Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich? mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei— 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Dounerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteljahrlich 
A äAO B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 60 —, einschließlich 420 Zustellgebühr. Auzeigen werden mit 10 —, von Auswarts 
mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrist odet deren Raum, Neclamen mit 30 pro Zeile berechnet. 
Ms8. 
Donnerstag, den 13. Januar 
1881. 
— 
Deutsches Reich. 
Das Umsichgreifen der christlich-sozialen und antisemitischen 
Bewegung in Berlin hat die Leiter der Forischrittspartei mit 
einigen Besorgnissen wegen der bevorstehenden Reichstagswahlen er—⸗ 
üllt, und es ist der Beschluß gefaßt worden, dieser Bewegung 
zurch ähnliche große Volksversammlungen enigegenzutreten. 
Schutzzölle von allen Seiten! Kaum sind die schutzzöll⸗ 
ierischen Maßnahmen seitens der russischen Regierung getroffen 
o wird eben ein Erlaß des österreichischen Handelsministers 
zekannt, welcher sich an die Verwaltung der österreichischen Bah— 
nen und an anderweitige Institute wendet, um sich von dieser 
Seite hert Vorschläge zur Abhilfe gegen die Zunahme des Mehl—⸗ 
Imvbortes aus Deutschland zu erholen. 
Ausland. 
Eine Wiederannäherung Oesterreichs an Rußland soll 
chatsächlich und zwar mit Wissen Bismarcks und nicht ohne For⸗ 
derung Seitens des deutschen Hofes stattgefunden haben. In Wien 
zetrachtet man das Dreikaiserbündniß als wiederhergestellt und hält 
sogar eine Zusammenkunft der drei Monarchen für möglich. Sehr 
erfreulich, wenn es wahr ist. 
Dem Ausschußbericht über das Budget der französischen 
Abgeordneten⸗Kammer entnehmen wir folgende Ziffern: Jeder Ab⸗ 
jeordnete erhält an Diäten den Betrag von 900 Fres., was für 
ämmiliche Abgeordnete die Summe von 4,797, 000 Fres. ergibt. 
der Kammerpräsident bezieht einen Jahresgehalt von 72,000 Fres.; 
zierzu kommt jedoch noch eine ganze Reihe von Auslagen für die 
Präsidentschaft, durch die sjch die eben erwähnte Summe auf 222,000 
Fr. jährlich erhöht. Die Gesammtdotation der Deputirtenkammer 
und ihres Präsidenten beläuft sich auf die Summe von 7,107,000 
Frcs. Rechnet man dazu die Kosten des Senates, so erreichen die 
Ausgaben für den gesetzgebenden Körper die Höhe von 10,820,000 
Frcs. (Eine billige Republik!) 
Aus London wird gemeldet, daß in Folge von Gerüchten 
über von Feniern beabsichtigte Angriffe weitgehende Vorsichtsmaß— 
regeln auf den Staatswerften in Portsmouth und der Citadelle 
von Chester getroffen wurden. 
Der „St. James Gaz.“ zufolge ist es Samstag Abend ver⸗ 
sucht worden, die Gebäude des Zentral-ZolleAmtes in London 
in Brand zu stecken. Das Feuer wurde noch so zeitig entdeckt, 
daß die Ausbreitung desselben verhindert werden konnte. Schaden 
ist nicht angerichte worden. 
Das mächtige englische Reich kracht in allen Fugen; in 
Irland werden großartige militärische Vorbereitungen gegen einen 
ꝛtwaigen Aufstand der Fenier getroffen, in Süd-Afrika befinden 
sich die Boers im hellen Aufstande und jetzt kommt auch noch aus 
Indien die Nachricht von einer im November vorigen Jahres do⸗ 
selbst entdeckten Verschwörung. Der „Times“ wird darüber aus 
Bombay telegraphirt: Es ist eine Verschwörung unter den Hindus 
und Muselmanen von Kolapoor entdeckt worden, welche die Rieder— 
metzelung der Europäer während der Anwesenheit derselben in der 
Kirche am 7. Nov. und die Plünderung der Stadt bezweckte. 
3000 Personen waren am Komplott betheiligt und 27 wurden verhaftet. 
Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Konstantinopel: Der 
Sultan hat das Decret über die Verbindung des österreichisch— 
ungarischen mit dem türkischen Bahnnetz unterzeichnet. 
In der orientalischen Krisis ist unverkennbar ein ge⸗ 
mäßigteres Tempo zu bemerken. Die Pforte beginnt ihr herkomm⸗ 
liches Hinziehungsspiel bei der griechischen Grenzfrage, nachdem sie 
es in der montenegrinischen Angelegenheit das ganze vergangene 
Jahr hindurch fortbetrieben hat. Der endliche Ausgang jener An⸗ 
gelegenheit könnte sie eigentlich zur abermaligen Anwendung der 
bezeichneten Taktik nicht ermuthigen. Griechenland hat im letzten 
Augenblick die Einberufung seiner Reserven und Nationalgarden 
aufgegeben, äußerlich auf das Betreiben Frankreichs, welches seine 
Rolle als befreundeter Vermittler für beendigt erklärte, wenn jene 
Maßregel nicht widerrufen würde. Der entscheidende Faktor für 
jene griechische Nachgiebigkeit aber ist offenbar die Neujahrsäußer— 
cung des deutschen Kaisers mit ihrer sehr unzweideutigen an die 
hellenische Adresse gerichteten Warnung gewesen. 
Vom südamerikanischen Kriegsschauplatze wird die Ein— 
nahme Lima's, der Hauptstadt von Peru, durch die chilenischen 
Streitkräfte gemeldet. Eine amtliche Bestätigung dieser Nachricht 
ist jedoch noch nicht eingetroffen. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 183. Jan. Wie wir hören, hat der 
Ausschuß des Vereins gegen Bettelei in seiner letzten Sitzung be⸗ 
chlossen, in den nächsten Tagen die Listen zum Einzeichnen der 
Beiträge bei der Bürgerschaft zirkuliren zu lassen. 
*St. Ingbert, 12. Jan. Am Montag wurde ein 
Mann von Ormesheim, der einen Sack auf dem Rücken 
trug, von einem Gensdarm von Brebach, der ihn schon früher ähn⸗ 
lich beladen vorbeigehen sah und ihm nun verdächtig vorkam, an⸗ 
gerufen, worauf jener seinen Ballast — ein frischgeschossener Reh⸗ 
bock — abwarf um zu entfliehen. Er wurde eingeholi und gelang 
zs mit vieler Mühe und Beihilfe den sich verzweifelt Wehrenden 
estzunehmen und nach Saarbrücken einzuliefern, wo er gleich hinter 
Schloß und Riegel gesetzt wurde. 
F, Am 10. Januar verunglüdte in der preußischen Grube 
„König“ bei Neunkirchen der verheirathete 56 Jahre alte 
Bergmann Khein von Mittelbexrbach, indem er von einem 
Jerabfallenden Kohlenstücke erschlagen wurde. Derselbe hinterläßt 
eine Wittwe mit mehreren Kindern, von denen erst der älteste Sohn 
versorgt istt. 
FNeunkirchen. Am hiesigen Werksthor befindet sich 
'olgender Anschlag: „Mit Bezugnahme auf die früher erlassene 
Publikation machen wir darauf aufinerksam, daß folgende Wirthe 
in Neunkirchen das „Tageblatt“ auf's neue halien? (Folgen 11 
samen.) Auf das Besuchen genannter Wirthschaften seitens An⸗ 
Jehöriger erfolgt somit fofortige Kündigung. Neunkirchen, 10. 
Januar 1881. Gebr. Stumm. 
. F. In Alzey ist eine Frau verhaftet worden, weil sie an⸗ 
geblich ihren Mann vergiften wollte; sie soll demselben in den 
Kaffee vergifteten Weizen gethan haben. 
.In Oggersherm ist zum Vergnügen der Konsumenten 
ein mit allem Nachdrucke geführter Konkurrenzstreit zwischen den 
dortigen Metzgern entstanden. Als nämlich ein Metzger den Preis 
um einige Pfennig billiger als seine Kollegen stellte, gingen diese 
weiter in der Preisherabsetzung, und so kann man jetzt in Oggers⸗ 
heim gutes Fleisch um 80, 32 und 35 Pf. haben. 
Es wird der „Pf. Volksz.“ mitgetheilt, daß eine Gesell⸗ 
schaft Frankfurter Industrieller in nächster Zeit eine Fabrik zur 
Gewinnung und Weiterberarbeitung der Destillationsprodukte des 
Holzes — und zwar in Weidenthal an der Ludwigsbahn — 
errichten wird. Behufs vortheilhafter Beschaffung des nöthigen Roh⸗ 
materials haben die Frankfurter Herren sich mit einer Holz und 
Holzkohlenhandlung an der Alsenzdahn in's Einvernehmen gesetzt. 
Das Terrain für das Etablissement ist bereits angekauft. 
F Gegen die in Neustadt a. H. am 12. September 1880 
als Ausschußmitglieder der deutschen demokratischen Volkspartei ge⸗— 
vählten Herren ist, dem „Frankth. Tgbl.“ zufolge, Klage und Vor— 
adung vor das kgl. Amtsgericht in Neustadt erfolgt wegen Unter⸗ 
lassung der Anzeige und Vorlage der Satzungen be Bildung eines 
potitischen Vereins bei der Distriktspolizeibehörde. 
F Aus Landau, 7. Jan. schreibt man dem „Südpf. W.“: 
In dem Mittagszuge von Annweiler kommend, befand sich ein 
Soldat des 2. Feld-Art.-Reg., welcher desertirt und in Pirmasens 
zei seinen Eltern aufgegriffen worden war. Derselbe sollte hierher 
ransportirt werden. Als der Zug in die Nähe des Westbahnhofes 
kam, gelang es ihm, das Fenster zu öffnen, und ehe sich der trans⸗ 
portirende Unteroffizier versah, halte er sich schon hinausgestürzt. 
f Aus Otterstadt berichtet die „Sp. Ztg.“: Zwei Brüder, 
15 und 17 Jahre alt, schliffen am 9. ds. Me. fröhlich über die 
verführerisch glänzende Eisdecke des hiesigen Altwassers dahin, als 
der Vorderste stürzte, mit dem Körper ein Loch in das Eis schlug 
und sofort im Wasser verschwand. Unter dem, dem Versunkenen 
zu Hilfe eilenden Bruder löste sich ebenfalls die einmal gebrochene 
Decke, so daß auch dieser im Wasser versank. Die später don