Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hf. Ingberler Anzeiger. 
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43 92. Samstag, den 11. Juni 
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Deutsches Reich. 
Der „Südd. Pr.“ wird bestätigt, daß der Bischof von 
Passau seinem Diözesanklerus die Betheiligung an der Wahl⸗ 
igitation untersagt hat. Die Betheiligung an der Wahl selbst ist 
rlaubt; der Herr Bischof scheint aber dafür zu halten, daß die 
Wahlagitation mit ihren verschiedenen Zwischenfällen das geistliche 
Hewand nicht ziert. 
Wie die „Trib.“ hört, ist erst in diesen Tagen ein zweiter 
zrief des Papstes an Kaiser Wilhelm gelangt, der an die Vor— 
chläge und Wünsche des letzteren bezüglich der Neubesetzung meh— 
cerer (nicht aller) erledigter Preußischer Bisthümer anknuͤpft. 
Der deutsche Kaiser empfing dieser Tage den russischen 
Botschafter v. Saburow, der dem Kaiser im Namen des russischen 
daisers das lebensgroße Portrait des Kaisers Alexander II. 
iberreichte. 
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ schreibt: „Wie wir hören, hat der 
raiser geruht, dem Botschafter Grafen Hatzsfeld in Konstan⸗— 
nopel in ausdrücklicher Anerkennung der Umsicht und des Eifers, 
nit dem er den Abschluß der die griechische Frage regelnden 
donvention herbeigeführt hat, den Rothen Adlerorden erster Klasse 
nit Eichenlaub zu verleihen. — Verschiedene Blätter enthalten die 
Nittheilung, daß sich das Befinden des Fürsten Bismarck 
ebessert habe. Wir müssen leider dieser Nachricht widersprechen. 
rine Verschlimmerung in dem Unwohlsein ist allerdings nicht ein— 
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iahme der regelmäßigen Vorträge gehindert, er kann nur liegend 
irbeiten und muß sich deßhalb auf die Erledigung der allerdrin— 
gendsten Geschäfte beschränken. 
Der beim Bundesrath eingebrachte Antrag des Reichs— 
anzlers, den Umlauf der Reichskassenscheine dadurch zu verändern, 
zaß je 30 Millionen Zwanzig- und Fünf-Markscheine eingezogen 
ind durch Fünfzig-Markscheine ersetzt werden, ist nicht allein mit 
yem in den Motiven gebrachten Argument det geringen Beliebtheit 
er zu reduzirenden Markscheine zu begründen. Der Antrag ent— 
'ammt vielmehr wesentlich der Absicht, den Verkehr zur stärkeren 
zerwendung von Silbergeld namentlich der Silberthaler zu zwingen. 
in der Erklärung, welche die Reichsregierung durch ihre Dele— 
irten guf der Pariser internationalen Münzkonferenz in der Sitzung 
vom 5. v. Mis. abgeben ließ, war schon die Bereitwilligkeit 
deutschlands ausgesprochen worden, unter gewissen Voraussetzungen 
zie ganzen 40 Millionen Fünf-Markscheine einzuziehen. Die da— 
nalige Absicht ist in etwas veränderter Form in dem jetzt dem 
JZundesrathe vorliegenden Antrage berdichtet. Dieser Antrag ist 
uuch geeignet, dem früheren Beschlufse des Bundesraths, die Silber- 
irkulation zu vermehren, Vorschub zu leisten. Durch die Ersetzung 
er kleinen Kassenscheine durch größere, ist das Verkehrsgebiet des 
ʒilbergeldes beträchtlich ausgedehnt. Die Behauptung der Motive, 
aß der Verkehr die kleineren Scheine nicht sehr willig aufnahm, 
st übrigens zweifellos zutreffend. Es ist dies eine Erscheinung, 
velche sehr dafür spricht, daß die Einbürgerung der Goldwährung 
zute Fortschritte gemacht hat, da zur Zeit unserer Silberwährung 
iie kleineren Papiergeldzeichen durchaus beliebt gewesen sind. 
Die offiziöse Berliner „Provinzial-Correspondenz“ bringt einen 
aͤngeren, „soziale Verbesserungen und sozialdemokratische Träume“ 
etitelten Artikel über die bisherigen Reichstagsverhandlungen über 
as Unfallversicherungsgesetz, insbesondere über den geforderten 
ztaatszuschuß. Der Artikel schließt: „Die revolutionären Gefahren 
derden nicht heraufbeschworen, wenn man den berechtigten Kern 
er Forderungen der Arbeiter pflegt und hegt: nein, man bricht 
renselben vielmehr die Spitze ab und leitet sie in geordnete, ebene 
Jahnen, wenn der Staat den Willen zeigt, der wirklichen Noth 
er arbeitenden Classen zu begegnen, und deßhalb. ist der Staats- 
uschuß ein ebenso praktisches wie hochbedeutend politisch heilsames 
Nittel, dessen Anwendung nicht mehr verhindert werden kann, aber 
uuch als nothwendig anerkannt werden muß, wenn nicht von diesem 
d von einem anderen Reichstage. 
Das jüngst erschienene Heft der deutschen Reichsstatistik ent⸗ 
ält eine Berechnung des Ertrages der Zölle im Deutschen 
Keich im Kalenderiahr 1880.Derselbe beläuft sich danach auf 
166,801,606 M. Will man diese Zahl mit den Erträgen früherer 
Jahre vergleichen, um ein Urtheil über die finanzielle Wirkung 
des neuen Zolltarifs zu gewinnen, so wird man das Jahr 1879 
außer Betracht lassen müssen, da in diesem Jahr, dem letzten des 
ilten Zolltarifs, bei der Mehrzahl der von neuen oder erhöhten 
Zollen betroffenen Artikel eine siarke Speculationseinfuhr eine außer⸗ 
ordentliche Steigerung des Zollertrages herbeigeführi hat. Eine 
Vergleichung mit dem letzten normalen Jahr, mit dem Jahr 1878, 
velches 111,385,475 M. Zolleinnahmen gebracht hatte, ergiebt 
ür das erste Jahr der Geltung des neuen Tarifs einen Mehrertrag 
on 55,216,1831 M. oder nahezu 50 pCt. Derselbe ist indessen 
ast ausschließlich durch die neu eingeführien Zölle aufgebracht 
vorden, deren Gesammtbetrag, so weit er aus der Zollstatistik über⸗ 
jaupt im einzelnen zu ersehen ist, sich auf 50,259,500 M. be⸗ 
iffert. Davon bringt Petroleum 15,998,000 M. „Getreide 
4.024. 000 M., Schmalz 58,459,600 M., Eisen und Eisenwaaren 
023,000 Martk, Holz 2,890,000 M., Vieh 1,596,000 M. und 
Naschinen 908,000 M. Es liegt in der Natur der Sache, daß 
n Folge der noch im Jahre 1879 bewirkten, ungewöͤhnlich starken 
Zßezüge das Erträgniß des Jahres 1880 in den meisten Artikeln 
jeringer ausgefallen ist, als es sich voraussichttich in späteren 
Jahren gestalten wird. Doch sind bei einzelnen Arhkeln schon jetzt 
ie erwarteten Einnahmen übertroffen. So haben z. B. die Ge⸗ 
reidezölle, deren Ertrag die Reichstagscommission seiner Zeit auf 
2 Millionen Mark vexanschlagt hatie, schon im ersten Jahr 2 
Millionen Mark mehr geliefert; Schmalz, von dem man eine Ein— 
iahme von 8,784. 000 M. erwartete, hat diesen Betrag schon um 
.Ua Millionen Mark überschritten. Im Gegensatz zu den neu 
ingeführten Zöllen haben die erhöhten alten Zolle der Reichskasse 
disher nur ein geringes Mehr abgeworfen. Hier liegt der Grund 
vohl vorzugsweise in dem Hereinbringen großer Vorräthe in das 
Zollgebiet vor dem Inkrafttreten der Zollerhöhung. 
Die Hamburger Handelskammer sprach sich heute mit 20 
zegen eine Stimme zu Gunsten des Zollanschluͤsses auf Grund des 
iöͤgeschlossenen Vertrages aus. 
Die auch von anderen Zeitungen übernommene Nachricht eines 
Berliner Blattes, daß zur Zeit in Paris Verhandlungen zwischen 
Spauien und Deutschland behufs Ablretung der spanischen 
Besitzungen im Sulu⸗Archipel an Deutschland stattfänden, wird für 
durchaus unbegründet erklärt. 
Ausland. 
Fürst Milan von Serbien ist gegenwärtig in Wien, von 
vo er sich auch nach Berlin begeben will. Officiöse Federn er⸗ 
lären, es sei nicht wahr, daß er dafür wirken wolle, daß auch 
Serbien zu einem Königreich erhoben werde. 
Der französische Agitator Rochefort bereitet in Paris eine 
zroße Volksversammlung zu gunsten Jrhands vor, welcher 
nehrere Irländer beiwohnen werden. 
Während die Franzosen „siegreich“' in Tunis eingezogen 
ind den Bey dafür züchtigten, daß er die Krumirsstämme nicht 
m Zaum zu haͤlten wisse, waren sie bisher selbst nicht im Stande, 
n Algier die Ruhe vollständig aufrecht zu erhalten. Die letzten 
dachrichten aus Algier beweisen vielmeht auf's Neue, daß dort der 
lufstand in voller Kraft und die Lage sehr kritisch ist. Nachrichten 
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Telegraphenverbindungen, Bringand, mit den ihm zugetheilten Be— 
»ꝛeckungsmannschaften durch Aufständische von Boumena zwischen 
Frenda und Geryville überfallen und ermordet worden. Die Zahl 
er Ermordeten beträgt 26. Vier französische Truppenkolonnen 
ind abgegangen, um die Uebelthäter zu züchtigen. Trotz dieser 
nedenklichen Zwischenfälle in Algerien wird, wie die Agence Havas 
ernimmt, ein Theil des tunessischen Expeditionskorps binnen Kur— 
em nach Frankreich zurückkehren. — Einer Meldung des „Daily 
stews“ zufolge, sollen sämmtliche tunesische diplomatische Agenten 
ind Konsulen in Europa angewiesen worden sein, ihre Archive und 
die Leitung ihrer Büreaus den in denselben Siaaien residirenden 
ranzösischen Konsuln zu übergeben. 
Die Zustände im Westen Irlands gestalten sich täglich 
anarchischer. Am 7. ds. rottete sich auf das Gerücht von der