht hat, fallen, allem Anschein nach,
die drei Steuervorlagen wieder unter den Tisch. Hernach wird die
steichstagssession bald alle sein.
Die „Südd. Presse“ schreibt: „Auf große Schwierigkeiten
toßen Progressisten und Sezessionisten bei ihren Versuchen, die
getreideproduzenten glauben zu machen, daß „Bismarck fort“ müsse,
veil — er die Einführung von Getreidezöllen verschuldet!
—A
Bestrich wohl unterrichteter Mann, daß die dortigen Bauern hart⸗
äckig bei der Meinung bleiben, der Getreidezoll sei ihnen nicht
chädlich, denn er gewähre, wenn er ihnen auch nicht unter allen
donjunkturen den gehofften direkten Nutzen voll bringe, doch immer
ꝛen indirekten Vortheil, daß in die Reichskasse Geld fließt, das
wußerdem in anderer Weise zu beschaffen wäre. Die Westricher
Bauern vermögen daher nicht einzusehen, daß sie Ursache haben,
em Reichskanzler wegen seiner Rücksichtnahme auf den heimischen
Hetreidebau zu grollen und in den Reichstag einen Vertreter zu
nisenden, dessen Anschauungen zwar auch auf der Berliner Getreide—⸗
börse verdienten Beifall finden, mit den landwirthschaftlichen
Interessen aber schlecht harmoniren.“
Ausland.
Tie französische Regierung beräth jetzt Mitlel und Wege zu
sepressalien gegen die deutschen Versicherungsgesellschaften, welche
S„ukkursalen in Frankreich haben. Diese sollen, wofern die deutsche
segierung das Verbot gegen die französischen Versicherungsgesell⸗
chaften in Elsaß-Lothringen nicht zurücknimmt, verboten werden.
London, 31. März. Mo st wurde verhaftet, seine Druckerei
olizeilich geschlossen. Heute war sein erstes Verhör vor dem Poli—
eirichter. Die Anklage lautet auf Aufwiegelung der Bevölkerung
remder Staaten zur Empörung. Die hier wohnenden deutschen
Zocialdemokraten beabsichtigen, gegen Most's Verhaftung und gegen
zie Unterdrückung seiner Zeitung „Freiheit“ zu protestiren.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Konstantinopel:
die Botschafter unterzeichneten ein Protokoll, worin sie anerkennen,
»aß die von der Pforte vorgeschlagene Grenzlinie aufrichtiges Ver—
angen nach Frieden bekunde. Die Abtretung von Epirus sei faft
inmöglich. Die Botschafter rathen ihren Regierungen, die Annahme
ieser Linie Griechenland anzuempfehlen.
Vermischtes.
* St. Ingbert. Das Budget unserer Stadt für das Jahr
1881 beläuft sich in den Gesammteinnahmen auf 81,480 M., in
ven Gesammtausgaben auf 68,709 M. Ordentliche Einnahmen
ind es 63,909 M., ordentliche Ausgaben 63,902 M.
* Der im hohen Alter von 89 Jahren auf dem Ritters—
jo f verstorbene Gutsbesitzer Hr. Felix Ambroise Villeroy
var seiner Geburt nach Franzose. Als französischer Offizier kämpfte
r im Jahre 1812 unter Napoleon J. iu dem Feldzug gegen
stußland und 1813 bis 1814 in den deutschen Freiheitskriegen.
Ils Gutsbesitzer machte er sich durch seine Verdienste auf dem Ge—
ziete der Landwirthschaft, speziell um die Hebung der Pferdezucht,
nuch in weiteren Kreisen bekannt.
Zur Beerdigung des Hrn. Felix Ambr. Villeroy auf
stittershof bei Würzbach hatte nach der „Zw. 3.“ der Hr.
Regierungspräsident der Pfalz einen Vertreter abgeordnet, und
war in der Person des Sekretärs des landwirthsch. Kreiskomités,
Ir. v. Böcklin; derselbe überbrachte nach dem genannten Blatte
inen Lorbeerkranz, um ihn auf das Grab des um die Landwirth⸗
haft verdienten Entschlafenen niederzulegen.
F Die Mannheimer Pferdeloose sind im Preise gesunken,
»a ein „Landauer“ bereits nach „Bruchsal“ gekommen ist. Dieser
inmuthige Witz wurde auf der letzten Mannheimer Fruchtbörse
ausgeheckt. Bekanntlich ist ein Ladeninhaber, Namens Landauer,