Full text: St. Ingberter Anzeiger

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werden in der Herberge vom Einzelnen werden angenommen, noch 
in Geld oder Lebensmitteln vergütet, um der Bettelvirtuosität ein? 
Schranke zu setzen. Ueber den thatsächlichen Erfolg der Maßregel 
haben wir noch nichts Näheres erfahren. Durchgreifende Hilfe 
gegen das Bettelunwesen steht von Versuchen der Art zwar nicht 
ju erwarten, einem so schweren, so fest⸗, breit- und tiefgewurzelten 
lebel gegenüber, wie es der landlaäufige Andn und 
war von Seite der Geber nicht minder als der Empfänger, zweifel— 
os ist, dürfen wir indessen auch sogenannte „kleine Mitiel“ nicht 
geringschätzen. J 
F. Für alle Gewerbetreibende ist folgendes Erkenntniß 
des Reichsgerichts von großer Wichtigkeit: Empfängt Jemand, der 
eine Waare, die einen ausdrücklich von ihm bedungenen Ursprung 
haben soll, kaufen will, vom Verkäͤufer eine gleichariige Waare am 
deren Ursprungs unter Zusicherung der Echtheit, so ist nach einem 
Erkenntniß des Reichsgerichts, III. Straffenat, vom 27. Oktober 
b. J., der Verkäufer wegen Betrugs zu bestrafen, mag auch die 
verkaufte Waare den gleich objektiven Werth haben, wie die ver— 
langte, falls der Kaäufer bei Kenntniß der Ünechtheit nach der 
Sachlage die Waare überhaupt nicht gekauft hätte und somit eine 
subjektive Vermögensbeschädigung vorliegt. 
F Die jetzt ermittelten vorläufigen Resultate der Volkszäh— 
lung im Deutschen Reiche lassen nach den Ansichten der Statistiker 
schon zwei Thatsachen constatiren, einmal, daß geqgenüber dem 
uͤbermäßigen Zuströmen der Bevölkerung nach den großen Städten 
und Industrie-Zentren, welches bei der vorigen Zaͤhlung Besorg⸗ 
nisse erregte, jetzt schon eine gesündere Vertheilung der Bevölker— 
ung auf das ganze Land eingetreten ist, und sodann, daß die Zu⸗ 
nahme der Bevölkerung keine so große ist, daß auf irgend eine 
tünstliche Weise der Uebervölkerung vorgebeugt zu werden brauchte. 
Eine amtlich zusammengesiellte Üebersicht über die Betriebs— 
ausgaben der europäischen Bahnen, nach Sigaten gesondert, belegt 
ziffermäßig die schon seit längerer Zeit bekannte Wahrnehmung, 
daß die de ut schen Bahnen diejenigen der meisten übrigen Länder 
in Rücksicht der sparsamen Verwaltung und Unterhaltung uͤbertreffen. 
Ihnen ziemlich gleich stehen die hoüändischen, österreichischen und 
chweizerischen Eisenbahnen. Der Betrieb der englischen und fran⸗ 
ͤsischen Hauptbahnen erscheint, zumal in Anbetracht ihrer großen 
Frequenz, als ein verhälinißmäßig weit kostspieligerer. 
F. Im preußischen Abgeordnetenhaus wurde der Gesetz⸗ 
entwurf über den Erwerb der Rhein-Nahe-Bahn für den Staat 
and den Ausbau derselben der Eiserbahn Kommission überwiesen. 
Im Lauf der Debatte hatten die Minister der öffentlichen Arbeiten 
und des Krieges die Nothwendigkeit der Erwerbung der Bahn aus 
Kücksichten der Landesvertheidiguͤng betont und der Kriegsminister 
insbesondere darauf hingewiesen, daß auf derjenigen Seite, gegen 
welche die Erwerbung der Bahn mit Rücksicht auf die Landesber⸗ 
theidigung erfolgen solle, d. h. in Frankreich, alles bereitwilligst 
geschehe, was diese Rücksicht erfordere 
Am Bahnhofe zu Aachen ist am Sonntag Nachmittag, 
wie das „Echo“ meldet, der muthmaßliche Bochumer Mädchenmörder 
auf Veranlassung der Berliner Criminalpolizei verhaftet worden. 
Hoffentlich hat man diesmal den rechten Mann gefunden. 
Zur Eisenbahnfahrplan⸗Konferenz, welche gegenwärtig in 
Dresden tagt, ist von der bayer. Generaldirekton Direktsons 
rath v. Schamberger abgeordnet. Auch heuer wird derselbe wieder 
den Antrag stellen, daß der Sommerfahrplan erst mit 1. Juni, 
der Winterfahrplan mit 1. November beginne. Allein man weiß 
im Voraus, daß der Antrag auch diesmal wieder nicht die Mehr 
heit erhalten wird. 
— In einigen Wochen wird zwischen Berlin und Li ch t e r⸗ 
felde eine elektrische Bahn, die erste in der Welt, eröffnet werden. 
Der Erfinder, Herr Werner Siemens, hal das Werk auf eigene 
Hosten ausgeführt. 
7 Der Reichspostmeister Stephan hat am 7. Jan. seinen 
50. Geburtstag gefeiert. Er sieht auf eine Laufbahn zurück, die 
in ihrer Art nur mit der Bismarcks verglichen werden kann. Schon 
n seinem 40. Jahre war er Leiter des Reichspostwesens und richtete 
in dem großen Kriege von 1870 die Feldpost ein, die das Staunen 
aller Volker war. Im Gegensatze zu einem seiner berühmten Vor⸗ 
Zunger Hrn. v. Ragler, welcher der Eröffnung der ersien preußi⸗ 
schen Eisenbahn nicht beiwohnen mochte, „weil diese Modethorheit 
doch bald abgewirthschaftet haben werde,“ verwerthete er alle irgend 
einschlagenden Erfindungen für die Poft und den Telegraphen und 
wurde durch sein Organisations⸗-Genie der Schöpfer großartiger 
Finrichtungen. Geboren ist Stephan in Stold in Pommem dals 
Sohn eines Handwerkers. 
x Maßregeln gegen die Vagabonden in Meclenburg. 
In kurzer Zeit wird über ganz Mecklenburg eine Maßregel ge— 
handhabt werden, von welcher man erwarhen darf, daß sie die 
Bewohner des Landes von der lästigen, theils gefürchteten Vaga— 
bondage befreien kann. Das Verfahren ist folgendes: Die Be— 
wohner des Landes verweigern jedes Almosen, zahlen dafür einen 
fleinen Beitrag an Geld an die Vereine gegen Bettelei in den 
Siädten, welche es dafüt übernehmen, die Reisenden auf der Land⸗ 
traßze gegen Entbehrungen zu schützen. Die am Morgen aus ven 
Städten abmarschitenden Handwerksburschen etc. erhalien eine An⸗ 
veisung auf ein Mittagessen in einem auf ihrer Tour liegenden 
Wirthshause. In dem vor dem Wirthshause gelegenen Chaussee-⸗ 
zause wird die Anweisung der Controle wegen abgestempelt. Wer 
nicht zu rechter Zeit sich einstellt, bekommt kein Mittagessen, wer 
ich auf's Fechten legt und nicht die bestimmte Tour innehält, dem 
vird die Unterstützung in den Städten entzogen. Die Reisenden 
werden durch dieses Verfahren und die dabei geübte Controle ge⸗ 
wungen, auf der Landstraße zu bleiben. Landleute und Amisbe—⸗ 
amte unterstützen die Vereine jeßt überall zur Bekämpfung der 
Vagabondage. Hauptsache ist, daß das Almosengeben tonsequent 
aufhört. Wissen dies erst die Reisenden, dann werden sie sich 
hüten, auf's Ungewisse hin ihr Mittagessen und die Verpflegung 
für die Nacht zu verscherzen. 
. In Bern starb vor einiger Zeit ein alter Sonderling, und 
bermachte sein ganzes Vermögen im Betragè von 860, 000 Frcs. 
einer Irrenanstalt. Der alte Herr hatte in sein Testametit ge— 
ichrieben: „Meine Verwandten haben stets behauptet, ich gehöre ins 
NRarrenhaus, darum soll nun auch mein Geld dahin wandern.“ 
F Welche Ausdehnung der Wucher in Ungarn erlangt hat, 
zeweisen die der Pester Steuerinspektion vom Handels- und Wechfel⸗ 
gericht übergebenen Ausweise über die im Jahre 1879 eingeklagten 
Bechsel. Die Zahl der Wucherer, welche in jenem Jahre Wechsel 
ingeklagt hatten, beträgt ungefähr 800. Die eingeklagien Beträge 
ewegen sich zwischen 100- und 150,000 Gulden, die Zinsen 
wischen 12 und 1000 pCt. Die von Wucherern im Jahre 1879 
ingeklagten Beträge belaufen sich auf 12 Millionen Gulden. Der 
Fahresumsatz der Pester Wucherer wird im Ganzen auf 100 Mil—⸗ 
ionen Gulden geschätzt. 
Der Dampfer „Elsaß“ der Pfalzischen Dampffchleppschiff⸗ 
arth gerieth am vorigen Dienstag etwas oberhalb Korterd am 
»ei dichtem Nebel so unglücklich auf eine sog. Krippe, daß er in 
der Mitte brach und sank. Der Schaden, welchen die Gefellschaft 
»adurch erleidet, wird sich — abgefehen von der Ladung — auf 
nehrere hunderttausend Mark belaufen. 
Allen Soldaten und Unteroffizieren, welche den „Rüffel“ 
als unvermeidlichen Bestandtheil der Dienstübungen zu betrachten 
jewohnt sind, wird es einen gewissen Trost gewaͤhren, daß es in 
der Welt auch hohe Offiziere gibt, welche noch mit dem ABC des 
Reglements auf gespanntem Fuße leben. Das Amtsblatt von Ru— 
nänien veröffentlicht nämlich eine Verordnung folgenden Inhalts: 
„Der Oberstlieutenant N. Minzard des 11. Kalarasch⸗Regiments 
wird wegen gänzlicher Unkenntniß der Dienstesborschriften entlassen.“ 
F Die Newyorker Handelsztg.“ schreibt in ihrer Nummer vom 
LII. Dez.: In einer Siadt in unserer Nähe haben die Stadtvor—⸗ 
teher folgenden Beschluß gefaßt: Alle innerhalb der Stadt aufge⸗ 
riffenen Stromer werden zu 830tägigem Steinklopfen verurtheilt. 
-o die praktischen Amerikaner! 
Markkeberichte. 
Zweibrücken, 18 Januar. (Fruchtminelpreis und Viktualienmark 
Beizen 10 M. 99 Pf., Korn 10 M. os Pf. Gerfie zweireihige 7 M. 939 
ierreihige 07 M. 50 Pf., Spelz 07 M. 77 ppf. Spelzkern — M. — Ptf 
Dinkel - M. — Pf., Mischfrucht — M. — pf. Hafer 6 M. 49 pf. 
ẽrbsen — M. — Pf., Widen 6 M. 17 Pf., Kartoffeln 2 M. — Pf., 
deu 2 M. 85 Pf., Stroh 83 M. 06 Pfe, Weißbrod Iu Kilogr. 566 ff 
dornbrod 3 Kilogr. 70 Pf. Gemischtbrod 8 Kilogr. 83 Pf, paar Weck 100 
ür. 6 Pf. Rindfteisch 1 Qual. 50 Yyf. iI. Qual A4 Pf.tololeishhend pf, 
Zammelfleisch 50 Pf. Schweinefleisch 60 Pf.; Butter t/ Kilogr. d Vt. 90 Pf., 
Wein 1 Liter 80 Pf., Bier 1 Liter 24 Pf. 
Homburg, 12. Januar. (Fruchtmitteipreis und Viktualienmarkt.) Weizen 
11 M 48 pf. Korn 09 M. 83 Pf., Spelzkern — M. Pf., Spelz 7 M. 
30 Pf., Gerste Lreihige — M. — Pf. Gerste 4reihige d M. Pf., Hafer 
M. 54 Pf., Mischfrucht 10 M. 23 Pf., Erbsen — Ma— Pf., Wicken 
d M. — Pf., Bohnen 0 M. — Pf., Kleesamen — M. — Pf. Korn— 
brod 6 Pfund — Pf., Gemischtbrod 6 Pfund 83 Pf. Ochsenfleisch — Pf. 
Rindfleisch 40 Pf., Kalbileisch Z0 pf, Dammeigeisch D frrSchweinefleseh 
üu Pf., Butter J Pfund 1 M. — f, Kartoffeln per Zir. 1 M. 80 pf. 
Kaiserslautern, 11. Januar. (Fruchtmiltelpreis und Viktualienmarkt.) 
Weizen 16 M. 88 Pfrer Korn 60 M. 86 Pf. Spelztern 10 M. *2 Pf. Spelz 
7, M. 57 Pf., Gerste 08 M. 71 Pf., Hafer 6 M. 58 Pf. Erbsen 07 M. 
50 Pfir Widen 6 M. 27 Pf. Linsen — M. — Pf., Kieesamen 18 M. — 
Pf. Schwarzbrod 6 Pfund 80 Pf., do. 8 Pfd. 40 Pf., Gemischibrod 
àPfund 45 fg. Butier pro Pfund 6 M. 90 pPf. Eier I Stac 03 pjf. 
artoffeln pro Fentner 1 M. 60 Pf. Stroh 8 M50 Pf. Heu s M. 20 
bef. Kleeheu 8 M. 30 pf. — 
Flr die Redaction —E enkx 
Die soeben erschienene Rummer Tdes osnehnibee 
Notizblattes, herausgegeben von Prof. Dr. Rud. Boettger, 
für 1881, 36. Jahrgang“, enthält folgende interessante Abhand- 
ungen: 
Rihalt: Ueber gesundheitsschädliche Wirkung des Kattoffelzuckers. Von 
dofrath Dr. J. Neßler. — Die Cementfässer ais Lagerfässer in den Vier- 
rauereien. Von Gustav Stange. — Reinigen von Spiritus. — Eine 
Iniversal⸗Schälmaschine. — Ueber den Farbstoff des Rubus Chamaemorus. 
bon Cech. — Weiße Nickelbronce. — Amerikanische Mineralsle. — Zur 
Fabrikation der Schwefelsdure. — Copirverfahren. —— Dudleves Vrufung 
auf Stärkezucker (Glykose.) 
Miscellen: 1) Ueber elastische Erscheinungen. — 2) Signirtinte. Von 
dr Berina. — Decorationen und Zeichnungen ieden Colpriis in Kei-— 
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