Full text: St. Ingberter Anzeiger

dem französischen Geschäftsträger Toustan eine neue Protestnote zu, 
worin das Vorgehen Frankreichs als völkerrechtswidrig bezeichnet 
wird, und theilte diese Protestschrift den anderen Konsuln mit, 
indem er hinzufügte, er sei bereit, die Angelegenheit der Entscheidung 
der Mächte zu unterbreiten. 
„Tuͤarets und Krumirs“, unter diesem Titel veröffentlicht 
Rochefort in seiner Zeitung „Intransigeant“ einen fulminanten 
Artikel gegen die „Réͤpublique frangaise (das Organ Gam⸗ 
bettas), die er beschuldigt, dem Lande die Wahrheit über die 
von der Regierung in Afrika geplanten Unternehmen zu verbergen. 
„Wir haben immer darauf bestanden,“ sagt er, „in der tunesischen 
Expedition eine Finanzoperation zu sehen, an die man schon ge— 
dacht hatte, ehe noch von den Krumirs die Rede war. Alle Welt 
weiß, daß die Milliarden-Anleihe einzig und allein zu dem Zweck 
zemacht wurde, um die Erfordernisse dieses Krieges zu bestreiten. 
die Kammer bewilligte 6 Millionen Francs für einen Krieg, der 
30 kosten wird. Woher wird das Ministerium die fehlenden 74 
Millionen nehmen deren es bedarf und für die ihm kein Credit 
eröffnet wurde? Woher sonst als aus dem Anlehen, das angeb— 
lich für Canalbauten und dergl. gemacht wurde? Und da behaup— 
et das Organ Gambettas, die Expedition gegen Tunis sei kein 
Börsenmanoͤver. Sie ist ein Rachezug wegen der noch nicht ein⸗ 
mal erwiesenen Ermordung dreier Soldaten, und wegen ein paar 
gestohlener Ochsen. Wenn es sich um den Schutz unserer Lands— 
leute und ihres Eigenthums handelt, warum mobilisirt die Regier— 
ung nicht vielmehr gegen' die Tuareks als gegen die Krumirs? 
Wenn die letzteren, gegen die man 40,000 Mann aussendet, 83 
Soldaten umbrachten, so haben jene den Obersten Flatters und 
seine Begleiter, mehr als 30 Mann, erschlagen. Woher kommt 
es, daß, während im Westen der Oberst Flatters ermordet wird, 
man sich im Osten gegen den Bey von Tunis wendet, der, im 
Brund genommen, an den von den Krumirs verübten Raubzügen 
unschuldig ist? Seit einem Monat verlangt die „Ropublique 
française“—die exemplarische Bestrafung der Krumirs. Von den 
Tuareks aber, die weit strafbarer sind als jene, spricht Sie kein 
Sterbenswörtchen. Man bringt Frankreich wegen gestohlener Och— 
sen außer Rand und Band, und für 30 hingeschlachtete Opfer 
derlangt man nicht 8 Francs Entschädigung? Weil man eben,“ 
schließt Rochefort, „bei den Tuareks nicht als Sonnenstiche, bei 
den Krumirs dagegen Actionäre erwischen kann.“ 
Das von Alexander III. von Rußland vorläufig zurück— 
zestellte Reformprojekt seines Vaters d. d. 10. März ist jetzt be— 
anut geworden. Dasselbe hatte an dem ersteren Datum, als dem 
Geburtstage des jetzigen Zaren und damaligen Thronfolgers ver— 
öffentlicht werden sollen, war aber dann auf den 29. April als 
den Geburtstag des damaligen Zaren zurückgestellt worden. Es 
jetzte die Einberufung von 144 Volksvertretern, je vier aus 36 
Gouvernements fest und zwar nach der Vertheilung in Vertreter 
des Adels, der Städte, der Landgemeinden und der besonderen 
Körperschaften, wobei jene 144 die „Reichsrath“ genannte oberste 
Regierungsbehörde, eine aus den Großfürsten, den Ministern und 
den höchsten Hof und Regierungsbeamten bestehende Körperschaft 
don etwa 40 Personen verstärken sollte. Leider ist das Reskript 
einstweilen zurückgestellt worden und scheinen die Dinge in Rußland 
einen verhängnißvollen Weg zu wandeln. 
Die neueste Proclamation des revolutionären Executivcomites 
mn den russischen Kaiser beginnt: „Für den Unmündigen 
Ryssakoff) der Mündige (Czar), für das gemordete Weib (Pe— 
rowska) dein Weib. Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ 
Vermischtes. 
4 Nach dem Beschluß des Ausschlusses des Pfälzischen 
Verschönerungs-Vereins findet die diesjährige Haupt— 
dersammlung Sonntag den 8. Juli ds. Irs. zu Hochspeyer 
bei Daniel Häberle statt. 
F In der „Kais. Ztg.“ läßt sich ein Wähler aus dem Wahl— 
—00 
men: „Der für die nächste Reichstagswahl von der „Pf. Volks— 
zeitung“ für unsern Wahlbezirk vorgeschlagene Candidat Julius 
Kraft, Weinhändler in Neustadt, dürfte bei uns kaum eine Stimme 
erhalten. Dagegen würde ich seinem Weinreisenden, Franz Krie— 
ger, meine Stimme schon eher geben, da derselbe eine in unserer 
Gegend bekannte Persönlichkeit ist und als Redner hervorragende 
Leistungen verspricht. Schließlich möchte ich noch constatiren, daß 
dei der letzten Versammlung am Ostermontag in Landstuhl, abge— 
sehen von den auswärtigen Vertretern der „Volkspartei“, aus dem 
Wahlkreise Homburg-Kusel selbst keine 10 Anhänger der Volks— 
bartei waren. 
— Die Baumwollspinnerei und Weberei Kaiserslautern, 
Grohé Henrich (Lampertsmühle), welche seit einigen Jahren ihr 
Etablissement bedeutend vergrößert hat, wird wiederum einen Neubau 
aufführen. Mit den Grundarbeiten ist bereits begonnen. 
F Vor einigen Tagen wurde an der Brauerei zum „Rhein⸗— 
kreis“ in Kaiserslautern ein Kind ausgesetzt; nach der 
„K. Z.“, war die Mutter desselben die 21jährige Elisabeth Eisen- 
jerth von Kerzenheim, die in Kindsbach in Diensten stand. 
— Es scheint, daß sich auch in Kaiserslautern eine 
Atisemiten⸗ Liga zusammengefunden hat, welche Karten in nach— 
tehendem Text massenhaft vertheilt: „Henrici⸗Bahn Berlin-Palästina 
/ia Frankfurt a. M. hin und nicht zurück II. Classe Mk. 109. 
70 Pf. Gute Reise. 5642.“ 
F In Landau haben sich am 26. d. etwa 30 Personen 
ils Verschönerungsverein konstituirt. 
— Zu der gestern (28. ds.) früh in Frankenthal be— 
jonnenen Prüfung für das Gerichtsvollzieheramt haben sich 17 
zewerber eingefunden; 3 der zugelassenen sind zurückgetreten. Die 
Brüfungscommission ist dieselbe wie im vorigen Jahr: Landge— 
ichtspraͤsident Uebel (Vorsitzender), 1. Staatsanwalt Fahr und 
Oberamisrichter Kieffer. 
In Flonheim (heinhessen) wurde dieser Tage durch 
ꝛen Sandgräber Krämer ein. Skelett eines kolossalen Urwelt thieres 
jefunden. Dem Skelett fehlte nicht ein Knochen, es ist in seiner 
Form so gut erhalten, wie selten ein solcher Fund. Krämer hat 
asselbe zur Besichtigung in seiner Wohnung aufgestellt. 
CGBayerische Landes⸗, Industrie- Gewerbe⸗ und Kunst-Aus— 
tellung von 1882 zu Nür nberg. Die Zahl der definitiven 
Anmeldungen, welche rechtzeitig eingegangen sind, beträgt 1860. 
Davon treffen auf Oberbayern 291, auf Niederbayern 88, auf die 
Pfalz 94, auf die Oberpfalz 89, auf Oberfranken 173, auf 
Mittelfranken 727, auf Unterfranken 228, auf Schwaben 170. 
Nürnberg. Am Samstag ist der hiesigen Polizei, dem 
„Nürnb. Anz.“ zufolge, ein glücklicher Fang gelungen, indem in 
der oberen Etage einer Wirthschaft in der Vorstadt Wöhrd eine 
inscheinend schon seit längerer Zeit in Betrieb gewesene Falsch— 
nünzerwerkstätte entdeckt, die Falschmünzer, ein Arbeiter einer hie— 
igen Fabrik und dessen Ehehälfte nebst einem Komplicen, festge— 
iommen, die Münzapparate, wie man hört Kitzinger Fabrikat — 
owie eine ziemliche Anzahl falschen Geldes, und zwar Zehn— 
yfennigstücke in Beschlag genommen wurden. Gestern Sonntag 
oll abermals eine Partie falscher Stücke aufgefunden worden sein. 
F S. Maj. der König und J. M. die Königin-Mutter von 
Bayern ließen der gegenwärtig noch in Meran weilenden Wtw. 
des Generals v. d. Tann sofort nach dem Eintreffen der Trauer⸗ 
hotschaft mittels Telegramms ihr Beileid ausdrücken. Gleiches ge⸗ 
chah von den übrigen Mitgliedern des kgl. Hauses. Auch von 
dem Deutschen Kaiser, der Kaiserin Augusta und von dem Kron⸗— 
zrinzen Friedrich Wilhelm trafen Beileidsielegramme ein, eben so 
yon dem General-Feldmarschall Grafen v. Moltke, von sämmtlichen 
heneralen der deutschen Armee ꝛc. 
Dem verstorbenen bayerischen General v. d. Tann 
vidmen auch viele norddeutsche Blätter sympathische Artikel, in 
velchem dessen hervorragende Bedeutung als Heerführer während 
)es deutsch-franzoͤsischen Krieges rückhaltlos anerkannt wird. We— 
jen seiner Thätigkeit während des Feldzuges im Jahre 1866 
vurde v. d. Tann als „heimlicher Preuße“ vielfach angefeindet 
und ihm namentlich zur Last gelegt, daß er den Hannoveranern 
zei Langensalza nicht rechtzeitig zu Hülfe gekommen sei; auch für 
den Mißerfolg bei Kissingen suchte man ihn verantwortlich zu 
nachen. Richtig ist allerdings, daß sich v. d. Tann über den 
Ausgang dieses Feldzugs keinen Illusionen hingegeben. Die An—⸗ 
chuldigungen hinderten aber bekanntlich weder den König von 
Bayern, noch das Oberkommando des deutschen Heeres, ihm im 
Feldzuge von 1870 die Führung des ersten bayerischen Armee⸗ 
orps anzuvertrauen. 
— Ein Gaunerstück von seltener Art wurde dieser Tage in 
»em Dorfe Mittelsbach bei Freising von einem Spitzbuben 
gespielt. Die Geschichte ist folgende: Um 8 Uhr Abends kam in 
ie Behausung des Krammerbauern eine Weibsperson, welche um 
ein Nachtlager bat, was ihr auch gewährt wurde. Im Verlaufe 
)es Gespräches stellte sich die Genannte unwohl und schützte vor, 
zaß sie von Geburtswehen überrascht sei, weshalb man ihr ein 
gett anbot, was sie aber verweigerte mit der Bitte, daß sie in 
en Stall gebracht werden möchte. Es wurde ihr nun ietzt im 
5tall auf dem Stroh ein Bett zurecht gerichtet und da eine Ge⸗ 
ahr nicht zu erblicken war, entfernten sich die Hausbewohner, nach⸗ 
em der Patientin noch Thee gereicht worden war. Am anderen 
Morgen öffnete der Bewohner des Hauses ahnungslos die Stall⸗ 
hür und zu seinem nicht geringen Schrecken mußte er wahrneh⸗ 
nen, daß nicht nur die vermeintliche Kranke sich entfernt hatte, 
ondern mit ihr einer der schönsten Ochsen verschwunden war. 
bon dem Dieb, der sich jedenfalls als Weibsperson verkleidete, hat 
nan noch keine Spur. 
Eine humane Stiftung. Der in Hamburg verstorbene 
Weinhändler Mathias Gädecke hat seine ganze Hinterlassenschaft, 
irca 500,000 Mark, zu einer „Mathias-Stiftung“ bestimmt, aus 
»er nothleidende Frauen und unverschuldet zurückgekommene Ar⸗ 
ꝛeiterfamilien unterstützt werden sollen. Der Kaiser-Wilhelm⸗ 
3tiftung sind 12,000 Mk. besonders vermacht worden.