Sl. Ingberler Anzeiger.
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Sonntaq, den 3. Juli 1881.
Deutsches Neich.
In den Münchener Diplomaten⸗ und Beamtenkreisen geht
das Gerücht, daß auch der b. Justizminister Dr. v. Fäustle der
Leitung des Justizministeriums enthoben würde und man bezeichnet
als seinen Nachfolger den Rath am obersten Landesgericht v. Bomhard.
Aus der offiziösen Mittheilung über die letzten Beschlüsse des
Bundesraths erhellt, daß der Beschluß betr. Reichskassenscheine
dahin geht, den Betrag der ausgegebenen Reichskassenscheine zu 20
und 5M. auf je 10,000,000 M. einzuschränken und den Betrag
der Reichskassenscheine zu 50 M. in dem gleichen Verhältniß zu
erhöhen.
Der „Norddeutschen Allg. Ztg.“ zufolge wird der Reichstag
ooraussichtlich sich mit Zoll- und Steuergesetzen zu beschäftigen
jaben, durch welche den Einzelstaaten aus Quellen der indirekten
Reichssteuer die Mittel zugeführt werden sollen, um die direkten
Steuern und die Gemeinde-Zuschläge zu diesen Steuern sowie die
Armenlasten und Schullasten der Gemeinden zu erleichtern. Für
Preußen werde es sich außerdem um die Mittel zu Kanalbauten
handeln, deren der Nordwesten von Deutschland vollständig entbehrt.
Fürst Bismarck ist mit Familie am Freitag Morgen
von Berlin nach Kissingen abgereist.
Ausland.
Auch am 29. Juni wurden in Prag wieder mehrere deutsche
Studenten von Czechen mißhandelt. Die böhmische Statthalterei
ermächtigte die Prager Polizei, zur Aufrechthaltung der Ruhe Militär
zu requiriren. Die Universität ist polizeilich abgesperrt; Placate
derkünden, daß keine Vorlesungen gehalten werden. Sämmtliche
zechische Blätter Prag's wurden wegen aufreizender Artikel gegen
die Deutschen confiscirt.
Die französische Deputirtenkammer nahm am Freitag auf
die bekannte Interpellation Jacquens wegen der Vorgänge im
Süden der algerischen Provinz Oran eine Tagesordnung, welche
das Vertrauen der Kammer zu der Regierung ausdrückt mit 282
gegen 194 Stimmen an.
Der Umschwung zum Bessern, der sich in voriger Woche in
Irland bemerkbar machte, dauerte auch diese Woche in erfreulicher
Weise fort. Gewaltthätigkeiten kamen nur wenige vor, doch werden
die von der Regierung ergriffenen Maßregeln noch immer mit
zroßer Strenge durchgeführt, und Verhaftungen sowohl als Ermis—
ionen dauern fort. Im Ganzen macht sich jedoch selbst auf den
Landmeetings ein gemäßigterer Ton bemerklich, und es ist möglich,
daß die Krisis ihren Höhepunkt überschritten hat.
Der Kaiser von Rußland fürchtet stetig um sein Leben.
Der Beklagenswerthe hat auch Ursache dazu; seit eiwa vierzehn
Tagen ist nämlich schon der achte Beamte, der den Verschwörungen
aachspüren sollte, spurlos verschwunden. Die Leiche eines desselben,
vurde schmählich ermordet, im kaiserlichen Parke zu Peterhof ge—
unden. Fortwährend gehen dem Kaiser und seinen Kindern in
merklärlicher Weise Drohbriefe zu, welche es immer wahrschein⸗
icher machen, daß der Kaiser im eigenen Hause von Mörderge—
iossen umgeben ist
Bfälzisches Schwurgericht.
II. Quartal 1881.
In der Sitzung vom 80. Juni wurde abermals eine Anklage wegen
Meineids verhandelt. Der angeklagte Johannes Dreber, 35
Jahre alt, Aderer und Wagner in Orbis, wurde des ihm zur Lasi gelegten
Berbrechens für schuldig erkannt und zu einer Zuchthaussir'a se von
bJahren verurtheilt unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf
vie Dauer von 5 Jahren und ferner dauernd unfähig erklart, als Zeuge oder
Zachverständiger eidlich vernommen zu werden. Es ist diese empfindliche
Strafe eine ernste Mahnung, es mit der Wahrheit und dem Eide nicht jo
eicht zu nehmen, wie es in unserenen Tagen leider so haufig geschieht.
Vermischles.
*St. Ingbert, 2. Juli. Gestern Abend war uns
durch das Conzert, welches die Kapelle des Schlesweg-Holstein'schen
Dragoner—Regiments Rr. 18 (in Si. Avohd in Garnison)
anter der Leitung des Herrn Kapellmeister Fuhrmann im
Oberhauser'schen Garten gab, ein höchst seliener vorzüglicher Kunst-
zenuß geboten. Das Programm var sehr reichhaltig und vortreff⸗
ich gewählt. Der Vortrag der ꝛinzelnen Piecen war ein ganz
ausgezeichneter; bei jeder Nummer zeigte sich die exakteste Schulung.
Ihrem bekannten vortheilhaften Ruf hat' die Kapelle gestern bei
ins in jeder Hinsicht alle Ehre gemacht. Es wird darum auch
ielen Lesern angenehm sein, zu hören, daß dieselbe zu einem
weiten Conzerte dahier gewonnen ist, das sie auf der Rückreise in
hre Garnison in etwa 14 Tagen veranstalten wird. Auf ihrer
dunstreise in der Pfalz aber wüschen wir derselben allenthalben eine
zute Einnahme; bei der Vorzüglichkeit ihrer Leistungen verdient sie es.
? Aus dem Bliesthal. Am Donnerstag ereigneie sich
nn Blieskastel ein sehr beklagenswerther Unfall. Der Schiefer-
decker Karl Bieringer von dort war auf dem Dache eines zwei⸗
töckigen, B. Legrum gehörigen Wohnhauses beschäftigt. Aus dieser
Höhe stürzte er herab und war sofori todt.
F Für den Wahlkreis Zweibrücken ist als Wahllokal
er Fruchthallsaal zu Zweibrücken, als Wahlkkommissär Hr. Bez.-
Amtmann Dr. Schlagintweit, für den Wahlkreis Landstuhl
uls Wahllokal das Rathhaus daselbst, als Wahlkommissär der kgl.
Regierungsassessor Frhr. v. Tucher bestimmt.
— Bezüglich der neulichen Mittheilung der „Pf. V.“, daß ein
dandelsmann in der Umgebung von Winnweiler größere
harthien Herbstzeitlose gekauft habe, wird dem genannten Blatte
emerkt, daß dieser Ankauf im Auftrage einer chemischen Fabrik
erfolgt sei, welche diese Pflanze zur Gewinnung von Gallussäure
ʒenutzt.
Der „Dürkh. Anz.“ schreibt: Fast scheint es, als wollten
die sieben fetten Jahre mit dem jetzigen ihren Einzug in unsere
Pfalz halten. Unwillkürlich wird man nämlich daran erinnert,
venn man einen uns aus Un gstein gütigst übersandten Korn—⸗
jalm betrachtet, der nicht weniger als drei mit wohlausgebildeten
örnern gesegnete Aehren trägt. Und da klage noch Einer über
die schlechten Zeiten!
F In einem am kgl. Landgericht Frankenthal an—
jängigen Processe (Lefo contra Kraft) kam am Donnerstag die
Frage zur Entscheidung, „ob ein vollstreckbar erklärter amtsgericht⸗
icher Zahlungsbefehl (Vollstreckungsbefehl) eine gerichtliche Hypo—
heke und damit eine rechtsgiltige Inscription beqgründe“ und wurde
zieselbe bejaht!
Die nächste Prüfung für den Einjährig-Freiwilligen-Dienst
vird im Herbste in Speyer abgehalten. Diejenigen jungen
deute, welche die Prüfung mitzumachen wünschen, haben ihre Ge—
uche um Zulassung längstens bis zum 1. August bei der Prüfungs⸗
ommission einzureichen.
F Nach der „Saarbrücker Zig.“ hatten unsere Nachbarstädte
SZaarbrücken und St. Johann gestern (Freitag) hohen Besuch zu
exwarten. Es wollte nämlich daselbst, Nachmittags 1 Uhr 50 Min.
Zeine Maj. der König Oskar von Schweden eintreffen und im
dotel Guepratte Absteigequartier nehmen, um dann zu Wagen das
Spicherer Schlachtfeld in Augenschein zu nehmen. Abends sollte
vieder die Rückreise nach Trier resp. Ems erfolgen.
Bezüglich des heurige Ernteurlaubes ist vom
zayer ischen Kriegsministerium bestimmt worden, daß per Kom⸗
»agnie 65 Mann auf 4 Wochen zu beurlauben sind. Die Fest⸗
etzung des Beginnes ist den Generalkommandos überlassen; Mitte
Juli dürfte hiezu ausersehen sein.
Die Herbstmanöver des 17. und 18. Inf.Regiments finden
in Unterfranken Statt, wohin die Bataillone aus Germers⸗
heim, Landau und Zweibrücken per Eisenbahn und einen Fußmarsch
gebracht werden.
Am Dienstag Vormittag 9*0 ist Se. Maj. König Lud⸗
vigvon Bayern mit Gefolge per Extrazug in Luzern ein⸗
zJetroffen und sofort mit Extraschiff nach Brunnen verreisst, um
einige Zeit auf Axenstein sich aufzuhalten. Es soll eine vierwöchent⸗
liche Tour durch die Schweiz, Italien und Frankreich in Aussicht
genommen sein. S. Maj. reist im strengsten Inkognito und ist
nur von 1 Adjutanten, 1 Arzt und 2 Dienern begleitet.
Probates Mittel gegen rothe Nasen. In Salzwedel
jatte sich ein biederer Buͤrger, dem es sehr viel Kummer machte,
daß seine Nase eine fabelhaft rothe Färbung besaß, infolge einer
Zeitungs-Annonce postlagernd an einen Wohlthäter der Menschheit