Slt. Ingberler Anzeiger.
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Samstag, den 14. Mai
1881
πια
Deutsches Reich. —
(Bayerischer Laudtag.) In der 198. Sitzung der
Abgeordnetenkammer widmete der Präsident Frhr. v. Ow dem ver—⸗
ebien J. Präsidenten der Kammer der Reichsräthe Grafen v.
Ztauffenberg einen warmen Nachruf und die ganze Kammer erhob
ich zum Zeichen des ehrenden Andenkens. An Stelle des durch
luwohlsein am Erscheinen verhinderten Ministers v. Pfeufer beant⸗
vortele der Finanzminister v. Riedel die Interpellation des Abg.
F. X. Frhrn. v. Hafenbrädl, die Auslegung des Art. 5 des revi—
irten Landtagswahlgesetzes betr. dahin, daß die Zuständigkeit der
inzelnen Stellen in dieser Frage im Gesetze vollständig geregelt sei;
dei Reklamationen habe das Ministerium und bei Wahlprüfungen
n letzter Instanz die Kammer zu entscheiden. Wenn Steuerruͤck⸗
fände an und für sich auch kein Grund seien, die Aufnahme in
ie Waͤhlerliste zu verweigern, so können diese Rückstände doch in
inzelnen Fällen derart sein, daß das Wahlrecht als aufgehoben
ich erachten läßt. Zur Tagesordnung übergehend refervirt Abg.
dopp über die Rückäußerung der Kammer der Reichsräthe vom
21. April 1881 zum Entwurfe eines Gesetzes über die Einkommen—
teuer. Die Kammer beschließt, in Art. 2 auf ihrem früheren
zeschlusse zu beharren, wonach das Einkommen aus erpachteten
Dekonomiegütern und Gewerben zu besteuern ist; die in Art.4
jon den Reichsräthen beschlossene Erhöhung der Steuerskala wird
ibgelehnt. In Art. 11 hat die Kammer der Reichsräthe die
Zieuerfreiheit aller Jener beschlossen, welche ein Einkommen von
oeniger als 400 Mark haben. »Der Ausschuß beantragt die Ab—
ehnung dieses Beschlusses. Abgeordneter Strauß erklärte, daß der
zeranlasser dieses Beschlusses der Reichsräthe, Frhr. zu Francken⸗
tein kein Recht habe, sich als Anwalt des armen Mannes zu
jeriren, nachdem derselbe im Reichstage für die den armen Mann
d sehr bedrückenden indirekten Steuern gestimmt habe. Der Aus—
chußantrag wurde angenommen; auch bezüglich der in Art. 13
nthaltenen Besiimmungen bezüglich des Ortes, an welchem die
Zteuerpflicht zu erfüllen ist, beharrt die Kammer mit einer einzigen
inbedeutenden Aenderung auf ihrem früheren Beschlusse. Bei Art.
7 entspann sich eine Debatte darüber, wer über die Haftung für
»em Staate entgangene Steuern zu entscheiden habe; Regierungs—
ommissär Seisser bezeichnete das Rentamt als die zuständige Stelle,
vähreud Abg. Dr. Franckenburger, v. Hörmann und Referent Kopp
ie Civilgerichte für zuständig erachten. Die Kammer sprach sich
ür Streichung des ganzen Art. 17 aus. Die übrigen Artikel des
hesetzes erreglen keinerlei Debatten und fandern nach den Vor—
chlägen des Ausschusses Annahme. Bei namentlicher Abstimmung
wurde das ganze Gesetz mit 124 gegen 16 Stimmen angenommen.
Aus einer der jüngsten Sitzung des Finanzausschusses der
aierischen Abgeordnetenkammer ist zu erwähnen, daß bei Bera—
hung der Nachweisungen des Eisenbahnbetriebs für 1878 und
1879 auf eine Anfrage des Referenten, ob die Einfuhr oder die
Ausfuhr von baierischem Getreide größer sei, Herr Generaldirektor
. Hocheder erklärte, die Einfuhr sei größer. Es spricht diese
leußerung deutlich genug dafür, daß Baiern seinen Bedarf an
Getreide nicht allein decken kann, trotzdem aber hält man es für
geboten, einen angeblichen Schutzzoll auf die nothwendigsten Lebens—
mittel einzuführen.
Die Unfallversicherungskommission des Reichstags erledigte
Anfangs dieser Woche die erste Lesnng des Gesetzentwurfs und
zahm unter Ablehnung aller übrigen Anträge den Paragraphen 56
mit dem Stumm'schen Amendement an, wonach es einzelnen Unter⸗
nehmern von Betrieben gestattet werden kann, zwecks der Unfall—
oersicherung auf Gegenseitigkeit zusammenzutreten. Ferner wurde
vbeschlossen, nach Paragraph 56 einen neuen Paragraphen einzu—⸗
schiekten, wonach mit Genehmigung der Landesbehörden-Kassen,
denen gesetzlich die Invalidenversorgung obliegt, berechtigt sind, die
Unfallversicherung für eigene Rechnung zu übernehmen, jedoch mit
der Beschränkung, daß sie für die Hälfte der Unfallentschädigungen
bei der Landesversicherung rückversichern müssen.
Die einstimmige Ablehnung der Wehrsteuer-Vorlage
oll den Reichskanzler sehr verstimmt haben und man erzählt sich
n Berlin, daß er der conservativen Partei gegenüber von „Fah—
nenflucht“ gesprochen hätte. Die Konservativen aber sagen, sie
hätten nie königlicher sein wollen als der König selbst und sie er—
innern daran, daß König Wilhelm erst nach Ueberwindung schwe⸗
rer Bedenken seine Zustimmung zur Einbringung der Vorlage ge—
zeben habe. Auch der Kriegsminister hatte sich für das Gesetz
aicht sonderlich erwärmen können und so wird denn dieses Geseß
chwerlich zu den Vorlagen gehören, die dem Reichstag immer und
mmer wieder zur Berathung unterbreitet werden.
Von der Verlegung des Sitzes der Reichsregierung und
des Reichstages von Berlin ist es plötzlich ganz still gewor⸗
den. In unterrichteten Kreisen wird auf das Bestimmteste ver—
ichert, daß man an höchster Stelle durch die betreffende Rede des
Kseichskanzlers nicht wenig überrascht worden ist. Es wird in
naßgebenden Kreisen gewuͤnscht, daß die Diskussion über die Frage
der Verlegung des Sitzes der Reichsbehörden von Berlin nicht
vieder aufgenommen werden möge, und so wird wohl diese An—
zelegenheit bis auf Weiteres nicht mehr zur Svrache gebracht
verden.
Der Bundesrath verständigte sich über die bei der dritten
Berathung des Verfassungsgesetzes im Reichstag einzunehmende Stel⸗
lung. Die Verlängerung der Legislaturperiode (Mandatsdauer der
Abgeordneten 4 Jahre statt der bisherigen 8 Jahre) wird acceptirt,
die Berufung des Reichstags im October aber für unannehmbar
erklärt.
Wie das „Berl.⸗Tgbl.“ hört, hat der Bundesrath be⸗
chlossen, den vom Reichstag gefaßten Beschluß, wonach der Reichs—
ag alljährlich im Monat Oktober einzuberufen ist, abzulehnen.
Am 11. ds. Vormittags erfolgte die Abreise des Kaisers
Wiesbaden nach Berlin.
Ausland.
In Schweden hat der Militärausschuß des Landesverthei—
digungs⸗Comites seine auf die Neugestaltung des schwedischen Heeres
zezüglichen Arbeiten vollendet. Wie verlautet, sollen künftig die
Schüler der Gymnasien und anderer höherer Lehranstalten wie auch
der Schullehrerseminare an ihren Schulen zu Unterkorporälen,
Korporälen, Sergeanten und Unteroffizieren ausgebildet, demnach
in allen Schulen Exerciren und Schießen als Unterrichtsfächer ein—
zeführt werden, damit schon die Jugend die Fertigkeit im Gebrauch
der Waffen erhalte. Die Befähigung zum Unterkorporal ist in der
Abgangsprüfung festzustellen, so daß die jungen Leute, natürlich
wenn sie körperlich tauglich sind, gleich bei ihrem Eintritt in den
)0⸗tägigen Militärdienst (die Stammtruppen dienen länger, wenig—
tens wohl zwei Jahre) den Dienst der Unteroffiziere thun können.
An der Universität und an anderen Hochschulen sollen die Studenten
sich in ihren militärischen Kenntnissen und Fertigkeiten weiter ent—
vickeln, während sie ihre Fachstudien treiben, und nach ihren
Fähigkeiten vorrücken in der ganzen Dauer ihrer Militärpflicht.
IOb diese Bestimmungen allgemein bindend sein oder den Jünglingen
reie Wahl gelassen werden soll, die Militärlaufbahn als Unterbe—
ehlshaber zu betreten, ist noch nicht bekannt. Indessen scheint doch
aus dem von dem Militärausschusse in sein Gutachten aufgenommenen
Brundsatze, daß mit den Gymnasien und Seminaren Unter-Befehls⸗
yaberschulen verbunden werden sollen, hervor zu gehen, daß der
Militärdienst für diese Schüler in der Schule beginnt und dort
wie im Bataillon pflichtmäßig ist. Der Volksschullehrer, der zugleich
Unteroffizier ist, wird im vollsten Sinne des Wortes dem Vater—⸗
ande Vertheidiger erziehen können. Er wie der Akademiker ist in
einem Heere wie dem schwedischen vorzugsweise berufen, die Unter⸗
»efehlshaberstellen einzunehmen. (Die Sache verdient Beachtung.
Mancher Mißstand, über den bei uns zu klagen ist, würde bei
olcher Einrichtung wegfallen. Ein höherer Grad der Durchschnitts—
zildung der Unteroffiziere ist mit eine Gewähr für bessere Behand⸗
lung der Mannschaft.)
Der „Telegraphos“, die größte Zeitung Athens, gesteht heute
in, die Haltung Deutschlands Griechenland gegenüber
früher nicht ganz richtig beurtheilt zu haben; bei dieser Gelegenheit
chreibt das Blatt über Bismarck folgendes: „Er war im letzten
Stadium unserer nationalen Frage der wärmste Fürsprecher Grie—
henlands, und seine Stimme hat am meisten zur bevorstehenden