Full text: St. Ingberter Anzeiger

spruch derjenigen herausfordert, deren Anschlägen die Enthüllung 
unbequem kommt. Diese Bedenken können indeß nicht bestimmend 
für mich sein, da ich auf Grund meiner Ermittlungen die Sache 
für ernsthaft, ihre Veröffentlichung also für pflichtgemäß halten 
muß“. Man wird einigermaßen gespannt sein dürfen, was die 
italienische Regierung zu dieser Nachricht sagen wird. 
Der türkische Minister des Aeußeren lehnte am 17. ds. 
in einer Unterredung mit den Botschaftern der Großmächte formell 
das Schiedsgericht ab. Ein außerordentlicher Ministerrath erörterte 
sodann am 18. ds. die äußersten möglichen Zugeständnisse an 
Griechenland, welche über die Zugeständnisse vom 3. Oktober v. J. 
hinausgehen sollen. 
In unterrichteten Kreisen gilt es als wahrscheinlich, daß die 
Mächte der durch das jüngste Cirkular der Pforie gegebenen An— 
regung entsprechend zu Verhandlungen mit der Pforte über die 
Fewishe dioge und zwar in Konstantinopel schreiten werde. 
Ddiese Verhandlungen würden jedoch nicht den Charakter einer Con— 
ferenz tragen. 
Vermischtes. 
AM St. Ingbert, 21. Jan. In der Notiz über die letzte 
Jahresversammlung des „Gewerbevereins“ ist uns ein Versehen 
unterlaufen, das wir zu berichtigen bitten. Der wöchentliche Ver— 
einsabend im Gewerbeverein wurde nämlich nicht von Montag auf 
Samstag, sondern umgekehrt von Samstag auf Montag verlegt. 
HGroßblittersdorf, im Januar. Mit' dem zu 
Ende gegangenen Jahre 1880 wurde auch die neue Saarbrücke 
zwischen hier und Kleinblittersdorf vollendet. Begonnen wurde 
mit dem, Bau derselben schon Anfangs September 1879. Die 
Brücke ist massiv aus Stein gebaut, ruht auf 8 Pfeilern und hat 
eine Länge von 128 Meter. Seit 26. Nov, 1880 ist sie dem 
Verkehre übergeben und wurde seit dieser Zeit, also innerhalb sechs 
Wochen, von 11,800 Fußgängern und einer sehr bedeutenden An— 
— Fuhrwerken passirt. Die Bautosten belaufen sich auf crirca 
125,000 Mark. Dem Brüuckenhause gegenüber wird, sobald es 
die Witterung erlaubt, ein Denkmal mit der Statue Johannes 
des Täufers errichtet werden. Die Statue wurde in Nanzig ge— 
gossen, hat eine Höͤhe von 1m 25 em. und ist vor 8 Tagen 
hier angekommen. Ferner wird eine 88 em. hohe und 80 cm. 
breite, in der Hallberger Hütte gegossene Gedenktafel mit folgender 
Inschrift angebracht: „Unter der Regierung Sr. Maj. des Kai⸗ 
sers Wilhelm J. der Verwaltung Sr. Exc. des kaiserl. Statt⸗ 
— in Elsaß⸗Lothringen, General-Feldmarschalls Freiherrn v. 
stanteuffel, des kaiserl. Bezirkspräsidenten Frh. v. Flottwell, der 
kaiserl. Kreisdirektoren Frh. von der Goltz und Frh. v. Kramer 
wurde der Bau der gegenwärtigen Brücke über die Saar im 
Jahre 1879 begonnen und im Jahre 1880 beendigt durch die 
Gemeinde Großblittersdorf unter dem Bürgermeister Doub Johann. 
(Hierauf folgen noch die Namen der Gemeinderäthe.) Die tech— 
nische Oberleitung des Baues führten die kaiserl. Regierungs- und 
Bauräthe Pavelt und Wendel, sowie der kaiserl. Kreis-Ingenieur 
Heberling, die spezielle Bauleitung hatte der Communal-Baumeister 
Ennen. Ausgeführt wurde der Bau durch den Unternehmer 
Schmitt aus Louisenthal.“ Fur das Passiren der Brücke muß 
eine Gebühre entrichtet werden, die sich nach dem Tarife zwischen 
83 und 70 Pf. bewegt. Die festliche Einweihung des Baues wird 
an einem spätern, jetzt noch nicht bestimmten Tage stattfinden. 
F Der zwischen der protestantischen und katholischen Kultus— 
gemeinde Nie derbexbach schwebende Prozeß über das Eigen— 
shum beziehungsweise das Benützungsrecht der dortigen Kirche 
wurde nun auch in zweiter Instanz durch Urtheil des kgl. Ober— 
landesgerichts Zweibrücken zu Gunsten der protestantischen Kirchen⸗ 
gemeinde entschieden. 
F Montag den 17. und Dienstag den 18. wurden in der 
Nähe von Lemberg bei Pirmasens durch zwei Leute von da 
neun Stück junge Wildschweine eingefangen, was den emsigen Wild⸗ 
schweinfängern den schönen Ertrag von 77 M. als Vrämie ein⸗ 
bringen wird. 
7 Nach einer Mittheilung des Direetors des „Pfäl— 
zischen Lehrer-Sterbkassfe-Vereins“, Herrn Huth 
in Landau, haben sich zu der projectirten 2. Classe, nach wel— 
cher pro Sterbfall 1 Mtk. bezahlt werden soll, (in der 1. Classe 
werden nur 30 Pf erhoben) bereits so viele Lehrer angemeldet, 
daß das Zustandekommen derselben als gesichert betrachtet werden 
kann. In der 1. Classe werden den Hinterbliebenen als größter 
Betrag 450 M. ausbezahlt; in der 2. Classe wird sich diese 
Summe auf etwa 1600 Mt. erhöhen. 
FAus-der Ebene von Landau wird der „Pf. Pr.“ 
geschrieben: „... Glaubt man sich in Landau in eine Großstadt 
eg und wird man darin Nichts von Noth und Elend gewahr, 
auf dem platten Land zeigt sich ein anderes Bild, ein Bild recht 
betrübender Natur. Verdienstlosigkeit und Entmuthigung sind all—⸗ 
gemein. Die Ortsarmenkassen werden überall stark in Anspruch 
denommen und sind nicht im Ssand. den Anforderungen zu genügen 
In manchen Orten sind die jährlichen Ausgaben für die Armer 
auf das Dreis und Vierfache gestiegen. So hat z. B. ein Ort i 
unserer Nähe jetzt ein Armenbudget von 1600 M., während frühe 
kaum 300 M. das Jahr über für diese Zwecke verausgabt wurden 
Die schlimmsten Zustände scheinen aber in den Gebirgsdörfern zu 
herrschen. Was man entbehren kann, wird verkauft und zu Ges 
gemacht, um die laufenden Ausgaben für die Haushaltung zu be— 
streiten. Wein hat es keinen oder nur wenig gegeben, und dar 
Wenige findet zur Zeit nicht einmal einen Käufer. Getreide if 
keins abzusetzen. Also muß herhalten, was da kann. So kamen 
denn schon wiederholt Frauen in mein Haus und boten das schönst 
weiße Leinen um einen wahren Spottpreis zum Verkauf an 
Woran die fleißige Hand der Hausfrau und der Töchter den Win— 
ter über mit unermüdetem Fleiß gearbeitet hat und was zur Aus— 
tteuer gemünzt war, der Stolz der Hausfrau, es muß von irgent 
einer vertrauten Person in die besser situirten Orte der Ebene ge 
tragen werden, um es dort zum Verkauf anzubieten und zu Gelf— 
zu machen. Kein Wunder, wenn unter diesen wirthschaftlicher 
Verhältnissen manches Hauswesen dem Untergang entgegenreift 
Ein guter Herbst muß kommen, soll es wieder besser werden. 
Ein guter Herbst vermag die Wunden, welche Jahre geschlagen 
nicht zu heilen.) 
F Gutem Vernehmen nach kommen die bis jetzt in Germers 
heim detachirten zwei Festungscompagnien des 2. Pionierbataillons 
nach Speyer in Garnison, so daß alsdann das ganze Ba— 
taillon in Speier vereinigt ist. 
F Mainz, 19. Januar. Der hiesigen Polizei ging gesterr 
von Kaiserslautern die telegraphische Nachricht zu, daß zwei Indi 
viduen, die sich dort eines beträchtlichen Diebstahls schuldig ge— 
macht, mit dem Vormittags anlangenden Alzeyer Zug hier ein⸗ 
treffen würden. Es war natürlich um geeigneten Empfang gebeter 
worden. An der Station Gartenfeld wurden dieselben, die sehr 
nobele Kleidung trugen, von einem Schutzmann in Civil gebührend 
begrüßt und im hiesigen Bahnhof von noch anderen Schutzleuter 
erwartet, um in gehörige Verwahrung genommen zu werden. 
f Welchen Erfolg die von Berlin ausgegangene Antisemiten 
Agitation unter den bayerischen Universitätsstudenten gehab 
jat, das beweisen folgende Zahlen, welche die „N. Würzb. Zig. 
einem als Manuscript gedruckten Bericht über eine Versammlung 
des studentischen Antisemiten⸗Vereins in Leipzig entnimmt. Danadh 
hat die an den Reichskanzler zu richtende Petiltion (um Maßregeln 
zegen Vermehrung der Juden u. dgl.) in Erlangen 25, in München 
24, in Würzburg 14 Unterschristen von „Gesinnungsgenossen“ er⸗ 
jalten. Wenn man in Berlin diese geringen Zifsern wieder der 
„Bierduselei“ der süddeutschen Studenten auf's Conto setzen will 
haben wir nichts dagegen; wir können uns das schon gefallen lassen 
F Ueber die Verluste der bay erischen Armee im Kriege 
don 1870,71 werden jetzt folgende Zahlen veröffentlicht: Es 
ielen auf der Stelle 162 Offiziere, 1397 Mann, verwundet wur⸗ 
den 561 Offiziere, 10598 Mann, gefangen wurden 22 Offiziere 
1084 Mann, vermißt 2 Offfziere, 23683 Mann; zusammen 747 
Offiziere, 13644 Mann. Ihren Wunden erlagen 118 Offiziere 
1169 Mann, von den Vermißten wurden nicht wieder aufge— 
unden, sind also wohl todt: 2 Offiziere, 777 Mann, zusammen 
120 Offiziere, 1946 Mann, so daß die Gesammtzahl an Todten 
beträgt: 282 Offiziere, 35483 Mann. Von den Verlusten kom— 
men: 1. Corps 554 Offiziere, 12378 Mann, 2. Corps 170 
Offiziere, 2978 Mann, nicht im Corpsverband stehende Trupper 
14 Offiziere, 285 Mann, zusammen 747 Offiziere, 13641 Mann 
An Pferden: 113 Offizier⸗ und 1549 Dienstpferde. 
Die Gesammteinnahmen bei den Passionsspielen in Ober 
ammergau betrugen 335,880 Mark. Davonwurden an 760 
Mitwirkende und für Kostenaufwand 247,880 Mark verausgabt 
fF Undankist der Welt Lohn! So schnöder Undaunk, 
vie jüngst in Hof gezollt wurde, ist aber selbst auf dieser soge— 
nannten denkbar schlechtesten Welt recht selten. Da brach nämlich 
»or einigen Tagen bei der Spitalmühle in Hof ein Knabe in die 
Saale ein und wäre sicherlich ertrunken, wenn nicht ein auf dem 
Fis befindlicher Metzgerbursche ihn mit einem Haken, den er gerade 
zur Hand hatte, herausgezogen hätte. Bei dem Rettungs-Werke 
vurden allerdings die Beinkleider des Knaben durch den Haken 
etwas derangirt. Man sollte nun wohl glauben, daß die Eltern 
des Kindes eiligst zu dem Retter sich begeben und ihm gedankt 
hätten. Sehr schnell allerdings war die Mutter zur Stelle, aber 
nicht, um freudig erregten Dankesgefühlen Ausdruck zu geben, 
nein — sie verlangte Ersatz für die beschädigten Hosen ihres Sohnes. 
Dem biederen Metzger war dadurch die Freude an seiner Thaf 
nicht wenig vergällt. 
Kartoffelschälmaschine. Beim Hohenzollernschen 
Füsilier-Regiment Nr. 40 in Köln wurde in diesen Tagen eine 
Iniversal-Kartoffelschälmaschine in Gebrauch genommen. Die Ma—⸗ 
chine schält in einer Stunde 800 Pfund Kartoffeln ohne Unter⸗ 
chied von Form und Gröoße augenrein, wäscht die geschälten Kar⸗ 
toffeln und sammelt sie in einem Abvarat unter der Moöoschine zum