Full text: St. Ingberter Anzeiger

Seminarinspektor Dr. Kittel und die k. Haupilehrer Leibig, Kro— 
nenberger und Kraus, entnehmen wir, daß die Zahl der Seminar⸗ 
Zöglinge, die diesmal vom Anfang bis zum Ende des Schuljahres 
Adrrandert blieb, sich im J. Curse auf 52, im II. Curse auf 46, 
im Ganzen also auf 88 belief, eine Besuchsstärke, wie sie das 
Speyerer Seminar seit seiner Errichtung (1839) nie hatte. Sti⸗ 
pendien erhielten die Zöglinge pro 1880/81 die Summe von 
10.1000 M. Erxterne Zoͤglinge zählte das Seminar nur 8. — 
Die Präparandenschule in Blieskastel war in drei Cursen 
von 85, die in Kirchheimbolanden von 55, die in 
Speyer von 80 Schülern besucht. Blieskastel erhielt 
an Stipendien 3223 Mrk. 56 Pf. Kirchheimbolanden 3459 Mrk. 
80 Pf. Außerdem ist noch zu erwähnen, daß die Stadiverwaltung 
von Blieskastel auf Antrag des Bürgermeistess Meyer zur 
Unterstützung armer, würdiger Zöglinge auch heuer wieder die 
Summe von 120 Mrk. aus städtischen Mitteln bewilligte, um da⸗ 
durch einen besonderen Beweis des Wohlwollens für die Anstalt 
zu geben. In sämmtlichen Anstalten (Seminar und Präparandenschu⸗ 
len) werden nur katholische Zönglinge unterrichtet, mit Ausnahme der 
Präparandenschulen zu Kirchheimbolanden und Blieskastel, in die 
zuch Protestanten aufgenommen werden. Dem Jahresbericht ist, 
wie in den Vorjahren, eine sehr gediegene Abhandlung des Semi— 
narinspektors Dr. Kittel beigegeben. Dieselbe hat heuer zum 
Thema: „Das Märchen von der absoluten Erziehung.“ 
4 Der „Pf. Zig.“ geht folgende Mittheilung zu; Der Civil⸗ 
senat des kgl. Oberlandesgerichts Zweibrücke n hat unlängst 
ein Urtheil erlassen, das sehr wichtig erscheint und eine der bis⸗ 
herigen Uebung entgegengesetzte Praxis einschlägt. So viel wir 
wissen, haben unsere psalzischen Gerichte resp. das Landgericht 
Frankenthal in Sachen der Eisenbahn⸗Bediensteten gegen die pfälz— 
Zahnverwaltung wegen Dienstesentlassung bisher constant entschieden, 
daß die bestehende Strafstala eingehalten werden müsse und die 
Dienstesentlassung nicht sofort, besonders wegen geringerer Vergehen 
nicht erfolgen könne. Dem früheren Eisenbahnschaffner G. in K. 
war wegen barscher Behandlung einer israelitischen Bahnabonnentin, 
die sich krotz mehrfacher Aufforderung geweigert hatte, ihr Fahrbillet 
vorzuzeigen, seines Dienstes entlassen worden. Der betr. Schaffner 
hatte nuͤmlich wegen Berufsbeleidigung protokollirt, die beklagte 
Israelitin war aber von dem Landgerichte Mainz freigesprochen 
worden. Item considerirte die Bahnverwaltung, daß ein Verschul⸗ 
Jen des Schaffners vorliege und entließ denselben aus seinem 
Dienste ohne Pensionsanspruch. Derselbe strengte eine Entschädi— 
zungsklage gegen die Vahnverwaltung an und erlangte auch bei 
dem Landgericht Frankenthal ein obsiegendes Urtheil. Dasselbe 
fannte dem Kläger, wenn wir nicht irren, eine einmalige Ent⸗ 
schädigungssumme von 4000 Mt. zu. Die beklagte Bahnverwal⸗ 
hung ergriff jedoch Berufung zum Oberlandesgerichte Zweibrücken, 
das zu Gunsten der Appellantin entschied, das erstrichterliche Ur⸗ 
cheil aufhob und aussprach: daß der Bahnverwaltung ein unbe— 
schränktes Disziplinarrecht über ihr Dienstpersonal zustehe, daß sie 
nicht an die stufenweise Einhaltung der Strafscala gebunden sei 
ind bei dem ersten und jedem Vergehen die höchste Strafe, die 
Dienstesentlassung, verhängt werden könne. Dem Vernehmen nach 
soll die Sache vor die Cassations⸗Instanz gebracht worden. 
pon Neustadt wurde am 27. Juli die 29. Jahresfeier des pfälz. 
dauptereins der Gustav⸗Adolf⸗Stiftung unter sehr ansehnlicher Be⸗ 
Heiligunggefeiert, nachdem am Abend vorher die Abgeordneten be 
rathend Vordersammlung gehalten hatten. Die Predigt des Pfarrers 
Zaurier von Frankenthal machte den besten Eindruck, desgleichen die An⸗ 
sprachen der übrigen Redner. Die Jahreseinnahme des pfälzischen 
Gustav⸗ Adolf⸗Vereins belief sich auf nahezu 18,000 Mark. Der 
bisherige Ausschuß ist wiedergewühlt worden. Zur Generalver⸗ 
sammluͤng des allgemeinen Vereins dieser Stiflung in Dortmund 
wurde nach längerer Debatte Dekan Maurer von Bergzabern durch 
schriftliche Abstimmung gewählt. Die Kirchen-Collecte. für Mittel⸗ 
bexbach bestimmt, ertrug 229 Mark. 
P Bei Eisenberg entspann sich am 27. Juli auf freiem 
Feld zwischen einem Diensiknecht und einer Dienstmagd ein Wort⸗ 
ftreit, welcher damit endete, daß der mit einem Messer ausgerüstete 
Kenecht durch die kräftige Magd zu Boden gebracht wurde, worauf 
dieselbe auf ihm kniieend iht Faustrecht derart ausübte, daß sie 
ihn zuletzt auf einem Karten nach Hause fahren mußte, wo er 
noch jprachlos darnieder liegt. 
Die Bankent-Rede Sr. K. H. des Prinzen Ludwig von 
Bayern, des Ehrenpräsidenten des gegenwärtig in München 
tatifindenden siebenten allgemeinen deutschen Bundesschießens, hatte 
folgenden Wortlaut: „In Bayern werden schon lange, so lange 
Bahern besteht, die Kampfspiele geübt, und zwar zu gleicher Zeit 
Ringkämpfe, Turniere und Schützenfeste, und so feiern wir auch 
jetzt eines der größten Schützenfeste, die in Deutschland begangen 
wirden. Ich wende mich zunächst an die Schützen aus dem 
deutschen Reiche. Die Schützenfeste hatten früher den Zweck, die 
Stamm e? zusammengehörigkeit Deutschlands festzuhalten und auf 
IJe Einiateit Deutschlands hinzuwirken. (Beifall.) Die Einheit 
st erreicht, fest steht und geachtet von den anderen Völkern ringe 
jerum das deutsche Reich. (Stürmischer Beifall.) Jetzt gilt es, 
Zie Einigkrit zu bewahren, denn jeder Staat geht zu Grunde, 
venn die Einigkeit fehlt. Jeder Deutsche ist jetzt dem andern 
leich und braucht der eigenen Heimath nicht untreu zu werden. 
Die Zusammengehörigkeit der Vayern mit ihrem Herrscherhause 
heweist das 700jährige Bestehen Bayerns. Das Volk hat immer 
zu seinen Fürsten gehalten, in kritischen Momenten, wenn es galt, 
ür Bayern zu kämpfen. Ich wende mich an Sie, die micht zum 
»eutschen Reiche gehören, die aber die gemeinsame deutsche Sprache 
nit uns verbindet. Woher immer Sie kommen mögen, halten 
Zie fest an dem Bande, das uns an Sie knüpft, an deutscher 
Sprache und Gesittung; möge es dahin kommen, daß man über⸗ 
i mit unserer schönen deutschen Sprache durchkommt. Das hindert 
Zie nicht, treue Anhänger Ihrer Dynastie, gute Bürger in Frei⸗ 
taaten zu sein. Auch den Fremden, die nicht unsere Sprache 
leden, danke ich für ihr Erscheinen und begrüße sie auf das herz⸗ 
ichste. Sie alle haben gesehen, daß der Empfang Münchens nicht 
herzlicher hätte sein können. Nun wollen wir das Fest beginnen, 
zuerst mit dem Mahle, dann mit dem Schießen, möge es so gut 
verden, wie der Anfang!“ (Stürmischer anhaltender Beifall.) 
— Zu dem Schuͤtzenfest in Mümch en trafen schon am frühen 
Morgen des 23. Juli mit den Eisenbahnzügen aus allen Theilen 
deuischlands zahlreiche Schützen ein. Sie wurden auf dem Bahn⸗ 
hof vom Comite mit Ansprachen, Musik und Hochrufen empfangen; 
Jungfrauen in der Tracht des Münchener Kindls credenzten jedem 
Inkoͤmmenden einen Ehrentrank Augustinerbier. Die Stadt ist 
estlich geschmückt, die Zahl der Fremden außerordentlich groß. Die 
wWiener Schützen, welche am Abend eintrafen, wurden begeistert 
mpfangen. Dr. Koppp erwiederte auf die Begrüßungsrede: sie 
eien zahlreicher als je auf dem Schützenfeste erschienen, um die 
zeutsche Zusammengehörigkeit zu beweisen; sie hoffen siegreich aus 
dem jetzigen Kampse für deutsches Wesen und deutsche Gesittung 
jervot zugehen. Am Samstag Abend kamen auch die Schützen aus 
zer Pfalz an; dieselben führen die pfälzische Bundesfahne mit sich. 
Zerireten sind die Städte Kaiserslautern, Speyer, Landau, Lud⸗ 
vigshafen, Germersheim, Frankenthal, Neustadt und Edenkoben. 
Ihnen brachte Juwelier Brux den Willkommgruß, worauf der 
Schützenmeister in biederer pfälzer Weise dankte. 
F Der Gesammtausschuß des deutschen Schützenbundes bestimmit 
ils Vorort und Festort des im Jahre 1884 abzuhaltenden achten 
‚eutschen Bundesschießens Leipzig. (Gerlin und Hamburq hatten 
iich auch um die Ehre beworben.) 
FEin Speyerer Schütze schreibt der „Spey. 3.“ aug 
München, daß alle Schuüͤtzen von Nah und Fern hoch be⸗ 
rriedigt und erstaunt seien über die großartige Inscenirung des 
Festes. Auf der Theresienwiese herrsche ein Leben und Treiben, 
don dem man sich keine Vorstellung machte und die ganze Bevol⸗ 
terung sei von einem so herzlichen Frohsinn getragen, daß lelbst 
dem größten Spießbürger das Herz aufgehe. Zudem sei Gambrini 
edles Naß so vortrefflich, wie man es nur wünschen könne, und 
auch über die Küche könne man sich keineswegs beklagen. Folgendt 
Stelle des Briefes geben wir wörtlich: „Bei dem Bankett am 
Sonntag saß eine Anzahl Wiener und Pfälzer Schützen an einem 
Tische beisammen, welchen die freie deutsche Rede des Prinzen 
ꝛudwig sehr imponirte. Ein pfälzer Schütze konnte nicht umhin, 
einer Sympatie für den Prinzen Ausdruck zu geben, indem er 
m den KTisch desselben ging und ihn mit folgenden Worten an⸗ 
edete: „Wenn ich mir erlaube auf das Wohl Ew. k. Hoheit an⸗ 
ustoßen, so gebe ich der Begeisterung Ausdruck, welche an unserem 
rische über die so sehr freisinnige Rede Ew. k. Hoheit herrscht; 
d hat noch nie ein Fürst gesprochen. Ich bin Pfälzer, Speher 
st ineine Heimath.“ Der Prinz erwiederte: „Ich bin hoch er⸗ 
reut, einen Pfälzer zu sprechen; die liebe Pfalz wird mir stets 
aahe liegen und speciell Speyer ist mir tief in's Herz geschrieben. 
xs waren schöne Stunden, welche ich dort verbracht.“ 
So oft in Frankfurt a. M. ein deutscher Kaiser ge⸗ 
rönt wurde, jo oft wurde auf dem Römerplatze ein mächtiger Ochst 
im Spieße gebraten und mit etzlichen Faß Wein dem Volke zum 
Besten gegeben. Der Kaiser und die Kurfürsten sahen dem Schmaust 
ind Balgen vom hohen Römer aus zu, obwohl in alter Zeit die 
deute viel öfter den Kaisern und Königen zusehen und sich den 
Mund wischen mußten, wenn diese bei Tafel schmausten und ban ⸗ 
ettir en. Uuf dem deutschen Schützenfest in München wird 
nan den alten lustigen Brauch aufleben lassen. Ein Prachtochs 
jon 18 Centnern wird auf dem Festplatze bei offenem Feuer ge⸗ 
zraten werden, besondere Maschinen sind dazu hergestellt und der 
irmsdicke Bratspietz wird von einer Locomobilie gedreht, der Braten 
vird auf 1000 Pfund berechnet; am 26. Juli sollte das Braten 
mheben. Damit das Schmausen leichter von Statten geht, wird 
der Ochse von 4 Bierschäuken garnirt und die Ingolstädter Mili⸗ 
ärmusik spielt dazu auf. Auch in andern Stücken verspricht daß 
Zundesschießen ein großartiges und schönes Volksfest zu werder 
Ind damit es recht viele genießen können. bewilligen die bayerische