Sl. Ingberler Anzeiger.
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uun. —
Sonntag, den 24. Juli
1881
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Deutsches Reich.
Wie die „Frankf. Ztg.“ hört, liegen bestimmte Aeußerungen
des Reichskanzlers aus der letzten Zeit vor, wonach derselbe, falls
der Reichsstag wiederum seine Steuer⸗ und sozialen Projekte
iblehnen sollte, denselben so oft auflösen werde, bis sich die von
hm hierfür verlangte gefügige Majorität gefunden haben wird.
Der Reichskanzler hat schon einen Beweis dafür ge⸗
geben, daß er ernstlich daran denkt, das Unfallversicherungs⸗
gesetz dem neugewählten Reichstage wieder vorzulegen. Auf seine
Veranlassung werden nämlich gegenwärtig in allen Bundesstaaten,
wie aus dem amtlichen Blatte der königlich sächsischen Regierung
zu ersehen ist, statistische Ermittlungen über die Unfälle vorge—
nommen, welche sich in den hierbei hauptsächlich in Betracht
ommenden Gewerben ereignen. Zu diesem Behufe sollen zunächst
die während der Zeit vom 1. August bis 30. November laufenden
Jahres in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen
und Gruben, Werften, Anlagen für Bauarbeiten Gauhöfen),
Fabriken und Hüttenwerken, sowie bei allen sonstigen, durch Dampf⸗
essel oder elementare Kraft (Wind, Wasser, Gas, heiße Luft ꝛc.)
bewegten Triebwerken vorkommenden Unfälle und ihre Folgen und
die am 53. Oktober laufenden Jahres in diesen Betrieben beschäf⸗
tigten Personen nach Geschlecht und Alter ermittelt werden.
In neuerer Zeit sind viele Klagen über Mißhandlung von
Soldaten laut geworden. Vielleicht würde es sich empfehlen, für
die deutsche Armee eine Verfügung ergehen zu lassen, wie sie
jüngst vom Chef der Admiralität für die Kriegsmarine erlassen
worden ist. Es ist nämlich nach derselben den mit der Disz ip—
linarstrafgewalt versehenen Offizieren eingeschärft worden, dieselben
genau nach den Bestimmungen der Strafordnung und der dazu
ertheilten Anweisung auszuüben. Es heißt u. M in dieser Ver—
fügung: „Andere Strafen als die vorgeschriebenen in der Form
disziplinarischer Maßregeln anzuwenden, würde als ein Ueberschreiten
der Strafbefugnisse nach Z 118 des Militärstrafgesetzbuches unge—
setzlich und strafbar sein. Der Vorgesetzte ist nicht nur für seine
Person verpflichtet, solche Vorstöße gegen das Gesetz zu vermeiden,
er soll sie auch bei dem ihm untergehenen Personal nicht dulden.“
Das deutsche Reich unterhielt bisher beglaubigte Militär—
Bevollmächtigte nur in Petersburg, Paris, Rom, Brüssel, Wien,
Bern und München. Seit einigen Tagen ist ein solcher Posten
nuch für Konstantinopel kreirt, und zwar ist der Hauptmann v.
Deines vom Generalstabe zu obiger Mission berufen worden und
bereits nach dem goldenen Horn abgereist.
Ausland.
Ein Rundschreiben des frauzösischen Ministers des Innern
zeigt den Präfekten und allen Beamien an, daß sie während der
Wahlzeit sich unbedingt neutral zu verhalten haben; jeder Beamte,
der dieser Vorschrift zuwiderhandelt, wird abgesetzt werden.
In Sfax (Tunis) haben sich einige Tage hindurch Ein—
wohner unter den Trümmern ihrer Häuser verborgen gehalten und
auf Franzosen geschossen. Man spürt jetzt überall nach. Die
Sfaxer ließen sich bei mehreren Gelegenheiten eher todtschießen,
als daß sie sich ergeben hätten. Aus Karuan wird gemeldet, daß
die Gays die Franzosen erwarten und sich zum Kampfe rüsten.
Sie haben einen Aufruf an alle Stämme gerichtet. Man schätzt
die Zahl der streitbaren Männer auf 20,006.
Das Konstantinopeler Journal „Vakit“ schreibt die schlechten
Erfolge der türkischen Verwaltung dem absoluten Mangel an
ähigen Beamten zu. Die Regierung solle 'geeignete ausländische
Beamte für die Hauptstadt und die Provinzen berufen und diese
zut honoriren. An dem schnellen Aufschwung von Ost-Rumelien
und der Verwaltung der sechs türkischen Steuerarten durch fremde
Verwalter könne man den guten Erfolg sehen. Die Einnahmen
ꝛer Türkei würden auf diese Weise sich bald erheblich steigern.
Vermischtes.
*St. Ingbert, 283. Juli. Heute Vormittag gerieth ein
echsjähriger Schulknabe in der Nähe des Schulhauses im Josephs—
hal unter einen vorüberfahrenden leeren Wagen, so daß ihm die
Räder über einen Fuß gingen. Schaden scheint derselbe glücklicher—
weise nicht genommen zu haben. Das nahm wohl auch der Fuͤhr—
mann an, weil er, ohne sich nur ꝓach dem am Boden liegenden
dnaben umzuschauen, so sorglos seines Weges weiter fuhr.
*St. Jugbert, 238. Juli. Morgen Nachmittag findet
m Walde bei Neuweiler das Jahres-Sänger⸗Fest des Sänger⸗
zundes in Sulzbach-Thale statt. Eine gtößere Anzahl Gesang⸗
ereine wirkt dabei mit. Auch der hiesige Gesangverein „Ge—
nüthlichkeit“ hat, einer an ihn ergangenen Einladung entsprechend,
eine Mitwirkung in Aussicht gestellt.
x* Auch aus einem gtoßen Theile der jenseitigen Wahlkreise
iegt heute das Resultat der Abgeordnetenwahlen vor. Der Raum
inferes Blattes gestattet uns nicht, die Namen aller Gewählten
jier mitzutheilen; unsere Leser berlieren zudem dabei auch nichts.
Zemerkenswerth ist nur, das Ergebniß det Wahl in München J,
vo von der Mehrheit der Wahlmänner neben 4 Abgeordneten, die
her partriotischen Partei angehören, auch der: der conservativen
Bartei angehörige protestantische Regierungsrath Luthard in Augs-
zurg gewählt wurde. Mehrere Sitze im neuen Landtag. haben die
„Extremen“ (im Gegensatz zu den „Gemäßigten“ der patriotischen
Partei) erobert. Drei Wahlgänge waren in Würzburg noth—⸗
vendig, wo Patrioten, Demokraten und Liberale schroff an
»en don ihnen aufgestellten Candidaten hielten, ohne dabei
ür einen die obsolute Majorität herauszubringen. Ein
Resultat ist von da noch nicht bekannt. Soviel sich bis jetzt
ibersehen läßt, stimmt im großen Ganzen der Ausfall der Wahlen
nit der vbom „N. K.“ aufgestellten Berechnung (siehe „Anz.“ Nr.
115). Miesbach, das in jener Berechnung nicht mitgezählt
var, wählte patriotisch.
Ein schweres Gewitter zog am 20. ds. Abends gegen 6
Uhr über die Gemarkung Börrstadt. Auf dem, dem Guts-
ʒefitzer Naffziger gehörenden Herfingerhofe (Gemeinde Börrstadt)
chluͤg der Blißz in Scheuer und Stall ein und tködtete zwei Rin⸗
er. Das Scheuerdach wurde stark beschädigtk, das entstehende Feuer
onnte jedoch im Keim erstickt werden. Bemerkenswerth ist, daß die
stinder nicht neben sondern gegen einander, durch einen Gang ge⸗
rennt, standen und während die auf einer Seite hart nebenan
tehenden unversehrt blieben, die andern gleichzeitig erschlagen wur—
»en. Der während des Gewitters herrschende Sturm hat Wohn⸗
Jaus und Oekonomiegebäude stark mitgenommen und etwa 10
Bäume umgerissen.
—Eine Frankenthaler Gerichtskommission stattete am Donners⸗
ag Vormittag dem Keller eines Weinhändlers und früheren Wein—
abrikanten zu Neustadt einen ihrer unliebsamen Besuche ab.
Zahlreiche Proben der verdächtigen Flüssigkeiten befinden sich in
den Händen der unerbittlichen Gerechtigkeit. J
F Vom 8. bis zum 10. August d. J. findet, nach der „Tr.
Z.“, in Saarbrüscken die allgemeine Versammlung der deut⸗
schen geologischen Gesellschaft statt.
— Ein vorsichtiger Kutsche. In München fuhr jüngst
in Fremder mit einer Droschke vor dem Hofbräuhause vor. Am
Zortale angelangt, fragte er den Kutscher: „Ist denn das die
Pinakothek, wohin ich wollte?“ — „Noa“, war die Antwort,
aber i hab glaubt, a Moaß Hofbräu könnt ihn vorher net schadn.“
Ob der fremde Gast von dieser salomonischen Sentenz Gebrauch
jemacht hat, ist uns uicht bekannt geworden. Bei der herrschenden
ditze läßt sich's schon glauben.
In Heidenheim am Hahnenkamm Mittelfranken) ist
der Renibeamte Ger'sst ner wegen Kassendefekts durchgebrannt
uind wird steckbrieflich verfolgt.
p Professor Klinkerfues in Göttingen (deer bekannte
Wetierprophezeiher) hat abermals ein meteorologisches Instrument
rfunden, für welches er um ein Patent nachgesucht. Laut Mit⸗
heilung des kaiserl. Patentamtes ist das Instrument ein „Luft⸗
prüfer und Anzeiger fuͤr Nachtfrost, Gewitter und Hagel“.
4 Glutvergiftung.) Unter gräßlichen Schmerzen, am ganzen
dörper hoch ausgeschwollen, erlag dieser Tage in Kitzingen
ein junger Mann in det Blüthe seines Lebens der Blutvergiftung
zurch Leichengift. Büttnermeister und Essigfabrikant Sattes daselbst
vurde am verwichenen Mittwoch von einer Mücke unbedeutend in
Aie Wange gestochen, welcher Verletzung der junge Mann keinen