Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M IAM. 
Sonntag, den 23. Januar 
1881. 
— 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 20. Januar. (Orden.) Der Maximiliansorden 
wurde verliehen in der Klasse der Wissenschaft dem Geh. Hofrath 
Curtius in Leipzig, dem Geh. Rath Prof. von Planck in Munchen, 
in der Klasse der Kunst dem Maler Böcklin (aus Basel) in Florenz, 
dem Oberbaurath v. Ferstel in Wien; der preuß. Oberlandstall⸗ 
meister Lüderitz erhielt das Großkomthurkreuz des Verdienstordens 
bom h. Michael. 
In Berlin wurde eine zweite Versammlung dortiger Arbeiter 
gegen die Antisemitenbewegung vom Polizei-Präsidium auf Grund 
des Gesetzes über die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial⸗ 
demokratie verboten. 
* Vor Kurzem wurde der Artilleriemajor Hugo Stadelmann 
in München, eine in der Armee hochangesehene Persönlichkeit, 
olößlich zur Disposition gestellt, wie es hieß, wegen einer Broschüre, 
n welcher er gewisse Mißstaände im baherischen Artilleriewesen be— 
prochen hatte. Es wird jetzt mitgetheilt, daß Major Stadelmann 
demnächst als Direktor der Gewehrfabrik in Amberg wieder in 
Dienst treten werde. 
In Folge der Stadelmann'schen Broschüre sah sich nun auch 
der Oberst und Kommandeur des 1. Feld⸗Art.⸗Reg. Theod. Kriebel 
deranlaßt, um seine Verabschiedung mit Pension einzukommen. 
Auf der Landesausstellung in Nür nberg wird von 
Seiten rheinpfälzischer Weinbergbesitzer eine altdeutsche Weinstube 
ingerichtet, in welcher die besten pfaälzischen Kreszenzen zum Aus-⸗ 
schank kommen. 
F Der 19. Januar ds. Is. war für die Stadt Saar⸗ 
ouis ein besonders bemerkenswerther. Seit den 200 Jahren 
hres Bestehens wurden an diesem Tage den Bürgern derselben 
um ersten Mal Grundsteuerzettel für die auf dem Banne der 
Stadt gelegenen Ackerländereien übergeben. 
F In Hayingen zersprang auf dem Walzwerke „Fon⸗ 
2erie“ ein 25 000 Kg schweres Schwungrad, wobei 6 Arbeiter 
chwer verwundet wurden. Einer ist bereits seinen Wunden erlegen 
und hinterläßt eine Witiwe mit 3 Kindern. — Die circa 300 ig 
chweren Radstücke wurden auf eine Entfernung von 25 bis 30 m 
mit solcher Wucht geschleudert, daß sie das Gebälke vollständig zer⸗ 
fetzten und das ganze in ihrem Bereiche liegende Dachwerk gänz⸗ 
ich zertrümmerten. Ein Glück noch, daß die Arbeiter kaum 5 
Minuten vor Eintreten der Katastrophe die durch dieses Schwung⸗ 
rad in Bewegung gesetzten Walzenstraßen verlassen und sich auf 
indere begeben hatten, sonst hätte das Unheil an 50 Personen 
reffen können. Als Ursache nimmt man an, daß irgend ein 
Begenstand das Rad in seinem zum Theil in der Erde gelegenen 
Schwungraume berührt habe, wodurch der Bruch herbeigeführt 
vorden sein soll. 
Aus Me z wird geschrieben: Es erscheint kaum glaublich, 
welche Menge Kunstweine hier, mitten im Weinlande, zur Kon— 
umtion gelangen. Laut Ausweis sind aus Lahr, Landau. Mann⸗ 
heim und anderen Weinfabrikstädten in der Zeit vom 22. Rvvember 
bis zum 3. Januar hier nicht weniger wie 70.443 Liter fabri⸗ 
ziriter Wein zur Verzollung gelangt. 
7 In Mühlheim a. Rh, hat sich eine Entsetzen erregende 
That zugetragen. Ein 14jähriger Knabe ist an seiner eigenen 
Mutter zum Mörder geworden. Er bekennt die unselige That und 
zibt an, als die Mutter in trunkenem Zustande sein kleines Schwe⸗ 
terchen mit einem Messer bedroht, habe er erst das Kind aus dem 
Zimmer gebracht, dann aber zum Beil gegriffen und die Mutter 
erschlagen. Der Kopf der getödteten Frau war von nicht weniger 
als 26 Hieben vollständig zertrümmert. 
F Pest, 19. Januar. Das Ergebniß der Volkszählung 
sier ist: Der Bevölkerungsstand in Buda⸗-Pest beträgt, einschließlich 
10.216 Mann aktives Militär, 365,312 Seelen; die Zuͤnahme 
eit 1870 beträgt 95, 036 Seelen. Vor hun deri Jahren zählte 
Dfen 24,000, Pest 14,000 Seelen, zusammen 38, 000 Seelen. 
F In Cagliari kam letzter Tage der Italiener Montaldi, 
velcher des Raubes und Todtschlags angeklagt war, nach 4jähriger 
Untersuchungshaft endlich vor die Geschworenen. Im Laufe der 
Herichtsverhandlung mußten nicht blos die Geschworenen, sondern 
auch der kgl. Prokurator die Unschuld des Unglücklichen anerkennen. 
Derselbe hatte sich indessen nicht iange der wiedereriangten Freiheit 
u erfreuen, denn an dem auf das Verdikt folgenden Morgen ver⸗ 
tarb er infolge der ausgestandenen langjährigen Seelen⸗ und 
örberqualen. 
fLondon ist durch ungeheuren Schneefall seit dem 18. 
d8. buchstäblich von der Außenwelt abgeschnitten. Telegraphie und 
Postendienst mit Festland und Provinzen sind gestört'; der Verkehr 
n den Straßen ist überaus schwierig. Dover. Portsmouih und andere 
häfen waren wegen des Sturmes unerreichbar. Eine Springfluth 
der Themse überschwemmte überdieß mehrere Quartiere, wobei sie 
gewalftigen Schaden anrichtete 
Ausland. 
Gambetta ist am 20. ds. Mis. für die Session von 1881 
wieder zum Präsidenten der französischen Deputirtenkammer, 
und zwar mit 262 von 376 Stimmen, und Leon Say wieder 
zum Präsidenten des Senats mit 140 von 228 Stimmen gewählt 
worden. (Voriges Jahr hatte Gambetta 259 Stimmen erhalten.) 
Man hält es allen Ableugnungen zum Trotz für sicher ,daß 
die Franzosen in Algierien Truppen an der Grenze von Tunis 
angesammelt haben und nach dem Protektorate dieses Barbaresken⸗ 
staates, wie man früher zu sagen pflegte, lüstern sind. Das Pro—⸗ 
tektorat würde natürlich nur der Anfang zur Einverleibung sein. 
Da Frankreich eine Einbuße an Land erlitten hat, so hegt es um 
so mehr Verlangen, seine Grenzen anderswo auszudehnen, und von 
Seiten Deutschlands wird diesem Streben kein Widerstand entgegen⸗ 
zesetzt, dagegen muß Frankreich zusehen, wie es mit Italien zu 
Rechte kommt. 
43 Mitglieder der irischen Landliga in Listowel und 16 
in Waterville sind wegen Aufruhr unter Anklage gestellt worden. 
Das jüngste türkische Rundschreiben hat in Berlin, wie in 
Wien einen guten Eindruck gemacht. Man kann nicht länger be— 
zweifeln, daß die Türkei über ihre Zugeständnisse vom 3. Oktober 
noch etwas hinausgehen wird. Sobald das türkische Angebot die 
Zustimmung der Mächte erhält, kann man die Grenzfrage als ge— 
regelt ansehen; denn wenn Griechenland auch dann noch fortfahren 
würde, mit Krieg zu drohen, so würde es den Schritt vom Er⸗ 
habenen zum Lächerlichen machen. 
Vermischtes. 
F Für die Pfalz wurde die Eröffnung der ersten Schwur⸗ 
gerichtssession des Jahres 1881 auf den 14. März nächsthin fest⸗ 
zesetzt, der kgl. Oberlandesgerichtsrath Nössel zum Vorsitzenden er⸗ 
nannt und der kgl. Landgerichts-Direktor Herfeld in Zweibrücken 
zum Stellvertreter des Vorsitzenden. 
Nach einer Mittheilung der „Pf. Pr.“ wurde Bürgermeister 
Müller von Obermoschel vom Amte suspendirt, weil derselbe 
wegen verschiedener Betrugsreate vor Gericht gestellt wird. 
F Die Gauversammlungen Westricher Thierärzte pro 1881 
finden am 3. Februar, 7. April, 4. August, 6. Okltober und 1. 
Dezember in Kaiserslautern und am 30. Juni in Zwei— 
brücken Statt. Das Zusammentreffen ist in Kaiserslautern im 
disherigen Lokal, in Zweibrücken in der Bahnhofrestauration. 
Von Winnweiler wird berichtet, daß die Gienanth'sche 
Brauerei das Cafo Carra in Kaiserslautern für jäbrlich 
2000 Mark auf drei Jahre gemiethet habe. 
F Der Volksverein in Kaiserslautern hat für seine an 
den Landtag gerichtete Petition in Sachen eines neuen Landtags- 
wahlgesetzes ganze 182 Unterschriften erhalten. Anfangs wurde 
die Zahl auf 300 angegeben. Danach zu schließen, scheint der 
Rückhalt der Demokratie bei der Bevölkerung Kaiserslauterns etwas 
veniger großartig zu sein als man nach dem geschlagenen Lärm 
Jjätte annehmen sollen. Zuviel „Klappern“ schadet dem „Hand— 
werk“ allerdings gelegentlich. 
Am 18. Januar vollendete der protestantische Pfarrer Joh. 
Friedr. Hoffmann (geboren in Kandel) von Erpolzheim 
ein 80. Lebensjahr, aus welchem Anlaß seine Kollegen aus dem 
Dekauat Dürkheim ihm ihre Glückwünsche darbrachten. Nächstes 
Jahr feiert Pfarrer Hoffmann, der noch rüstig seine Pfarrgeschäfte 
dersfieht. sein fünfzigjähriges Dienstiubilöum.