Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Ayzeiger. 
der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei 
lage) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonuementspreis beträgt vierteljährlich 
40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen JI “A 60 A, einschließlich 40 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 H, von Auswärts 
mit 13 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrisit oder deren Naum, Reclamen mit 30 pro Zeile berechnet. 
M 78. Dienstag, den 17. Mai —1881. 
ĩ — :-;ò — 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) In der Abgeordnetenkammer 
wurde am 13. ds. das Gewerbsteuergesetz mit 105 gegen 33 Stim⸗ 
nen angenommen, einschließlich der mit 74 gegen 63 Stimmen 
ingenommenen Modifikation des Beschlusses der Reichsräthe, daß 
zei großen Etablissements, Aktienunternehmungen und Fabriken bei 
erheblichem Minderertrag eine Ermäßigung des Tarifs eintrete. 
(Bayerischer Landtag.) Die Kammer der Reichsräthe 
rahm die Abänderungen der Grund- und Haussteuer (nach Ableh— 
iung der Erhöhung der Arealsteuer für Luxusbauten und Fabriken) 
in der Fassung der Abgeordnetenkammer an. — Freiherr v. Lotz⸗ 
zeck berichtete dann an Stelle des Bischofs v. Dinkel über die 
Frage des siebenten Schuljahres. Er beantragte Ablehnung des 
Zeschlusses der Abgeordnetenkammer, und dieser Antrag wurde ein⸗ 
ttimmig ohne Debatte angenommen. 
Die Rückäußerung der bayerischen Abgeordneten⸗ 
kammer zu den Gesetzentwürfen über die Einkommen-, Capital— 
ꝛenten⸗ und Gewerbesteuer wurde im Steuergesetzausschuß der Kam— 
ner der Reichsräthe bereits berathen. Der Ausschuß empfiehlt in 
der Hauptsache: 1) auf der durchgängigen Befreiung des Ein— 
tommens unter 400 Mk. von der Steuer nicht mehr zu beharren; 
dagegen nach Art. 11 folgenden Art. 114 einzustellen: „Perso— 
aen, welchen nicht ohnehin eine Befreiung von der Einkommen⸗ 
teuer nach Maßgabe des Art. 11 zusteht, ist eine solche auf An— 
trag zu gewähren, wenn deren unter das gegenwärtige Gesetz fal⸗ 
ende Einkommensbezüge den Jahresbetrag von 400 Mk. nicht 
aͤbersteigen und dieselben nicht nachweislich oder amtsbekannt au— 
zer diesem Einkommen noch ein weiteres jährliches Einkommen 
»on wenigstens 150 Mk. beziehen; 2) in dem Capitalrentenstener— 
jesetz an dem Steuersatz von 4 pCt. (statt 312 pCt.) bei einer 
Jahresrente von mehr als 1000 Mk. festzuhalten. 
Dem bayerischen Staatsminister Dr. v. Lutz wurde das 
Sroßkreuz des preußischen rothen Adleroördens verliehen. 
Der Bundesrath hat die Vorlage, betreffend Einführung 
zines Traubenzolls von 15 Mark und Erhöhung des Mehlzolls 
»on 2 auf 3 Mark angenommen. 
Berliner Nachrichten zufolge liegt es in der Absicht der 
Reichsregierung, demnächst eine Commission von auf dem 
Bebiete des Genossenschaftswesens praktisch erfahrenen Männern 
ind von Beamten des Reichs-Justizamtes und des Reichsamts des 
Innern einzuberufen, welche eine Revision des Genossenschaftsge— 
etzes vorbereiten soll. Bereits im Jahre 1878 hat die Reichs- 
ꝛegierung den Anträgen des Abg. Schulze⸗-Delitzsch gegenüber eine 
»ahin gehende Erklärung abgegeben. 
Auf ein von Bürgern in Barop (Westphalen) am Gedenk— 
age des Frankfurter Friedens an den Fürsten Bismarck ge— 
richtetes Huldigungstelegramm ging eine Antwort ein, in der es 
nach dem Dank für die Begrüßung heißt: „Zu meiner Freude 
jaben wir Aussicht auf weitere ungestörte Fortdauer des Friedens. 
. Bismarck.“ 
Ausland. 
Aus Paris, 185. Mai, berichtet das „Mont.⸗Bl.“: Die 
Nachricht, daß Fürst Bismarck in Rom gegen den italienischen 
Antrag: zur Regelung der Tunisfrage einen Kongreß einzuberufen, 
nergisch Verwahrung eingelegt hat, macht hier außerordentlichen 
kindruck. Zwar schweigen alle Journale bis jetzt diese Thatsache 
odt, aber in maßgebenden französischen Kreisen macht man kein 
dehl aus der Freude nund glaubt erst jetzt ganz sicher zu sein, 
»aß keine Verwickelungen entstehen werden. 
Der französische Minister des Auswärtigen erhielt Tele— 
zcamme aus Wien, Petersburg und Berlin, worin von diesen drei 
dabineten die gute Aufnahme des Vertrages zwischen Frankreich 
ind Tunis bezeugt wird. Im Auswärtigen Amte erwartet man 
⸗on Seiten Italiens und Englands eine gewisse diplomatische Aktion 
ind glaubt, daß die Kabinete von Rom und London besonders 
lufschlüsse über Biserta verlangen werden; Frankreich wird jedoch 
eine Verpflichtung in Bezug auf diesen Hafen übernehmen, welcher 
er Schlüssel Tunesiens sei. 
3wischen Frankreich und dem Bey von Tauis ist 
etzt die Abrechnung beendet. Der Letztere hat die französischen 
Bedingungen acceptirt. Der von ihm unterzeichnete Vertrag sichert 
Frankreich das Recht zu, diejenigen Stellungen zu besetzen, welche 
die französischen Militärbehörden für nothwendig erachten zur Auf⸗ 
cechterhaltung der Ordnung und Sicherheit an den Grenzen und 
in den Küsten. In politischer Beziehung garantirt die franzö— 
ische Regierung dem Bey Sicherheit für seine Person, seine Staa— 
en und seine Dynastie. In Bezug auf Europa betrachtet sich 
die französische Regierung als Garanten der gegenwärtig zwischen 
der Regentschaft Tunis und den anderen europäischen Mächten be— 
tehenden Verträge. Der Bey verpflichtet sich, in Zukunft keine 
nternationale Verträge ohne vorangegangenes Einverständniß mit 
der französischen Regierung abzuschließen. Die diplomatischen 
Agenten Frankreichs werden die Wahrnehmung der tunesischen In— 
eressen nach Außen übernehmen. Das Finanzsystem der Regier— 
ing des Bey wird von Frankreich im Einvernehmen mit dem Bey 
zeregelt, um eine bessere Verwaltung der Regentschaft zu sichern. 
kine weitere Convention wird die Ziffer und Art der Erhebung 
zer Kriegs⸗Contributionen, welche auf die nicht unterworfenen 
S„tämme entfallen, regeln, für welche sich die Regierung des Bey 
ils Garanten betrachtet. Endlich verpflichtet sich der Bey, die 
kinfuhr von Waffen und Munition, welche eine stete Gefahr für 
Algier sei, von der tunesischen Küste aus zu verhindern. (Im 
rund genommen ist der Bey damit mediatisirt.) 
Petersburg, 16. Mai. Das Entlassungsgesuch des 
grafen Loris Melikoff ist angenommen. Der bisherige Domainen— 
ninister Ignatieff übernimmt das Ministerium des Innern. 
In gewohnter Weise sucht jetzt die türkische Diplomatie mit 
illerlei Winkelzügen die griechische Grenzfrage zu verschleppen. Es 
cheint dies fast eine neue Auflage der Dulcigno⸗-Angelegenheit 
eligen Angedenkens werden zu wollen. Hoffeutlich wird sich die 
uropäische Diplomatie nicht noch einmal an der Nase herum— 
ühren lassen. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 16. Mai. GGFrie densfeier) Die 
wn dem Kriegerverein angeregte Gedenkfeier des Frankfurter 
zriedensschlusses fand bei der hiesigen Bevölkerung eine sehr bei— 
ällige Aufnahme. Das bewies uns gestern Abend der außer— 
Identlich zahlreiche Besuch der Réunion. Gegen 500 Personen, 
die allen Ständen der hiesigen Bevölkerung angehörten, wareu der 
finladung gefolgt und fast fehlte es an Platz. Der Verlauf der 
steunion war ein sehr würdiger. Instrumentalpiécen, recht gut 
usgeführt von der hiesigen Stadtkapelle, Gesangvorträge (allge⸗ 
neine Chöre, Gesammt- und Einzel⸗-Chöre) Flötensolos und Toaste 
vechselten in bunter Reihenfolge ab. Die Festrede hielt Herr 
). Fischer, J. Vorstand des Kriegervereins. In kurzen Zügen 
edachte er der Jahre 1870 u. 71 und der Errungenschaften des 
rzrankfurter Friedens für Deutschland. Er schloß mit einem Hoch 
uf S. M. Kaiser Wilhelm J. und S. M. König Ludwig U., 
enen nächst Gott der für Deutschland so ehrenvolle und glückliche 
Abschluß jener denkwürdigen Periode zu danken sei. Toaste folgten 
noch im Laufe des Abends auf das deutsche Herr, auf Reichskanzler 
zismarck und Feldmarschall Moltke, auf die deutschen Frauen u. s. w. 
zon imposanter Wirkung waren die Gesammtchöre, gesungen von 
en aktiven Mitgliedern des Musikvereins, des Casino, der Gemüth— 
ichkeit und des Gewerbevereins. Schon war Mitternacht vorüber, 
ils die letzte Nr. des reichhaltigen Programms verklungen war 
ind der Saal sich zu leeren begann. Noch lange aber werden die 
kheilnehmer der angenehmen Stunden gedenken, zu denen sie diese 
rriedensfeier zusammengeführt hatte. 
* St. Ingdert, 16. Mai. Als Vertreter der hiesigen 
rotestantischen Kirchengemeinde zur Diozesansynode wählte das 
Zresbyterium in seiner gestrigen Sitzung den früheren Presbyter 
derrn Thomas Koch von Schnappbach. — In Ens— 
seim wurde als Vertreter Herr Kaufmann E. Orth von da 
jewählt. 
*— In einer Versammlung am Samstäg Abend nahm der 
sier bestehende Zweigverein des Pensionsvereins „Badaria“ zu