Full text: St. Ingberter Anzeiger

— h — 
e 
—9— St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöͤchentlich) mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
age) erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt viertellahrlich 
A 40 Z einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 , einschließlich 40 4 Zustellgebühr. Anzeigen werden mit 10 H, von Auswärts 
mit 14 fur die viergespaltene Zeile Blatischriͤt oder deren Raum. Neclamen mit 30 4 pro Zeile berechnet. 
Donnerstag, den 18. August 1881. 
Deutsches Reich. 
Dem „Pf. K.“ wird aus München geschrieben: „Zu der 
Beschaffung des für die Wiedereinbringung des Unfallver— 
sicherungsgesetzes beim Reichstag vom Reichsamte des 
Inneren gewunschten statistischen Materials haben nunmehr die Be⸗— 
rkzämter in Bayern an die sämmtlichen Ortspolizeibehörden ent— 
prechende Aufforderungen in den letzten Tagen erlassen und die 
rexforderlichen Formulare zur Ausfüllung hinausgegeben. Die Er— 
jebungen haben sich zu beziehen auf 1) sämmtliche in den Mo— 
zaten August, September, October und November d. J. in den 
zezüglichen Betriebswerkstätten vorkommenden Unfälle und 2) auf 
Rie Aufzeichnung der Zahl der von den Betriebswerkstätten am 5. 
October ds. Is. beschäftigten Arbeiter, ausgeschieden nach den Ge⸗ 
hurtsjahren der' Arbeiten. Den Besitzern der Betriebswerkstätten 
oll übrigens eröffnet werden, daß es von großem Werth sein 
würde, wenn die Erhebungen sich außer auf die genannten vier 
MNonate auch auf die Vergangenheit und zwar so weit zurück, als 
6 mit Sicherheit geschehen kann, erstrecken würden. Die Bürger⸗ 
neister werden beauftragt, die ausgefüllten Formulare vom 83. bis 
3. December persönlich von den Unternehmern einzusammeln und 
ie am folgenden Tage dem Bezirksamte vorzulegen. Aus den hier 
ingeführten Daten ergiebt sich, daß — da die Zusammenstellung 
ind Prüfung des erhobenen statistischen Materials längere Zeit er⸗ 
ordert — die Wiedervorlage des Entwurfs des Unfallversicherungs⸗ 
zesetzes in dem Reichstag jedenfalls nicht sofort bei dessen Zusam⸗ 
nentritt erfolgen kann. 
Im kommenden Herbste wird bei dem bayerischen Land⸗ 
tage ein neues Sekundärbahngese z eingebracht werden, 
welches im vorigen Jahre von beiden Kammern einstimmig erbeten 
ind von der Staatsregierung bereits zugesagt worden ist. Es 
ollen nicht nur die Gemeinden, welche Vizinalbahnen gebaut und 
zafür nach dem Gesetze vom Jahre 1869 die Kosten für die 
Brunderwerbung und Erdarbeiten aufgebracht habepy, erleichtert, 
ondern auch weitere neue Sekundärbahnen in ihrem Zustandekom⸗ 
men besser unterstützt werden. — 
Der bayerische Kriegsminister steht im Begriffe dem 
dande eine recht hübsche Ueberraschung zu bereiten: das Budget 
eines Ressorts hat soeben die Presse verlassen und bringt die Ba— 
zatelle Forderung von rund 46,000, 000 Mk., gegenüber dem letzten 
Hudget ein Mehr von 8,400,000 Mk. Dieser Mehrbedarf ist 
uuf die Errichtung drei neuer Batterien und Errichtung eines 
Festungs⸗Artillerie⸗Regiments sowie eines neuen Infanterie⸗Regi— 
nents erwachsen. 
Die Inspicirung bayerischer Truppen durch den Kron⸗ 
zrinzen des deutschen Reiches als General-Inspektor der 4. Armee— 
Inspektion des deutschen Heeres wird sich für diesen Herbst auf 
Abtheilungen des 1. bayerischen Armeekorps, das zu Feldmanövern 
n Niederbayern konzentrit wird, erstrecken, während die Inspektion 
on Abtheilungen des 2. bayerischen Armeekorps durch den Prinzen 
Luitpold, als General⸗Inspektor der bayerischen Armee, zu erfolgen 
jat. Letzterer wird zu diesem Zweck insbesondere den vom 8. bis 
12. September bei Rothenburg ob der Tauber stattfindenden Feld⸗ 
nanövern der 3. Division beiwohnen. 
Der Kaiser besuchte am Dienstag den Fürsten Bismarck, 
mit dem er eine längere Konferenz hatte. 
Nach dem „Tageblatt“ geht in politischen Kreisen, die für 
zut informirt gelten dürfen, das Gerücht um, daß in Breslau 
iie Verhängung des kleinen Belagerungszustandes unmittelbar 
eborstehe. 
Ausland. 
Die Belleviller Programmrede Gambetta's ist nun in 
hrem Wortlaute bekannt und wird trotz aller Vernünftelei, trotz 
er mühsam erzwungenen staatsmännischen Ruhe, mit welcher der 
dauphin der Republik sprach, die europäischen Regierungen nicht 
n dem Maße beruhigen und befriedigen,, als man sich in Paris 
mbildet. Herr Gambetta hat bei den Regierungen seine Visiten⸗ 
arte als künftiger Premierminister oder künftiger Präsident abge— 
zeben. Ob er empfangen, oder ob er gern empfangen wird, ist 
aoch sehr die Frage. Das ceterum censeo Gambetta's, die Rück⸗ 
erlangung von Elsaß-Lothringen, ist diesmal in der Form am 
nildesten und in der Maske absoluter Friedlichkeit vorgebracht 
vorden; da aber auch in Paris nicht angenommen wird, Dveutsch⸗ 
and werde die beiden Provinzen aus bloßer Liebenswürdigkeit her— 
ausgeben, etwa Herrn Gambeita zum Geburistag schenken, so wird 
nan sich über die Bedeutung jener Phrasen, wenn man sie näm— 
lich überhaupt ernsthaft nehmen will, nicht täuschen können. Ob 
ie freilich ernst zu nehmen sind, Das ist eine Frage, die noch zu 
rwägen ist und die jedenfalls zusammenhängt mit der Frage der 
Thancen Gambetta's auf den Präsidentenstuhl. 
Eine am Dienstag stattgehabte Wahlversammlung in Cha⸗— 
ronne (Seine⸗Departement), wo Gambetta sein Programm 
ntwickeln wollte, war von 10,000 Personen besucht. Gleich beim 
Beginn erschallende Lärmrufe machten die Bildung des Bureaus 
inmöglich. Gambetta versuchte wiederholt, sich Gehör zu verschaffen, 
ind schlug mit seinem Stock auf die Tafel, aber vergebens. Rur 
einen nächsten Nachbarn gelang es, einzelne Worte zu verstehen. 
Nach 20 Minuten langem Versuche sah Gambetta sich genöthigt, 
ich zurückzuziehen. Die Versammlung wurde alsdann aufgehoben. 
Ist der Stern Gambettas schon im Erbleichen?) 
Die „Gazette Piemontese“ meldet daß König Humbert 
von Italien demnächst den Kaisern Franz Josef und Wilhelm 
inen Besuch abstatten wird. Nach der in Verona erscheinenden 
Adige“ würde er mit dem Kaiser Franz Josef in Salzburg zu— 
ammentreffen. (Die Wiener und Berliner Blätter wissen noch 
8 dren und so wird die Nachricht sich schließlich als Ente 
rweisen. 
* Die neuesten Nachrichten; über das Befinden des Präsiden— 
en Garfield lauten besorgnißerregend. Zwar ist der Zustand 
er Wunde fortgesetzt ein guter, indessen befindet sich Garfield in 
inem sehr großen Schwächezustande, welcher zu großen Besorgnissen 
LBeranlassung giebt. Der Magen versagt seine Dienste und die 
stahrung muß dem Kranken durch Insection zugeführt werden; 
nuch haben die Aerzte Morphiumeinspritzungen verordnet. Die 
Nitalieder des Cabinets sind äußerst besorgt. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 18. Aug. Wie wir hören, werden sich 
ziejenigen Bürger, welche der bürgermeisteramtlichen Einladung zu 
er kürzlich stattgefundenen Versammlung der Hilfsmannschaft der 
Feuerwehr ohne genügenden Grund nicht nachkamen, vor dem 
Schöffengerichte zu verantworten haben. 
*— Gestern wurden abermals zwei hiesige Personen, die 
nach Amerika auswandern wollten und schon, zum Einsteigen fertig, 
nuf dem Bahnhofe den Zug erwarteten, gepfändet. Der Uhrmacher 
mahnte auf diese Weise, daß er noch nicht bezahlt sei. Natürlich 
vurde er befriedigt und die beiden Auswanderungslustigen hielt 
nun nichts mehr in der alten Heimath zurück. 
F Das in Zweibrücen garnisonirende Bataillon des 
18. Inf.«Regts. hat in der Nacht vom 16. auf den 17. ds. die 
Fahrt nach Unterfranken, wo es an den Manövern theilzunehmen 
jat, angetreten. Die Rückkehr erfolgt am Donnerstag den 15. Sep⸗ 
tember. 
Aus Chaufen schreibt man dem „Pirm. Anz.“: Bei 
der in Zweibrücken stattgehabten Abgeordneten⸗Nachwahl glänzten 
die drei Wahlmänner unseres Ortes durch ihre Abwesenheit. Und 
varum? — Weil sich ihr Patriotismus nicht zu dem Opfer auf⸗ 
chwingen konnte, nochmals aus eigenen Mitteln die Reise nach 
zweibrücken zu bestreiten. Den Zeitverlust wollten die hochsinnigen 
zatrioten fich schon gefalken lassen, aber für die Reisekosten sollte 
hdie Gemeindekasse aufkommen, da sie sich mit Annahme des Ver— 
rauenspostens als Wahlmann nur zu einer Reise nach Zwei— 
yrücken verstanden hätten. Als die Gemeindeverwaltung sich wei— 
gerte, aus dem Gemeindesäckel die Kosten der zweiten Reise zu er— 
tatten, blieben die mit dem Vertrauen ihrer Mitbürger Beehrten 
fein zu Hause, die Wahl und das Vaterland ihrem Schicksal 
überlassend. 
FIn Weisenheim hat am 14. Aug. Gastwirth Dauth 
von dort vollständig reife Trauben zum Versandt gebracht, für 
dieses Jahr die ersten in der genannten Gemeinde.