Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberker Anzeiger. 
der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dein Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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1881. 
ö]ν 
Deutsches Reich. 
Aus München schreibt man der „Allg. Ztg.“: „Der dies— 
ahrige Geburtstag des Deutschen Kaisers hat, wie aus guter Quelle 
vellautet, zu einem Briefwechsel zwischen dem Hl. Vater und dem 
daiser Anlaß gegeben. Der Hl. Vater hat in warmen Worten 
em Kaiser seine Glückwünsche dargebracht, zugleich von neuem der 
Mission gedenkend, welche ihm — dem Pabst — zur Wiederher⸗ 
sellung des kirchlichen Friedens obliege. Kaiser Wilhelm hat in herz⸗ 
icher Weise diese Wünsche erwidert und seiner Freude darüber 
usdruck gegeben, daß zunächst in den Diöcesen Paderborn und 
Zznabrück eine geordnete Diöcesanverwaltung wieder hergestellt ist, 
aran aber Vorschläge wegen einer analogen Regelung in den 
diöcesen Trier und Fulda geknüpft. Welche Stellung die Curie zu 
eser Anregung eingenommen hat, darüber ist noch nichts bekannt 
eworden; wohl aber wird man darauf rechnen dürfen, daß diesem 
irecten Meinungsaustausch zwischen den höchsten Tragern der welt⸗ 
ichen und der geistlichen Macht weitere Schritte einer gegenseitigen 
hatsächlichen Annaͤherung zur Anbahnung friedlicher Beziehungen 
wischen Staat und Kirche folgen werden.“ 
Das bayerische Gesetz⸗ und Verordnungsblatt publizirt das 
om 9. v. M. datirte Gesetz, die Einkommensteuer betreffend. Das— 
elbe hat am Tage der Publikation mit der Bestimmung in Kraft 
u treien: daß die nach den seitherigen gesetzlichen Vorschriften ver⸗ 
mlagte Einkommensteuer für sämmtliche Steuerziele des Jahres 
881 zur Erhebung zu kommen habe. 
Die zweite Vorlage zur Abänderung des Zolltarifs, welche 
em Reichstag zugegangen, will für die feineren Wollenstoffe, 
usbesondere die Damenkleiderstoffe, einen höheren Schutzzoll (220 
tatt 135 M. für 100 Kilogr) einführen. 
Ter Reichstag genehmigte in einer Abend-Sitzung am 
Montag den Mehlzoll nach der Vorlage der Regierung mit dem 
Antrag von Heeremann betreffend den Nachweis der Identität bei 
er Ausfuhr des Mehles. Die Berathung über den Zoll für 
Jollengewebe (siehe weiter oben) wurde schließlich vertagt, weil 
as Haus zu einem Beschluß nicht mehr vollzählig war. 
Der Reichstag genehmigte am 831. Mai in zweiter Lesung 
ꝛen 8 1 des Unfall⸗-Versicherungs-Gesetzes nach vierstündiger Debatte, 
inter Ablehnung aller Amendements, nach den Anträgen der 
dommission. 
Der Reichskanzler hat dem Reichstag eine neue Denkschrift 
om 27. Mai zugehen lassen, worin die Nothwendigkeit von Staats- 
ubventionen für deutsche Dampferlinien nach China, Australien 
ind der Südsee ausgeführt, zugleich aber in dem begleitenden 
-„chreiben bemerkt wird, „daß die Reichsregierung aus der Auf—⸗ 
ahme der Samoavorlage entnommen hat, wie die Auffassungen 
der Mehrheit der Volksvertretung der Gewährung von Subsidien 
ucht in dem Maße geneigt ist, um die verbündeten Regierungen 
etzi zu weiteren Anträgen in dieser Beziehung zu ermuthigen.“ 
die Denkschrift begnügt sich aber nicht damit, diese Thatsache ein⸗ 
ach zu registriren, sondern macht dem Reichstag direkt den Vor— 
vurf, „durch Desavouirung der Südseepolitik der Regierung“ das 
Sinken des deutschen Ansehens in der Südsee verschuldet zu haben. 
luch auf die Ersprießlichkeit eines deutschen Landerwerbs in der 
Züdsee weist die Denkschrift nicht undeutlich hin. 
Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ zufolge leidet 
fürst Bismarckkseit einigen Tagen an rheumatischen Schmer⸗ 
en. Er sei deßhalb genöthigt, das Zimmer zu hüten. Aus diesem 
grunde konnte er auch an den Reichstagsverhandlungen der letzten 
dage nicht Theil nehmen. 
Ausland. 
die frauzösische Deputirtenkammer lehnte es am Diens- 
ag Abend mit 254 gegen 186 Stimmen ab, den Antrag Baro—⸗ 
el betreffs Verfassungsrevision in Erwägung zu ziehen. Im 
zaufe der Debatten hatte Minister Ferry erklärt, ein Votum der 
dammer für die Revision würde die Majorität trennen, und in 
iesem Falle könne das Kabinet nicht mehr bleiben. (Der Minister 
atte,, wie es scheint, förmlich die Vertrauensfrage gestellt. Die 
bstimmung der Kammer kann daher als ein Vertranensvotum 
ür das Ministerium betrachtet werden.) 
Der Aktivstand der russischen Armee beträgt zur 
Zeit einer unlängst erschienenen Broschüre des österreichischen Haupt⸗ 
nanns Weil zufolge 60,557 Offiziere, 1,954,038 Soldaten, 
164,596 Pferde und 3986; Kanonen. Der Stand der irregulären 
Truppen beträgt 160,000 Mann. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 2. Juni. Zur festgesetzten Stunde traf 
jeute Morgen, mittelst Ertrazuges von Zweibrücken kommend, 
5. K. Hoheit Prinz Ludwig von Bayern hier ein. 
zu seinem Gefolge befanden sich S. Exz. der kgl. Staatsminister 
. Pfeufer, S. Exz. der kgl. Regierungspcäsident von Braun, 
er Adjutant Graf v. Holn stein und der kgl. Bezirksdamtmann 
dr. Schlagintweit. Auf dem Perron des Bahnhofes hatten 
ich zum Empfange S. K. Hoheit ein Theil der Knappschaft mit 
Musik, die kgl. Beamten dahier und die Mitglieder des Festcomites 
uufgestellt. Nach dem Aussteigen überreichten ihm weißgekleidete 
Mädchen unter entsprechender Ansprache ein Bouquet, welches der 
johe Herr freundlichst entgegen nahm. Nach der Vorstellung der 
gl. Beamten und des Festcomites betrat derselbe den aufs schönste 
ekorirten Wartesaal U. Cl., in dem der Stadtrath Aufstellung 
enommen hatte und woselbst ihm Herr Bürgermeister Custer von 
sier in kurzen Worten den Dank und Willkommen Namens der 
Stadt entgegenbrachte. Vor dem Bahnhofe hatten Arbeitercorpo⸗ 
ationen von hier aus und dem Distrikte, Feuerwehren und Krieger⸗ 
ereine und die Schüler der Lateinschule sich aufgestellt. Hier 
estieg S. K. Hoheit mit den Herren seines Gefolges, den Mit⸗ 
zliedern des Festcomites und den kgl. Bergbeamten die bereitstehen⸗ 
»en Wagen zur Fahrt durch die Stadt nach der kgl. Grube. Nach 
urzem Aufenthalte daselbst ging es wieder durch das Josephsthal 
urück nach der neuen Schmelze. Durch dieselbe machte der hohe 
herr einen Gang, besuchte kurz die Glashütte, in der wie auch 
m Eisenwerke die Arbeiter in voller Thätigkeit waren, und begab 
ich sodann auf die alte Schmelz. Darauf wurde, wie schon be⸗ 
annt, bei Herrn Hüttenwerksbesitzer Oskar Krämer des Dejeuner 
ingenommen. 
Es war heute das erste Mal, daß ein Mitglied unseres er⸗ 
auchten Königshauses unsere Stadt betrat. Dieselbe hatte fich 
zu Ehren dieses hohen Besuches aufs beste herausgeputzt. Im 
reichsten Fahnenschmucke, größtentheils noch geziert mit Guirlanden 
und Kränzen, prangten die Häuser. Prächtige Ehrenpforten mit 
innigen Sprüchen überspannten die Straßen. Auf dem Wege, 
»en der Prinz nahm, bildeten Krieger und Feuerwehrleute, die 
Schüler der Lateinschule und diejenigen der Volksschulen Spalier. 
Fine zahllose Menschenmenge hatte sich aufgestellt, um den hohen 
Herrn zu sehen. Schallende Hochs empfingen ihn. Aber Viele 
vollten nicht glauben, daß der freundliche, leutselig und liebens— 
vürdig nach allen Seiten grüßende Herr im grauen Reiseanzuge 
yer kgl. Prinz sei. Sie schauten noch nach ihm aus, nachdem er⸗ 
schon längst vorüber war. 
Auch bei der Abfahrt des Prinzen, die kurz vor 12 und 
Ahr erfolgte, hatte sich in der Umgebung des Bahnhofes eine große 
Menschenmenge versammelt, um den hohen Herren noch einmal zu 
zehen und ihm ihre Ovation darzubringen. Die ganze Knappschaft 
nit Musik, die kgl. Beamten, das Festkomite, weißgekleidete Mäd⸗ 
hen, die Schüler der Lateinschule, der Stadtrath, Feuerwehren, 
rriegervereine und Arbeitercorporationen hatten Aufstellung ge— 
rommen. Unter donnernden Hochs, vermischt mit dem „Glück auf!“ 
»er Bergknappen bestieg der Prinz seinen Salonwagen, in dem 
ruch S. Ecz. Staatsminister von Pfeufer und Regierungspräsident 
von Braun Platz nahmen.“ 
Für unsere Stadt ist der heutige Tag ein Festtag im besten 
Sinne des Wortes und der Besuch, mit dem der kgl. Prinz unsere 
Stadt beehrte, wird in derselben unvergessen bleiben. Daß auch 
der hohe Gast befriedigt von hier geschieden ist, das ließen uns 
eine freundlichen Mienen beim Abschiede als sicher annehmen. 
F Gleich wie bei den Bayerischen Staatsbahnen werden auch 
zei den Pfälzischen Bahnen vom 1. Juni l. J. ab im 
nternen Personenverkehre die Billetpreise im Betrage von mehr