8* . Ingberler Anzeiger.
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M 99.
Donnerstag, den 23. Juni
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1881.
Deutsches Reich.
Wie in München versichert wird, wäre die bayerische
Ztaatsregierung nicht abgeneigt, sich im Bundesrathe für die
Sanctionirung des Unfallversicherungsgesetzes, wie es vom Reichs—
jage angenommen wurde, zu erklären, es wird aber bezweifelt, ob
zin deßfallsiger Antrag unserer Staatsregierung zum Ziele führen
vird, in solange nicht auch die preußische Staatsregierung, bezw.
er Reichskanzler der gleichen Ansicht ist, und das soll eben der
zall nicht sein.
In der die bayerischen Landtagswahlen auf 14. und resp.
1. Juli nächsthin anordnenden Allerhöchsten Entschließung heißt
3 am Schluß: „Wir erwarten hierbei von allen Behörden ge⸗
oissenhafte Erfüllung ihrer beschworenen Pflichten, Leitung der
Vahlverhandlungen mit rücksichtsloser Unbefangenheit, Beschirmung
er Freiheit der Wahlstimmen vor Einschüchterung oder Bestechung
ind pflichtgemäße Enthaltung von jeder Beschränkung der Wahl⸗
reiheit.“
Ueber demnächst bevorstehende Veränderungen im bayerischen
driegsministerium berichtet das in militärischen Angelegen—
jeiten gut bediente „M. Fr.“: „Wie wir vernehmen, bestäligt sich
as Gerücht, daß Kriegsminister v. Maillinger um Enthebung von
nesem Posten nachgesucht habe, und ist an dessen Stelle der Oberst
es 8. k. b. Infanterie-Regiments, Frhr. v. Godin, zum Kriegs-
ainister ausersehen.
Das vom Abg. Dr. Buhl eingebrachte Gesetz über das
jerbot der Weinfälschung ist im Reichslage nicht mehr zur
»erathung gelangt; in der Kommission war es unter ausdrücklicher
zustimmung des Direktors im Reichsgesundheitsamt, Dr. Struck,
instimmig angenommen worden. Wie die „Magd. Ztg.“ hört,
legt es in der Absicht der Regierung, ein derarüges Gesetz aus
igener Veranlassung in der naͤchsten Session einzubringen.
Ausland.
Die Vorgänge in Marfeille haben auch in Paris große
Aufregung hervorgerufen und mehrfach sind Mißhandlung einzelner
ztaliener durch wüthende Volksmengen vorgekommen. Vie beider—
eitigen Blätter, statt zur Ruhe zu mahnen, gießen noch Oel in
as Feuer und suchen die Vorgänge dem Gegner aufzubürden.
das große Publikum in Paris fordert ungestüm die Ausweisung
iller Italiener aus Frankreich.
Die Marseiller Unruhen haben einen Blick auf die
urch die tunesische Affäre entstandene auswärtige Polilik Frank-
richs werfen lassen. Eine Straßenschlägerei hat keine politische
Bedeutung, aber wo künftig für oder gegen Frankreich Stellung
u nehmen ist, wird Italien seiner Niederlage in dem tunesischen
dandel gedenken. Wie man erfährt, bot Frankreich in Rom
ripolis als Entschädigung; die Italiener verlangten Suͤdtirol, und
ieses durch Oesterreich und auch durch Deutschland gedeckte Stück
er Irredenta konnte Frankreich natürlich nicht gewähren. Wahr⸗
cheinlich wird sich die Irredentabewegung alliälich auf Nizza
vderfen; der tunesische Handel hat diesen Umschlag hervorgerufen.
zm Uebrigen erhelli das gegen die französische Politik überall ein—
etretene Mißtrauen unter Anderem auch daraus, daß die Times“
ch gegen einen Kanaltunnel als eine Gefährdung der englischen
icherheit ausgesprochen hat. Das gegenwärtige Frankreich ist
migermaßen isolirt, und seine inneren Zustände werden es in
er nächsten Zeit schwerlich bündnißfähiger machen.
In Marfeille dauern die Ruhestörungen theilweise fort.
ile Vorsichtsmaßregeln sind getroffen. Die Zahl der Verhafteten
tauf 200 gestiegen.
Die russischen Revolutionäͤre wandten sich dieser Tage neuer⸗
ings an den Kaiser Alexander III. mit einer schriftlichen Kund—
dung in welcher sie denselben ‚bei Allem, was ihm heilig, lieb
id sheuer ist“, beschwören, endlich mit der Verwirklichung
noch von dem verstorben Kaiser Älexander Il. in Aussicht
tellten und vom Kaiser Alexander III. in seinem Manifeste vom
*. April (11. Mai) ds. Is. erwähnten politischen, socialen und
momischen Reformen und der in diesem Manifeste versprochenen
isrottung der Lüge und des Raubes ernst zu machen und die
nge nicht auf das Aeußerste ankommen zu lassen.
Pfälzisches Schwurgericht.
II. Quartal 1881.
Am 20. Juni begann die Schwurgerichtssession unter dem Vorsitze des
.Oberlandesgerichtsrathes Wol f. 1) Verhandlung gegen Wilhelm Michel,
6 Jahre olt, Bäcker, Krämer uud Wirih von Rodalben wegen Ver⸗
rechens des betrügerischen Bankeroits. Vertreter der k. Staatsbehörde:
Staatsanwalt Petri. Vertreter des Angeklagten: Rechtsanwalt Giessen. Ter
Angeklagte trieb in Rodalben Bäckerei, Wirthschaft und ein Spezereigeschäft,
och gelang es ihm nicht, im Laufe der Zeit, feine Vermögensverhältnisse
‚ünstig zu gestalten. Bei Eingehung der Ehe dalle er kein Vermögen, eben⸗
o nicht seine Frau; dazu kam mit der Zeit eine zahlreiche Familie. Er
am immer mehr in Schulden und so kam es, daß ihn in den letzten Jahren
äufiger seine Gläubiger drängten. Im Februar ds. Is. wurden ihm seine
immtlichen pfändbaren Mobilien im Betrage von 1577 M. gepfändet. Da⸗
nals fiel schon auf, daß sich in seiner Wohnung so wenig Möbel und Weiß—
eug vorfand, obwohl eine Versich-rungspolice aus dem Jahre 1876 ergab,
»aß der Angeklagte seine Mobilien zu 10415 Gulden versichert hatte. Ani
Februar abhin wurde der Angeklagte in Concurs ertlärt. Am selben
age erklärte dieser dem provisorischen Concursverwalter, als derselbe sich über
ie geringe Zahl der Vermögensslücke wunderte, er hätte keine Vermögens-
fücke bei Seite geschefft oder verheimlicht. Jedoch sollte eine am 1. März
tattgehabte Haussuchung bei seinem Schwager, dem Wirth Dreirzehner in
odalben, die Ungabe des Angeklagten Lügen strafen. Man fand daselbsit
ine Menge Weißzeug, Mobiliar und sonstige Gegenstände; der Werth der
sier vorgefundenen und anderwärts verschleppten, inzwischen auch wieder her⸗
eigeschafften Gegenstände belief sich auf 1070 M.NAus alledein begründete
ie k.S laatsbehorde die Anklage; gestand jedoch selbst zu, daß die Noth in
ner sich der Angeklagte befunden habe, seine Thal in milderem Lichte erschei
ien lasse. Die Vertheidigung besiritt die Absicht des Angeklagten, seine Glau—
iger zu benachtheiligen. Schon unterm 7. Februar habe der Angeklagte
einen Gläubigern 25 pCt geboten, und nad ver Schätzung des Massever⸗
valtecs ergeben sich bei der Veräußerung des ganzen vorhaͤndenen Vermögens
eine 235 pCt. Wenn er also selbst mehr geboten habe, als vorhanden sei,
o könne man doch nicht annehmen, daß er eine Benachtheiligung seiner
vläubiger im Auge gehabt habe, UÜebrigens sei der Angeklagte ein Mann,
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erkrankheit gehabt habe und außerdem über keine hervorragenden geistigen
Fähigkeiten verfüge, so daß gewiß, wenn ihm eine Schuld angerechnet werden
ollte, dies doch nur im mildesten Sinue geschehen könne, umsomehr, als der
Angeklagte jetzt schon 4 Monate in Unterjuchungshaft sitze. Die Geschworenen
nejabten die Schuldfrage unter Annahme mildernder Umstände und wurde
»er Angeklagte zu einer Gefängnißstcafe von d Monaten und zu den Kosten
des Verfahrens verurtheilt.
Vermischtes.
*St. Ingbert, 23. Juni. In einer am Dienstag
tattgehabten Sitzung beschloß der Stadtrath, mit dem kommenden
Wintersemester dahier zwei neue kath. Schulen, eine Knabens und
eine Mädchenschule, zu errichten. Wenn in einer Schulklasse, wie
in der unteren kath. Knabenschule, nahezu 140 Kinder sitzen, dann
st gewiß die Errichtung neuer Schulen kein Luxus wehr. — In
ꝛerselben Sitzung kam auch die Erbauung eines Schlachthauses zur
Sprache. Das Sprichwort sagt: Wenn man lange bon etwas
pricht, so kommt es. Hoffentlich erweist sich dasseibe in Bezug
nuf die Erbauung eines Schlachthauses auch wieder einmal als
„Wahrwort.“
*St. Ingbert, 23. Juni. Wir bringen im Annoncen⸗
heil dieser Nummer unseren Lesern die Aenderungen im Sommer—
ahrplan zur Kenntniß, welche durch Verfügung der Direktion der
Pfälzischen Eisenbahnen auf der Strecke Zweibrücken⸗St.
Ingbert-Saarbrücken von gestern ab eingetreten sind.
Es wird mit der neuen Anordnung zum Theil ein schon oft laut
Jewordener Wunsch der hiesigen Bevölkerung erfüllt, und gebührt
»arum der Direktion, deren Loyalität ja bekannt ist, von hier aus
der wärmste Dank.
*— Gestern Nachmittag machte der Verein „Harmonie“
nit der Kapelle des Hrn. Schadewitz einen Ausflug nach Neuweiler.
Wohl kostete es in der drückenden Hitze manchen Schweißtropfen,
is der Weg dahin zurückgelegt warr Aber die Stimmung wurde
»adurch nicht getrübt und zudem hatte Hr. Russyh, in dessen Lokalis
äten Einkehr gehalten wurde, vortrefflich für Erholung gesorgt.
Nach einem angenehmen und vergnügten Nachmittag ging es erst
nn der kühlen Abenddämmerung unter den Klängen der Musik
bergabwärts wieder der Stadt zu.
Am Dienstag Abend hat sich in der Kaserne zu Zwei—
rücken ein Soldat des 2. Bat. 18 Inf.«Reg., aus dem jen—
eitigen Bayern gebürtig, mit einer blinden Patrone erschossen.