St. Ingberker Anzeiger.
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8 111.. Donuerstag, den 14. Juli
1881.
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Deutsches Reich.
Wie jetzt mit einiger Sicherheit verlautet, wäre in Berlin
als Wahltag für den Reichstag Montag, der 17. Oktober,
in Aussicht genommen, ohne daß darüber etwas Festes schon ver—
einbart worden wäre, weil die anderen Regierungen darüber mit zu
zeschließen haben.
Der Reichs⸗Anzeiger veröffentlicht das Gesetz betreffend die
Abänderung von Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes
und der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher.
Es gehen Gerüchte von dem Rücktritte der kommandirenden
wenerale mehrerer deutschen Armeekorps; wiederholt werden die
Ramen zweier Generale in den Ostseeprovinzen genannt; insbe—
ondere heißt es aber, Graf Stolberg-Wernigerode, kommandirender
Beneral des VII. Armeekorps, werde binnen Kurzem von seinem
Posten zurücktreten. Wie es heißt, wäre die Veranlassung hierzu
außer dem hohen Alter des Grafen ein ausgeprägtes Leberleiden.
Der deutsche Kaiser wird am 14. Juli (heute) in Bad
Hastein erwartet. Nach Schluß der Kur ist eine Zusammenkunft
)esselben mit Kaiser Franz Joseph von Oesterreich (wahrscheinlich
m Salzburg) in Aussicht genommen.
Ausland.
Der Züricher Kantonsrath beschloß betreffend den
Protest gegen das Verbot des sozialistischen Weltkon—
gresses mit 120 gegen etwa 30 Stimmen einfache Tagesord⸗
aung, indem er sich unzuständig erklärte, das von der Bundes⸗
Regierung erlassene Verbot aufzuheben.
Das Nachspiel zu der französischen Erpedition in Tunis
jangt an, für die Franzosen immer kritischer zu werden. So
meldet die „Républipue frangaise“, daß Sfax von den aufstän—
zischen Arabern zerstört sei. Die Zahl der arabischen Bewaffneten
welche zuerst auf 15,000 angegeben war, beträgt vielmehr 30,000.
die in Sfar stationirten tunesischen Streitkreifte mußten wegen Un—
zuverlässigkeit zurückgezogen werden, und die 4000 Mann fran⸗
zͤsischer Truppen vermochten Angesichts der Uebermacht der Araber
aicht zu landen. Es wird nun die Ankunft von weiteren 3000 Mann
französischer Truppen erwartet. Ob sich das Verhältniß alsdann
zu Gunsten der französischen Heeresmacht verändern wird, ist sehr
zweifelhaft, da von Kernan ununterbrochen Ansammlungen der
aufständischen Araber gemeldet werden.
Von allen Seiten her kommen Stimmen, welche den engeren
Anschluß Italiens an das österreichisch-deutsche Buündniß melden.
Fene italienische Tendenz ist durch die französischen Unarten allerdingẽ
jehr nahegelegt; ob sie dauerhaft sein wird, muß die Folge lehren.
In Rußland treten immer wieder Zeichen der staatszer⸗
etzenden Thätigkeit der Nihilisten zu Tag. In Kronstadt war
um 2. ds. die Leiche eines Verhörrichters mit dem von den Nihi—
ästen öfter angewendeten grauen Sack über dem Kopfe im Wasser
uufgefunden worden und an demselben Tage ist der Secretär Ba⸗—
anow verschwunden. Ein Marineofficier, den man für den end—
ich gefundenen Käsebuden-Inhaber Kobosew hielt, ist aus dem
Befängniß mit noch einem seiner Kameraden entflohen. Den
Schließer fand man narkotisirt in der Gefangenenzelle und die
Wachen durch Verkleidung der Gefangenen geiäuscht, vielleicht auch
durch den allgewaltigen Rubel bewogen worden, ihre Augen vor
den Vorgängen im Gefängnisse zu schließen.
Klassisch bleibt bis zum Ende die Pfortenpolitik. Offi⸗
ziös versichert sie, die Ueberlieferung der an Griechenland abge—
iretenen Grenzdistrikte beschleunigen zu wollen, schon um angesichts
aller etwaiger Verwicklungen freie Hand zu haben; in demselben
Augenblick aber kommt auch schon die Nachricht, daß sie die Aus—
ieferung dieser Distrikte um 40 Tage zu verzögern wünscht. Diese
40 Tage werden sich wohl noch bedeutend verlängern, wenn Europa
aicht Ernst macht.
Das Befinden des nordamerikanischen Präsidenten
Warfield ist so günstig, daß er jetzt von den Aerzten beinahe außer Gefahr
rrklärt wurde. — In den Vereinigten Staaten herrschte in den
etzten Tagen eine ungewöhnlich starke Hitze; in vielen Städien
verzeichnete der Thermometer über 30 Grad Reaumur; viele Er—
lkrankungen am Sonnenstich kamen vor.
Vermischtes.
*St. Ingbert, 14. Juli. Die Betheiligung bei der
heute stattgehabten Urwahl zum Landtag war dahier eine sehr leb⸗
hafte. Gewählt wurden:
1. im J. Wahlbezirk (bei 558 Wahlberechtigten und 374
Abstimmenden die Candidaten der patrioti sschen Partei und
war die HH.: Jos. Heinrich, Wirth mit 212, Greß, Peter, Bäder mi
210, —5 Conrad Schneidermeister mit 210, Fenn, Nikolaus,
Schneidermeister, mit 198, Woll, Franz, Organist, mit 212,
dellenthal, Johann, Bäcker, mit 213 Stimmen
Von den Gegencandidaten erhielt Hr. Hüttenwerksbesitzer
Askar Krämer 171, Hr. Bergmeister Kamann 158 Hr. Wein⸗
jündler Heinrich Laur 152, Hr. Posthalter Ernst Conrad sen.
50,. Hr. Rentner Ludwig Vogelsang 139, Hr. Steiger Philipp
Scheimeister 133 St. *
2. Im II. Wahlbezirk (bei 538 Wahlberechtigten und
366 Abstimmenden) wurden ebenfalls die Candidaten des patri—
otischen, Wahlvorschlags gewählt und zwar: Hr. Kaufmann
L. Grewenig mit 223, Hr. C. Custer, Gerber, mit 230, Herr
C. Beck, Wirth, mit 228, Hr. Peier Redel jr., Fuhrmann mit
222, Hr. Peter Kißling, Schuhmachermeister, mit 2316, Hr. Jak.
Jost, Schneidermeister, mit 213 St. In der Minorität blieben
die HH. Gustav Krämer, Hüttenwerksbesitzer, mit 131, Nikolaus
Betz, Drahtziehermeister mit 133, Friebr. Weigand, Thierarzt,
mit 129, Joh. Fiack, Direktor, mit 127, Friedr. Steinfeld, Kauf⸗
mann, mit 128, Aug. Eifler, Bahnhofverwalter mit 126 St.
3. Im III. Wahlbezirk haben von 319 Wahlberechtigten
226 abgestimmt. Davon stimmten für die Liberalen Candi—
daten und zwar für Hrn. Heinrich Krämer, Hüttenwerksbesitzer,
151, für Hrn. Jak. Sonn sen., Steiger, 136 für Hrn. M.
Thiery, Bäcer, 130. Von den Gegencandidaten erhielt Hr.
Touifsaint, Wirth, 88, Hr. V. Schwarz. Wagner, 81, Hr. Joh.
Just sen. Schuhmachermeister 74 St.
Von der Schuappbach (4. Wahlbezirk unserer Stadt) ging
uns folgendes Wahlresultat zu: Von 174 Stimmberechtigten haben
142 abgestimmt. Die Majorität erhielten die Candidaten des n
beralen Wahlvorschlags und zwar die HH. k. Obereinfahrer Kramer
108 St. Steiger Zimmermaun 108 St. Siegwardt, Ludwig 108
St. Von den Gegencandidaten erhielten die HH. Adam Buser,
Lehrer Müller und Adjunkt Siegwardt jeder 33 St.
*St. Ingbert, 14. Juli. Wie uns erzählt wird, wurde
heute Morgen in der preußischen Grube H einitz der Bergmann
Heinrich Jun g von hier, verheirathet und Vater eines Kindes
beim Sprengen erfchlagen. Ausführlicheres konnten wir bis jetzt
noch nicht erfahren.
*St. Ingbert, 13. Juli. Aus einer Bekanntgabe des
Central-Comites für das am 17. und 18. Juli in Frankenthal
sttattfindende Musikfe st ersehen wir, daß auf hie siger Bahn⸗
tation, wie auf verschiedenen anderen pfälzischen Statidnen eine
Finzeichnungsliste für nummerirte Plätze bei den Aufführungen auf
bewußtem Feste offen liegt. Die Direftion der Pfälz. Bahnen hat
den Besuchern eine Fahrtaxermäßigung von 50 Proz. bewilligt,
und zwar derart, daß gegen Vorzeigung der Conzertbillets einfache
Bahnbillets ausgegeben werden, welche zur freien Rückfahrt berech⸗
tigen. Bemerkt sei noch, daß die genannten Einzeichnungslisten
am nächsten Freitag (15. Juli) geschlossen werden.
Die königl. Kreisregierung der Pfal z macht darauf auf⸗
merksam, daß in Gemeinden, in welchen die Miethsteuer eingeführt
ist, eine Revision derselben in der 16. Finanzperiode statisinden
ann, wenn sie von der Regierungsfinanzkammer angeordnei oder
»om Gemeinderath oder von mindestens dem dritten Theil der
Miethsteuerpflichtigen beantragt wird. Etwaige Anträge auf Vor—
aahme einer örtlichen Haus-(Mieth⸗)steuerrebision sind dis längstens
31. Dezember zu stellen.
F In einer am Sonntiag in Altenglan stattgehabten
Versammlung der Volkspartei wurde der Candidat derselben, Herr
Jul. Krafft aus Neustadt, vorgestellt. Herr Krafft erklärte, kein Freund
von langen Reden und Auseinandersetzungen zu sein. Sein gan—
zes Programm bestehe in der Aufnahme der Grundrechte bon 1840