St. Ingberler Anzeiger.
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Sonntag, den 3. April
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1881.
Deutsches Reich.
München, 1. April. Die Abgeordnetenkammer nahm heute
in der Schlußabstimmung das Gewerbesteuergesetz und den dazu ge⸗—
hörigen Tarif mit unwesentlichen Modifikationen nach den Ausschuͤß—
anträgen an mit 120 gegen 28 Stimmen.
Die „Südd. Presse.“ bemerkt anläßlich der Wehrsteuer⸗
Vorlage: „Kaum könnten wir uns eine gerechtere Steuer denten,
als die Wehrsteuer, welche unter billiger Berücksichtigung der Ver⸗
mögensverhältnisse jedes Einzelnen jene erwerbsfähigen Wehrpflich⸗
ligen treffen soll, die aus irgend einem Grunde zur Dienstleistung
im Heere nicht herangezogen werden. Und doch scheint es, daß
vom gegenwärtigen Reichstage eine Genehmigung der so wohl mo—
tivirten Wehrsteuer-Vorlage nicht zu erwarten uͤnd daß überhaupt
eine aus den verschiedenartigsten Elementen komponirie, dabei von
den widersprechendsten Erwaͤgungen geleitete Mehrheit entschlossen
ist, alle vom Reichskanzler vertrelenen wesentlichen Vorlagen abzu⸗
lehnen. Daß der Reichskanzler sich nicht geneigt zeigt, vor dieser
Mehrheit die Segel zu streichen, finden wir begreiflich. Er hat
eben nicht vergessen, daß er auch die Vorbereitungen zur Gründung
des deutschen Reiches dereinst nur im heftigen Kampfe gegen eine
Mehrheit durchführen konnte, und das deutsche Volk wird sich eines
Tages noch darauf besinnen, daß wir heute weder ein Reich, noch
zinen Reichsstag haben würden, wenn der Reichskanzler nicht zur
Zeit des preußischen Konfliktes den Muth gehabi hätte, gegen den
Willen der momentanen Mehrheit für des Vaterlandes Wohl zu
handeln. Der Reichskanzler hat am Montag deutlich angekündigt,
daß er von der schlecht informirten Volksbertretungsmehrheit nöthigen⸗
falls an das besser zu informirende Volk appelliten werde und wir
permuthen, daß der Appellant schließlich ein obsiegliches Urtheil
erwirken wird.“
Die Erhebung Rumäniens zum Königreiche wird in Berlin
durchaus günstig angesehen. Der Vorgang kam hier natürlich nicht
überraschend, und man wird nicht irren, wenn man annimmt, daß
bei der letzten Anwesenheit des Fürsten und jetzigen Königs Karl,
bei welcher bekanntlich die rumänische Erbfolgefrage geordnei wurde,
auch bereits diese Absicht zur Besprechung gelangte. Bezüglich der
Anerkennung des neuen Koͤnigreichs wird man Oesterreich den Vor⸗
tritt lassen.
Zönig Joseph in Spanien einsetzen und betheiligte sich bei der
Belagerung von Saragossa, wo er das berühmte „heldenhafte Mäd⸗
hen von Saragossa“ gesehen haben will. 1812 begab er sich nach
Rußland, wo er die Schlachten an der Beresina, bei Smolensk unb
uin der Moskwa mitmachte. Er sah den Brand Moskau's und
den traurigen Untergang der großen Armee und nur mit großer
Mühe gelang es ihm, aus Rußland zu entkommen, um in den
Schlachten bei Leipzig und Hanau zu fechten, worauf er nach
Frankreich zurückkehrte und im Jahre 1814, nach dem Frieden,
ntlafsen wurde. Mit ihm hat wohl der letzte der napoleonischen
Veteranen in unserer Gegend, vielleicht in der ganzen Pfalz, die
Finberufungsordre ins Jenseits erhalten.
F. Aus Zweibrüden, J. April berichtet die „Zw. Z.“:
Um 6 Uhr heute früh versammelte sich das 2. Jägerbataillon auf
dem Exerzirplatz, wo es Aufstellung nahm und dann abmarschirte.
Um Marktplatze wurde es von einer Anzahl Stadtrathsmitglieder,
Ir. Bürgermeister Märcker an der Spitze, zum offiziellen Abschied
»egrüßt. Hr. Märder überreichte dem Kommandeur Hrn. Oberst⸗
ieutenant v. Ziegler, Namens der Stadt einen Lorbeerkranz und
Blumensträuße mit folgenden Worten: Als vor zehn Jahren das
uhmbedeckte Jägerbataulon seinen Einzug in unsere Stadt hielt,
vurde demselben von uns in dankbarer Anerkennung seiner Tapfer⸗
eit ein Lorbeerkranz überreicht. Gestatten Sie mir, hochverehrter
Ir. Oberstlieutenant, Ihnen, dem Repräsentanten des scheidenden
Fägerbataillons, als Ausdruck unserer Verehrung als Anerkennung
ür die musterhafte Führung Ihrer Mannschaften, als sichtbaren
Beweis der Gesinnung unserer Bürgerschaft, die Sie nie vergessen
vird, diesen Kranz zu überreichen. Ihnen Allen rufe ich ein herz⸗
iches, tiefgefühltes Lebewohl zu! Sichtlich tiefbewegt dankte der
derr Kommandeur und umarmte den Herrn Bürgermeister. —
Unter den Klängen der Musik marschirte das Bataillon zum Bahn⸗
zof, wohin ihm ein beträchtlicher Theil der großen und kleinen
Bevölkerung unserer Stadt das Geleite gab. Punkl 7 10 setzte sich
her Zug, der das uns liebgewordene Bataillon nach Aschaffenburg
zu bringen bestimmt ist, in Bewegung. (Fuͤr das 2 Jägerbataillon
tommt bekanntlich ein Bataillon des neu gebildeten 18. Infanterie⸗
cegiments nach Zweibrücken in Garnison)
Der „Kais. Z.“ wird aus dem Lau terthale geschrie—
ꝛen: Vor einigen Tagen kam ein schlichter Bauersmann don der
Lauter nach dem Dorfe R. und verlangte vom Lehrer den Schlüssel
zur Kirche. Auf Befragen, was er damit wolle gab er die ge⸗
eimnißvolle Antwort, „daß sein 16jähriger Sohn an— Bettnässen
eide. Es sei ihm nun gerathen worden,Her solle in einer prote⸗
tantischen Kirche, in der 8 Glocken seien, von jedem Glockenseil ein
venig abschneiden, in einen Kuchen backen und dem Leidenden zu
ssen geben.“ Der Wunsch des Bauern wurde erfüllt — er schnitt
von jedem Glodenseil drei Fäden ab, wickelte sie ein und ging ver⸗
mügt von dannen. Hoffentlich blieb die Wirkung nicht? aus.
dieses Recept verschrieb jedenfalls ein sog. „Wunderdoctor“, die
eider in unserer Gegend ihr Geschäft in frivoler Weise betreiben.
Wann werden diese abergläubischen Kranken geheilt werden! Schon
Thristus machte die Blinden sehend und die Lahmen gehend, aber
nit den Dummen konnte er nichts anfangen.
Als Kuriosum verdient erwähnt zů werden, daß Herr Karl
damarche in Saarbrücken bereits am 30. März d. Is.
nn den Bienenständen auf seinem Weinberge zu Kleinblittersdorf
)en ersten Schwarm junger Bienen bekommen hat.
F Am Mittwoch ereignete sich in Saarbrüsccke n der trau—
iige Fall, daß ein 18jähriger Schulknabe einem ebenso alten Mit—
chüler ein Messer in die Vrust stieß, und denselben nicht unbe—
yenklich verletzte. Der gestochene Knabe hatte dem kleinen Unhold,
ine demselben am Morgen in der Schule gewordene kleine Züch⸗
igung vorgehalten, worüber der Junge so ergrimmte, daß er in
obenbeschriebener Weise Rache nahm.
In St. Avold wurden, wohl im Verfolg der wegen
des dortigen Kasernenbrandes eingeleiteten militärgerichlichen Umer—
uuchung, ein Quartiermeister und Sergeant des daselbst in Garni⸗
on liegenden Dragonerregiments arreliert und in Untersuchungs⸗
saft abgeführt.
Ausland.
Der „Koͤln. Zig.“ wird aus London berichtet, die Anklage
zjegen Most (deutscher Sozialdemokrat aus Augsburg, jetzt in
London) sei von der englischen Regierung aus eigenem Antrieb er—
hoben worden; weder von Rußland noch von Deutschland seien
offizielle Schritte in dieser Beziehung geschehen; Gladstone sei auf—
zebracht über das Treiben der Rihilisten und über den Mißbrauch
der Gastfreundschaft Englands durch Most, welcher in seiner „Frei—
heit“ neulich ziemlich deutlich auf die Ermordung des Kaisers
Wilhelm angespielt habe.
Bei der nihilistischen Verschwörung in Rußland sind auch
diesmal Offiziere betheiligt. Im Generalstabsgebäude zu Petersburg
wurden vier Offiziere verhaftet, die der Theilnahme an nihilistischen
Bestrebungen verdächtig waren; die angestellten Haussuchungen
ergaben die Richtigkeit des Verdachtes.
*In Saarbrücken wurden vom 1. April ab die Post-
schalter schon um 7 Uhr Morgens geöffnet und um 8 Uhr Abends
geschlossen.
FIn Ommersheim verschied am 29. März Peter
Walle im Leben Ackerer, ein Veteran aus der Zeit Napoleons J.,
in dem hohen Alter von 91 Jahren; derselbe war geboren am 2.
Oktober 1789, wurde im Jahre 1807, also in seinem 18. Lebens⸗
jahre, zu den 21. Chasseurs à cheval (Jägern zu Pferd) einge⸗
reiht, wo er zuerst in Bar⸗ele⸗ duc ausgebildet wurde und dann aͤb—
wechselnd in Bordeaux, Rheims, Chalons und Mainz in Garnison
lag. Alsdann kam er nach Rom und dem südlichen Italien.
1809 focht er in der Schlacht bei Wagram gegen Oesterreich.
Nach Beendigung dieses Feldzuges kam er zu der Ehren-Eskorte,
welche die zweite Gemahlin Napoͤleons in Wien in Empfang nahm
und auf ihrem Zuge noch Naris hegleitete. 1810 half'er 54