Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Ameiger. 
zer St. Jugberter Auzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei 
age) erischeint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vierteliährlich 
A 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 A6 60 H, einschließlich 420 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 H, von Auswärts 
mit 15 B fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder deren Raum, Reclamen mit 30 pro Zeile berechnet. 
M 68. 
—F 
Samstag, den 30. April 
1881. 
— 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) In der Sitzung der Kammer 
er Reichsräthe vom 27. April verkündete zunächst der Minister 
»es Innern von Pfeufer eine königl. Botschaft, wodurch der Land— 
ag bis 21. Mai verlängert wurde. Reichsrath Frhr. v. Pretz— 
chner berichtete sodaenn über den von der Kammer der Abgeordne⸗ 
en beschlossenen Antrag, die Abänderung des Art. 31 des Di— 
trictsraths⸗Gesetzes betreffend, und empfahl die Zustimmung mit 
er Ergänzung, daß die Heranziehung der Einkommensteuer zu 
immtlichen Districtsumlagen vom 1. Januar 1882 an eintreten 
»lle. Die Kammer stimmte dem Antrag ohne Debatte zu und 
ahm dann den Gesetzentwurf über den Ausbau des Centralbahn⸗ 
sofes in München ebenfalls ohne Debatte einstimmig an. Bei 
zer hierauf folgenden Berathung des Gesetzentwurfs über die 
Fapitalrentensteuer wurde, trotz der Bekämpfung durch den Finanz⸗ 
ninister, die in Art. 2 vom Ausschuß vorgeschlagene Steuerscala 
nit geringer Mehrheit angenommen, insbesondere also auch die 
wuf Antrag des Grafen zu Ortenburg beschlossene Erhöhung des 
Prozentsatzes der Steuer bei einer Jahresrente von über 1000 M 
zuf 4 pCt. (während dieser Procentsatz nach Beschluß der Kammer 
der Abgeordneten blos 313 pCt. betragen sollte). Den übrigen 
zie Beschlüsse der Abgeordentenkammer abändernden Ausschußan⸗ 
cägen wurde auch zugestimmt, und schließlich der ganze modificirte 
zesetzentwurf mit 835 gegen 5 Stimmen angenommen. Den Be— 
chlüssen der Kammer der Abgeordneten, welche die Abänderung 
es Landrathsgesetzes und des Gesetzes über das Gebührenwesen 
ezielen, wurde gleichfalls zugestimmt. 
Im Ausschuß der Kammer der Reichsräthe wurde das Re— 
erat über den von der Abgeordnetenkammer beschlossenen Antrag 
zezüglich Aufheburg des siebenten Schuljahres Herrn Reichsrath 
tischof von Dinkel von Augsburg übertragen. 
Nach einem Erlaß der kgl. Generaldirection der bayer. Ver⸗ 
ehrsanstalten wird die unter'm 8. November 1880 zu Paris 
wischen einer großen Anzahl Staaten abgeschlossene Uebereinkunft 
iber den Austausch von Postpaqueten ohne Werthangabe zufolge 
iner besonderen Vereinbarung vom 1. Mai l. J. ab im Verkehr 
wischen Deutschland und Frankreich zur Ausführung kommen; die 
heneraldirection erläßt gleichzeitig Bestimmungen zur Ausführung 
er Uebereinkunft. 
Aus München, 26. April wird dem „Pf. K.“ geschrieben: 
die Rückäußerung der Kammer der Reichsräthe bezüglich des Ge— 
etzentwurfs über die Einkommensteuer ist heute im Ausschuß der 
Ubgeordnetenkammer zur Berathung gelangt, wobei die prinzipiell 
vichtigsten Punkte — namentlich bezüglich der Steuerstala und 
»er Steuerbefreiung des Einkommens unter 400 Mk. — ausge⸗ 
etzt blieben, bis die Beschlüsse der Kammer der Reichsräthe über 
ie Capitalrentensteuer vorliegen. Es ist indessen, wie wir hören, 
m Ausschuß keine Neigung vorhanden, bezüglich der beiden be— 
eichneten wichtigsten Differenzpunkte der Reichsrathskammer beizu—⸗ 
timmen, wie denn auch verschiedene andere Beschlüsse derselben 
zereits heute vom Ausschuß abgelehnt wurden. 
Wie bei der Einkommensteuer, so bringt der Steuerausschuß 
»er bayerischen Kammer der Reichsräthe auch beim Kapital⸗ 
entensteuergesetz eine neue Skala in Vorschlag. Hienach soll die 
Anlage der Kapitalrentensteuer in nachstehenden Sätzen erfolgen: 
nit 2 Proz. bei einer Jahresrente von 40- 250 M 
—A „mehr als 250— 500 M 
3 u — u x ⸗ 500- 750 M 
3.5 7350-1000 
* u u u i v u 1000 —— 
die Skala, wie sie in der Abgeordnetenkammer beschlossen wurde, 
»egann mit 192 Proz. und stieg bis zu 3942 Proz. bei 1000 
tente. Im Ausschuß der Reichsrathskammer fand die neue, 
rengere Skala einstimmige Annahme, obwohl sie vom Herrn 
Finanzminister als zu weit gehend bekämpft wurde. 
(Reichstag.) Das Gesetz über Bestrafung der Trunksucht 
ourde einer Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen und der 
hesetzentwurf betr. Oeffentlichkeit und Geschäftssprache der Ver— 
jandlungen des elsaß-lothring. Landesausschusses unverändert in 
Uund 2. Lesung angenommen. Dieses Gesetz lautet: 
„8 1. Die Verhandlungen des Landesausschusses für Elsaß— 
en sind öffentlich. Die Geschäftssprache defselben ist die 
neutsche. 
8 2 Mitgliedern des Landesausschusses, welche der deutschen 
Sprache nicht mächtig sind, ist das Vorlesen schriftlich aufgesetzter 
steden gestattet; die letzteren müssen in deutscher Sprache abgefaßt 
ein.“ Nach 8 3 tritt das Gesetz am 1. März 1882 in Kraft. 
Viel Arbeit und dennoch unfruchtbare Arbeit winkt bei Wieder⸗ 
zeginn der parlamentarischen Thätigkeit des Reichstages unseren 
Abgeordneten. Sind im Plenum zunächst die Vorlagen über die 
weijährige Etats-⸗ und vierjährige Legislaturperiode und über die 
Brausteuer wie über die Wehrsteuer erledigt und, wie dies voraus— 
zusehen ist, abgelehnt, dann wird das Interesse lediglich in Kom— 
nissionsberathungen erregt, welche sich wahrscheinlich der Zeit nach 
veit hinausdehnen werden. Es sind besonders drei Kommis— 
ionen, welche die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, denn 
ie Arbeit der weiteren drei Kommissionen, welchen das Trunksuchts- 
jesetz, das Aichungsgesetz und aller Annahme zufolge auch die neue 
sßewerbeordnungsnovelle unterwiesen werden wird, dürfte kaum von 
esonderer Bedeutung sein. Dagegen kann es heiße Kämpfe geben, 
he das Stempelsteuergese tz von denjenigen Bestimmungen 
zereinigt ist, welche, wie die Besteuerung der Quittungen ꝛc., unter 
den Tisch fallen sollen und werden, und namentlich wird das 
Arbeiterunfallversicherungsgeset trotz des hypo⸗ 
ratischen Gesichtes, welches es jetzt bereits zur Schau trägt, viel 
innöthige Mühe und Arbeit verursachen. Am bedenklichsten für 
die liberale Opposition sind jedoch die Aussichten des Innungs— 
Jesetzes. Es ist bezeichnend für dasselbe, daß zu ihm die konser⸗ 
»ativen Parteien, wie das Centrum stehen. Mit Mühe ist es ge— 
ungen, die Verhandlungen der Kommission bisher hintanzuhalten, 
zuch ist die eigentliche Entscheidung über den in direkten In— 
nungszwang, wie ihn 8 10060 der Vorlage enthält, nicht 
gefallen. Es ist jedoch vorauszusehen, daß diese in den nächsten 
Tagen erfolgen wird und spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß 
die Innungs vorlage in dieser Session doch noch Gesetz wird. Es 
bleibt dem Urtheil der zukünftigen Erfahrung vorbehalten, ob der 
deutsche Reichstag Grund haben wird, auf diese einzige bedeutende 
Errungenschaft der zeitigen Session besonders stolz zu sin. 
Die officiöse Berliner „Provinzial-Correspondenz“ sagt 
am Schluß eines Artikels, welcher ,Der Anwalt des kleinen Man⸗ 
tes“ betitelt ist: „Fürst Bismarck hat sich mit Fürsorge für den 
leinen Mann, den er gegen die Fortschritispartei und deren ver—⸗ 
erbliche wirthschaftliche Principien zu schützen unternomuen hat, 
zie letzte große Lebensaufgabe gestellt. Die Meinnngen über die 
non ihm vorgeschlagenen Mittel mögen noch vielfach unter, den 
Parteien schwanken, aber durch diese Unsicherheit und Ungewißheit 
vird sich der Kanzler nicht beirren lassen und sich auch nicht von 
»em mit reiflicher Ueberlegung und innigster Ueberzeugung gesteck⸗ 
en Ziel abbringen lassen. Für ihn ist es eine unabweisliche 
pflicht, die Interessen und Bedürfnisse des kleinen Mannes in die 
hand zu nehmen und somit die Grundlagen des Staates vor 
iner Erschütterung durch Stürme zu bewahren, welche nicht aus—⸗ 
bleiben können, wenn die Pflichten des praktischen Christenthums 
zegenüber den Armen außer Acht gelassen werden.“ 
Ausland. 
Paris, 27. April. Der gestrige Ministerrath beschäftigte 
ich mit den aus verschiedenen Theilen Algeriens eingelaufenen Nach— 
richten über daselbst ausgebochene Unruhen. Die Regierung hat 
neschlossen, ein Corps von 30,000 Mann nach Algerien abgehen 
zu lassen, welches an der tunesischen Exrpedition nicht theilnehmen 
vird, sondern einzig und allein dazu bestimmt ist, aufständische 
Belüste der einheimischen Bevölkerung Algeriens im Keim zu 
ersticken. 
Der französische General Logerol telegraphirt aus Kef 
Tunis) vom 27. April: Der Gouverneur der Festung Kef übergab 
Kef, als der Angriff bereits vollstündig vorbereitet war. Logerol 
narschirt am 28. April in das Medscherdathal und läßt in Kef 
in Besatzungskorps zurück. Die telegraphische Verbindung zwischen 
Tunis und Algier ist wiederhergestellt. Eine Störung der Ordnung 
pvird in Tunis nicht mehr befürchtet. — Der Bey von Tunis stellte 
n