Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Samstag, den 23. April 
18815 
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Dentsche Arbeit in fremden Erdtheilen. “ 
Es giebt kaum einen Punkt der bewohnten Länderräume unseres 
Planeten, wo nicht der Gruß der deutschen Sprache einen Wider⸗ 
jall fände, wo nicht Deutsche sich angesiedelt hätten, wo nicht 
Deutsche die Träger der vorhandenen Kultur, die Vermittler nütz- 
icher Kenntnisse und Fertigkeiten, die Förderer des Gemeinwohles, 
reiheitlicher Institutionen bereits geworden sind. Wie seit den 
zeiten der Volkerwanderung in Europa kein epochemachendes Ereig⸗ 
niß, weder auf politischem, noch auf religiösem und allgemein gei— 
tigem Gebiete, ohne die direkte oder indirekte Betheiligung des 
eutschen Volkes eingetreten ist, so treten auch auf dem weiten Plan 
er Festländer der Erde überall die Spuren deutscher Arbeit, deut⸗ 
chen Fleißes, deutschen Geistes uns entgegen. Wir mögen in der 
ttichtung eines Längenkreises die Länder Amerikas von Queebecks 
iberreisten Wäldern bis zu den Feuerlandsinseln durchwandern oder 
en Breitenkreisen folgend die Küsten⸗, Binnen- und Inselländer 
zer alten Welt und Australiens aufsuchen, überall werden uns Deutsche 
die Hand zum Gruße reichen und uns mit berechtigtem Selbsibe⸗ 
oußtsein von ihrem Einflusse auf Verbesserung des Gemeinde- und 
ztaatswesens, der Arbeit der natürlichen und künstlichen Pro— 
uction u. s. w. erzählen. Mit Stolz können wir auf die Leist— 
ing des deutschen Geistes in fernen Welttheilen hinweisen, mit 
Stolz trotz der Thatsache, daß Deutschland allein unter den Groß⸗ 
nächte, welche in hervorragender Weise an dem Schiffahrts- und 
zandels-Verkehr aller Ozeane betheiligt sind, kein selbständiges 
ztaatswesen im fremden Lande hervorgebracht hat. Einzelne arme, 
erlassene Auswanderer brachten ohne jegliche Staatshilfe durch 
igne Kraft und Ausdauer deutschen Geist zu so hohen und allqge— 
neinem Einflusse. 
Selbstverständlich muß der Einfluß deutschen Geistes in den 
ändern am deutlichsten hervortreten, in welche sich die stärksten 
Ströme deutscher Auswanderer ergossen haben, nämlich in den ver— 
inigten Staaten von Nord-⸗Amerika. Seit dem Ende des 17. Jahr⸗ 
nunderts haben diese Länder gegen 4 Millionen Deutsche aufge— 
iommen, die von Anfang an sich als tüchtige Arbeiter und gute 
taatsbürger erwiesen. Ein Deuischer, Namens Zenger, legte in 
einem ums Jahr 1730 herausgegebenen Wochenblatte freimüthig 
ie Mängel der englischen Verwaltungen dar und wurde so nach 
em Zeugnisse des damaligen englischen Statthalters der eigentliche 
borkämpfer für die Unabhängigkeit der Unionsstaaten, für ihre 
reistige und religiöse Freiheit. Deutsche erhoben bereits 1688 ihre 
ẽtimme gegen den schändlichen Sklavenhandel. Deutscher Fleiß 
ind Verstand machte Pennsylvanien zu einem landwirthschaftlichen 
Nusterstaate. Deutsche gründeten in Nordamerika die ersten Eisen⸗ 
ießereien, Papiermuͤhlen, Glasfabriken und Tuchwebereien. Un—⸗ 
ählig viele Bauwerke, welche der Industrie, dem Verkehr, dem 
hergnügen wie der Gottesverehrung dienen und durch ihre Zweck⸗ 
näßigkeit, Schönheit und riesenhäfte Formen Anerkennung, Be— 
punderung und Staunen hervorrufen, wurden durch deutsche Inge⸗ 
ieure und Baumeister entworfen. Der erste von den tausenden 
on Dampfern, welche durch die Wasserstraßen des Missisippigebietes 
ndas Herz Amerikas eindrangen und jetzt einen tausendfach ver— 
weigten Handel vermitleln, war von Deutschen ausgerüstet und 
emannt, wie überhaupt Deutsche zuerst von Pittsburg den Ohio 
inab in das Bett des Missisippi einlenkten und so den villigen 
dasserweg nach New-Orleans eroͤffneten. In allen nur denkbaren 
zerufsarten, durch deren Thätigkeit der Mensch in den vereinigten 
taaten von Nordamerika den Kampf ums Dasein zu bestehen sucht, 
inden wir den Deutschen, wenugleich allerdings das Haupt⸗ 
ontingent der deutschen Einwanderer sich der Landwirthschaͤft zu— 
zewendet hat. 
Deutscher Arbeit begegnen wir aber nicht blos auf dem nörd— 
ichen Theile des zweigetheilten amerikanischen Kontinentes; auch die 
Staaten des isthmischen Centralamerika, dessen Klima durch die Nähe 
xes Ozeans auf beiden Seiten und durch die nicht unbedeutende 
enkrechte Erhebung des Bodens außerordentlich gemildert wird, be— 
erbergen gegen 2000 Deutsche, welche als Landwirthe und Hand⸗ 
verker, Ingenieure, Aerzte, Apotheker und Kaufleute inländische 
ind eurobäische Produkte anbanen und den Verkeht mit Enmnn 
vermitteln. Ein Deutscher gab dem Staate Costo Rica ein Straf⸗ 
gesetzbuch. Unstreitig muß das deutsche Element hier noch ge⸗ 
vinnen, wenn die Durchstechung der Landenge von Panama vol⸗ 
endet sein wird. Unter den südamerikanischen Staaten, in welchen 
eutsche Arbeit und Kraft eine Bedeutung gewonnen haben, tritt 
n neuerer Zeit ganz besonders Südbrasilien hervor. Während in 
dordamerika das Deutschthum nicht die zweile Generation erlebt, 
ondern ganz im anglo⸗-amerikanischen Wesen aufgeht, erblüht in 
ꝛen südlichen Provinzen Brasiliens das an 180, 000 Kopfen zählende 
Deutschthum herrlicher, als irgendwo. Die Ueberzeugung, daß die 
veutschen Kolonisten die besten, intelligentesten Unterlhanen des 
Jroßen brasilischen Kaiserreiches sind, hat neuerdings seinen Aus— 
druck darin gefunden, daß die Deutschen in allen Stücken den 
ihrigen Staatsbürgern gleichgestellt worden sind. Das Verdienst, 
»as deutsche Element zur endlichen gebührenden Anerkennung ge⸗ 
racht zu haben, gebührt dem unermüdlichen Redakteur der deutschen 
Zeitung in Porto Allegre, Karl von Koseritz. Seiner Energie und 
der Protektion einsichtlicher brafilischer Staatsmänner ist es zu danken, 
daß in nächster Zeit eine deutfche brafilische Ausstellung in Porto 
Allegre eröffnet wird, welche der deutschen Industrie dieses Land 
ür immer als höchst willkommnes Absaßgebiet sichern wird. Be— 
ceits ist die Schifffahrt an der Südoñküste Brasiliens ganz in 
deutschen Hünden. 
Richten wir unsern Blick auf den „schwarzen Erdtheil“, so 
können wir uns mit Stolz rühmen, daß an der Entschleierung uud 
Aufschließung dieses Erdtheils für europäische Kultur auch eine 
Reihe deutscher Forscher in ruhmvollster Weise theilgenommen hat. 
Als Ansiedler treten uns hier Deutsche namentlich im Kaplande 
entgegen, wo sie theils als Missionäre den Segen christlicher Civi— 
isation unter den Eingeborenen verbreiteten, theils als Landwirthe 
die Schafzucht veredelten, die Straußenzucht förderten und die 
heimische Weinrebe dauten. 
Sporadischer, als in anderen Erdtheilen tritt uns in Asien die 
Spur der deutschen Arbeit entgegen; aber kaum wird es einen größeren 
dafenplatz geben, wo nicht Deutsche unter eigner oder fremder Flagge 
Zandel trieben. In der Verwaltung Indiens stehen Deutsche an der 
Spitze wichtiger Departements. Mehr als irgend ein Forscher einer 
inderen Nation haben die Brüder Schlagintweit zur Erforschung des 
Wunderlandes Indien und des erhabenen Himalaya gethan. Der 
»eutsche Dr. Junghuhn pflanzte den für die kranke Menschheit so 
vichtigen Chinarindenbaum in Java an, deutsche Forscher durch⸗ 
vanderten das kolossale Chinesenreich und brachten dem Abendlande 
dunde vom Innern desselben. Im Dienste chinesischer Zollbehörden 
tehen zahlreiche Deutsche. Große Erfolge hat die deutsche Arbeit 
zereits in Japan, dem Lande „nach dem Aufgange der Sonne“, 
rrungen. Der deutsche Dr. Wagner gründete die polytechnischen 
Schulen in Kioto und Tokio, der deutsche Dr. Naumann sieht an 
der Spitze der geologischen Landesunterfuchung; japanische Trub— 
Den werden nach deutschem Reglement eingeübt. 
In Australien treten uns die Spuren deutscher Arbeit am 
»eutlichsten in Südaustralien entgegen, wo zwei Deuͤtsche im Par⸗ 
amente sitzen und der deutsche Dr. Schamburgk Direktor des bo⸗ 
anischen Gartens ist. Die deutschen Dörfer dieses Koloniestaates 
jaben ganz das Ansehen unsrer schwäbischen Bauerngehöfte. Wein— 
ultur, Feldbau und Schafzucht sind hier durch Deutsche zu hoher 
Blüthe und Einträglichkeit gebracht worden. Ueber 1000 Deutsche 
ind in Melbourne angesiedelt, wo der Direktor des botanischen 
Hartens der deutsche Varon von Müller ein unermüdlicher Vor⸗ 
ämpfer des Deutschthums ist. Ohne Zweifel wird der unbedingte 
„Sieg, welchen die dentsche Industrie in Sidney und Melboutne 
rrungen hat, nicht wenig zur Kräftigung des Deutschthums in 
Australien überhaupt beitragen. An der Spitze der Schulbehörden 
verschiedener Distrikte stehen Deutsche. Der deutsche Forscher Leich⸗ 
zardt wird zu allen Zeiten als einer der verdientesten Männer in 
den Annalen dieser Kolonialländer eingeschrieben sein. Die wissen⸗ 
chaftlichen, wirthschaftlichen und politischen Resultate seiner ersten 
Entdeckungsreise, anf welcher er in 7 Monaten (1844 - 1845) 
3000 englische Meilen zurücklegte, waren von solcher Bedeutung, 
daß sich alle Stände heeifertenn ihm durch eine Ekrengöbße ein