Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Donnerstag, den 5. Mai 1881. 
Deutsches Reich. 
Der Petitionsausschuß der bayerischen Abgeordnetenkani— 
zer hat die in Betreff des Brannwweinsteuergesetzes aus der Pfalz, 
uug Unterfranken und aus Schwaben eingegangenen Petitionen 
iin 28. April in Berathung gezogen und mit 14 gegen 4 Stim— 
sien sich dahin ausgesprochen, daß dieselben, soweit sie den Voll— 
uug des Brannwweinaufschlaggesetzes vom 25. November 1880 be— 
refen, zur Erörterung in der Kammer geeignet seien, und daß 
zie Kammer sie in dieser Beziehung der Regierung zu möglichster 
gerücksichtigung empfehlen möge. Von einer Abänderung des Ge⸗ 
ehes wollte weder die Mehrheit des Ausschusses noch die Regie— 
cung etwas wissen, obwohl Abg. Dr. Groß eine solche zur Scho— 
zung des Kleinbetriebes empfahl. 
Bei der Abstimmung über den 81 des Unfallversicher⸗ 
ingsgesetzes und die dazu gestellten Amendements wurde (nach 
sblehnung mehrerer Anträge) von der betreffenden Spezialkommis⸗ 
jon des Reichssstags der Antrag Ackermann mit 16 gegen 10 
Ztimmen angenommen. Derselbe schließt die Reichsversicherungs- 
mstalt ebenso aus, wie die Privatversicherung, indem er vorschreibt: 
Die Versicherung hat bei der von dem Bundesstaate, in welchem 
xr Betrieb gelegen ist, zu errichtenden und für Rechnung desselben 
u verwaltenden Versicherungsanstalt zu erfolgen. Mehrere Bun—⸗ 
ostaaten können zur Errichtung einer für ihre gemeinsame Rechnung 
u verwaltenden Versicherungsanstalt sich vereinigen.“ Selbstver⸗ 
zändlich stimmten die national-liberalen Mitglieder der Kommission 
jegen diesen, den krassesten Partikularismus zum Ausdruck bringen⸗ 
en Antrag. Nachdem der so gestaltete Absatz mit 16 gegen 10 
Zztimmen angenommen war, wurde zum Absatz 4 nur noch das 
Amendement Servaes, welches eine Undeutlichkeit der Vorlage be—⸗ 
eitigt, angenommen: „Alle Eisenbahnen und Schifffahrisbetriebe, 
welche integrirende Theile eines Werkes oder nur für den speziellen 
Betrieb desselben und nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmt 
jind, fallen unter die Bestimmungen dieses Gesetzes.“ Ebenso zu 
Artikel 6G eine auf die Berechnung des Jahresverdienstes sich be— 
jehende Amendirung der Abgeordneten Stumm und Graf Franken⸗ 
derg. Die Schlußabstimmung über den ganzen Paragraphen ergab 
wieder 16 gegen 10 Stimmen. Die von den national⸗liberalen 
Mitgliedern ausgearbeiteten Anträge über Privatversicherungsgesell⸗ 
chaften und deren Kontrole können nach der Oekonomie des Gesetzes 
und dem vorläufigen Siege des Partikularismus erst bei 8 36 
det Vorlage zur Berathung gelangen. 
Die Reichssstagskommissson für das Gerichtskosten— 
besetz empfiehlt die Herabsetzung der Gebühren in amtsgerichtlichen 
und schöffengerichtlichen Angelegenheiten, sowie den Wegfall der 
deqlaubigungsgebühren. 
Die Gewerbeordnungs⸗Kommission des Reichstags 
sat den F 100 6, welcher die Zwangsinnung halb und halb zu— 
läüt. mit 11 gegen 10 Stimmen angenommen. 
Ausland. 
Das Executivcomite der russischen Nihilisten hat eine 
qhon vom 17. April datirte Proklamation jetzt veröffentlicht, wo⸗ 
in der Regierung Alexanders IIl. vorgeworfen wird, durch die 
hinrichtungen vom 15. April den Thron mit dem Blute der 
tümpfer für das Recht des Volkes bespritzt zu haben. Die Nihi— 
iten würden sich dadurch nicht abschrecken lassen, in der Sache der 
dollsbefreiung fortzufahren. Die Abschätzung der allgemeinen Po— 
iit Alexanders III. verlege das Execunvcomite auf die nächste 
Zukunft, die Reactionspolitik nach der Tradition Alexanders II. 
cher werde unumgänglich zu Folgen führen, die für die Regierung 
och bedeutend schwerer fallen sollen, als die vom 13. März ds. 
Its. Schließlich wendet sich das Executivcomite mit seinem Auf— 
if an „Alle, die nicht in sclavischen Gefühlen sich winden“, mit 
vt Bitte, „zjum bevorstehenden Kampf für die Freiheit und das 
Wohl des ruͤssischen Landes“ beizutragen. 
Die Pforte notificirte den Botschaftern, daß sie die von 
en Mächten vorgeschlagene, von Griechenland inzwischen ange— 
ommene Grenzlinie ebenfalls angenommen habe. 
Vermischtes. 
V St. Jnahert. 8 Mai. Am 10 dieses Monais 
werden es 10 Jahre, daß zu Frankfurt a. M. zwischen dem Für⸗ 
ten Bismarck faär das deutsche Reich einerseits und Ju les 
Favre für die französische Republik anderseits der Friede unter— 
zeichnet wurde. 
Friede! Welch ein erhabenes Wort! Sollte es sich bei die— 
'em Gedanken nicht in den Herzen Aller freudig regen, besonders 
aber derer, die die Strapatzen des langen Feldzuges mitgemacht 
und derer, die von den Mühseligkeiten des Krieges indirect zu lei⸗ 
den hatten, wie z. B. unsere Vaterstadt. 
Von diesem Gedanken ausgehend, hat der hiesige Krieger⸗ 
oerein in seiner vorgestrigen Generalversammlung den Beschluß 
zefaßt, am Sonntag nach dem 10. Mai, also am 15. ds. im 
Oberhauser'schen Saale eine Réunmnion zu veranstalten, um bei 
den Klängen von Musik und Gesang und durch passende Toaste 
den Ehrentag würdig zu begehen und wozu alle Bürger und Cor—⸗ 
porationen hiesiger Stadt eingeladen werden sollen. 
F In Saargemünd erschoß sich am Abend des 1. Mai 
ein im ersten Jahre dienender Chevauxlegers mittels seines Karabiners, 
der mit einer Platzpatrone geladen war. Die Motive dieser gräß⸗ 
ichen That sind nicht bekannt, nur so viel verlautet, daß der 
Unglücliche vorher eine Anzahl Briefe verbrannt haben soll. 
f. In Kaiserslautern fand am 1. ds. die diesjährige 
ordentliche Generalversammlung der Actionäre des „Eisenwertks 
Kaiserslautern“ statt, nach deren Beschlüssen 10 pCt. Dividende 
zur Vertheilung gelangen und außer den statutenmäßigen Abschrei— 
bungen von 32,644 Mk. noch 18,000 Mk. für Extra⸗Abschreibung 
zur Verwendung kommen; auch wurden die Werksunterstützungs- 
kassen und die städtischen Wohlthätigkeitsanstalten mit entsprechenden 
Beträgen bedacht. 
— Wie sich ein flinker Schneider zu helfen weiß“. So könnte 
nan das folgende Geschichtchen, für dessen Richtigkeit der „Eilb.“ 
insteht, betiteln. Zu einer dieser Tage in Annweiler voll⸗ 
jogenen Hochzeit war auch ein junger Herr von Spehyer geladen, 
der seinem Schneider aufgetragen hatte, ihm doch ja zum Frühzug 
den seit 8 Tagen in der Arbeit befindlichen Frack abzuliefern. 
Der Bekleidungskünstler verpfändete sein Wort, daß er vor 6 Uhr 
das unentbehrliche Festgewand abliefern werde. Doch, der Mensch 
denkt und der — Schoppen lenkt. Der Meister war Abends 
idel, dachte aber doch an den Frack und meintie zu seiner Ehe— 
jälfte; „Na, ich stehe um 8 Uhr auf, in 29 Siunden ist der 
Frack fertig“. Unser Meister aber verfiel in den Schlaf des Ge— 
echten und als er aufwachte, war es halb 6 Uhr. Welcher 
Zchrecken! Aber der wackere Meister wußte sich zu helfen. Er 
zefahl einem Gesellen den unvollendeten Frack und verschiedene Re— 
quisiten einzupacken, bestieg dann mit seinem Kunden den Bahn⸗ 
zug und vollendet auf der zweistündigen Fahrt im Eisenbahnwag⸗ 
jon den Frack bis auf's letzte Stichelchen. Als die Station Lan⸗ 
dau passirt war, hatte der Meister nur noch die Knöpfe anzunähen. 
In Annweiler angekommen stürzte der flinke Schneider zu einem 
„Collegen,“ um das Festgewand zu bügeln, und eine halbe Stunde 
später saß der Frack, wie angegossen, auf dem Leib des Kunden. 
Mündliche und klingende Anerkennung wurde unter großer Heiter- 
keit dem flinken Meister zu Theil. 
Auf dem Standesamt zu Alsenborn fand die Trau⸗ 
ung eines „jungen“ Ehepaares statt. Die Brautleute zählen nicht 
weniger als 119 Jahre. nämlich der Bräutigam 61., die Braut 
58 Jahre. 
Garmloser Zweikampf.) In Trier forderte ein Hand⸗ 
verker bei Gelegenheit eines Wortwechsels einen andern zum Zwei— 
ampf auf Revolver, welchen letzterer auch annahm. Es wurden 
Sekundanten bestellt und auch ein Heildiener als Arzt. Als 
Lampfplatz wurde das Schützenhaus gewählt, wohin die Gesell⸗ 
schaft sich zu Droschke begab. Nachdem die Schritte abgezählt 
waren, wurden die Revolver geladen und (nachdem inzwischen ohne 
Wissen des Herausfordernden die Kugeln aus den Patronen ge— 
zgen worden waren) nach Zählen Feuer kommandirt; beim drit⸗ 
en Schuß ließ der Herausgeforderte fich fallen, als sei er ge— 
rroffen, worauf der Herausfordernde Reißaus nahm und vor Angst 
nicht wußte. wohin er sich wenden sollte. Er erzäblte seiner Mus-