Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler AAnzeiger. 
der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich) mit dem Hauvtblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei— 
age) ericheint wöchentlich viermal:? Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vierieljährlich 
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mit 15 — fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder deren Naum, Reclamen mit 80 B pro Zeile berechnet. 
1881. 
Bestellungen für den Monat September auf den 
„St. Ingberter Anzeiger“ mit illustrirtem 
zonntagsblatt werden bei allen k. Poststellen, den Postboten, von 
msern Austrägern und in der Expedition entgegen genommen. 
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.4. O. Der Indifferentismus im Gewerbsleben. 
In einer Zeit, wie die Gegenwart sie ist, da die freie Kon— 
urrenz alle Privilegien einzelner Personen oder ganzer Berufs- 
lassen, durch welche letzteren die Herstellung und der gewinnbringende 
bertrieb irgend eines gewerblichen Erzeugnisses ausschließlich ge— 
ichert wurden, rüchsichtslos bei Seite geschoben hat, ist der Einzelne 
nehr als je in dem großen Kampfe ums Dasein auf eigne Füße 
zestellt. Während früher die Schranken der Zunft den in ihr 
Ztehenden zugleich beengten und doch auch stützten, ist jetzt jeder 
zur allein auf die eigne Kraft angewiesen und anstatt Zunftzwang 
t „Selbsthilfe“ die Parole des Gewerbtreibenden geworden. Der 
zerständige wird den Eintritt eines derartigen Zustandes nicht als 
in Uebel schmähen, das nur eine krankhafte Neuerungssucht, ein 
ebolutionärer Zeitgeist geschaffen habe und dem gegenüber man 
treben müsse, es sobald als möglich wieder loszuwerden, um wieder 
n die altgewohnten Bahnen der Väter, in denen der Verdienst 
war beschränkt, die freie Bewegung einzelner aufstrebender Köpfe 
sehemmt, aber das Auskommen angeblich in jedem Falle gesichert 
var, einzulenken. Vielmehr muß der Einsichtsvolle das Aufhören 
ener, die freie Handelss und Gewerbethätigkeit hemmenden Gesetze 
ils einen bedeutsamen Fortschritt in der Gesammtentwicklung unseres 
holkes begrüßen, das dadurch der gesetzgeberischen Bevormundung 
ntwachsen und in seiner Reife um ein Bedeutendes fortgeschritten 
rscheint. Freilich ist auch nicht zu leugnen, daß in der unbeschränk— 
en Freiheit das Fortkommen des Einzelnen viel mehr in Frage 
restellt ist. Aber dafür ist ihm auch die Möglichkeit geboten, ohne 
Beiteres die nicht lohnende Arbeit zu verlassen und sich einem 
inderen Arbeitsfelde zuzuwenden. Leider ist diese Faͤhigkeit der 
eichten Bewegung, der scharfe Blick für die Bedürfnisse der Zeit, 
nie ja in dem schnelllebenden Geschlechte der Gegenwart in rascher 
folge kommen und verschwinden, der industrielle Spürsinn Vielen 
iicht eigen. Man beschränkt sich sehr häufig auf unfruchtbare Er— 
irterungen und nutzlose Klagen über die Uebelstände, mit welchen 
er Gewerbestand heutzutage zu kämpfen hat. Es ist ja keineswegs 
u leugnen, daß der Gewerbtreibende mit vielerlei Widerwärtig— 
eiten zu kämpfen hat, die sich in gewissen Gewerbebetrieben ganz 
esonders als drückende geltend machen. Vor allen Dingen bereitel 
er in vielen, ja den meisten Industriezweigen überhand genommene 
rabrikbetrieb dem Kleingewerbe schwere Konkurrenz. Bei der 
assenprodulttion der Fabriken können die Waaren, weil man sich 
mausgedehnterer Weise des Maschinenbetriebs bedienen kann, 
zuberer, gleichmäßiger hergestellt werden. Da ein großer Fabrik— 
etrieb auch eine viel ausgiebigere Ausnutzung der Arbeitskräfte 
ind Maschinen zuläßt, so kann der Fabrikant auch einen Preis 
ellen, bet welchem der Meister des Kleingewerbes nicht bestehen 
oͤnnte. Letzterer wird daher in vielen Fällen der Abnehmer der 
abrikanten und muß zusehen, wie dieser bei dem Geschäft das 
rett abschöpft. Diese und ähnliche Betrachtungen haben manchen Ge⸗— 
erbsmann unverme kt in einen Pessimismus hineingetrieben, der ihn 
berhaupt an einem fröhlichen Emporkommen verzweifeln läßt und 
er ihn nach und nach gegen den eignen Beruf und die noth— 
bendige Weiterbildung in demselben stumpf macht. Er plagt sich 
vohl von früh bis in die späte Nacht, aber der Schwung des 
heistes, der auch dem Handwerker so nöthig ist, fehlt ihm“ Er 
ebt in einem Indifferentismus, einer Gleichgültigkeit dahin, die 
hu nicht nur niederdrückt und ihm auf Augenblicke die Leere feines 
heistes und Gemüths in unerträglicher Weise fühlen läßt, sondern 
yon der er mit der Zeit auch erkennen muß, daß sie ihn in seinem 
vjeschäft rückwärts bringt, ihn also auch materiell schädigt. Da muß 
csehen, wie irgend eine Novität aus seinem Fache einem seiner 
ollegen einen ganz erklecklichen Gewinn zuführi, weil dieser 
erstanden hat, im rechten Augenblick die Aufmerksamkeit des Publi- 
ins darauf zu lenken, weil er im Stande war, denselben eigen⸗ 
ndig zu fabrizieren und sich dadurch auch den Gewinn der Pro— 
duktion zu sichern. Da schüttelt wohl der Erste den Kopf und 
pricht von Schwindel oder belächeit einen derartigen Versuch. 
AUber das Publikum braucht nur erft einmal an den Gedanken ge⸗ 
vöhnt zu sein, daß ihm jener Gewerbtreibende öfters etwas Neues 
bietet, so wird es ihm doch seine Gunst zuwenden, weil es heißt: 
„Das ist ein strebsamer Mann, der versieht sein Geschäft.“ Ja, 
voher nimmt er aber immer die neuen Ideen, welche bei dem 
Publikum so willkommne Aufnahme finden? Wie hat er sich über⸗ 
jaupt den Ruf eines verständigen Mannes erworben, der ihm nun 
nuch für sein Gewerbe so außerordentlich förderlich ist? Er war 
mablässig bemüht, sich alle möglichen technischen Vortheile seines 
Beschaftsbetriebes anzueignen und. aus Fachzeitungen die neuen 
Muster und Proben kennen zu lernen, um mit dem unaufhaltsam 
fortschreitenden Zeitgeiste gleichen Schritt zu halten. So ist ihm 
nichts fremd geblieben, was der veränderie Geschmack, die Mode 
er Zeit verlangt. Aber auch für andere Zweige menschlichen 
Strebens wußte er durch Lektüre anregender Zeuschriften, an denen 
's unsrer Zeit nicht fehlt, sein Interesse rege zu erhalten und sich 
o vor dem Indifferentismus zu bewahren, welcher der Tod alles 
jeistigen Strebens ist. Das Göthe'sche Wort: „Habt nur Geist!“ 
gjilt eben auch für den Handwerker. Ohne Geist sinkt er zur 
Aoßen Maschine herab. 
DVeutsches Rerch. 
Müuünchen, 24. Aug. Das Ministerium der Finanzen giebt 
zekannt, daß mit der Abstempelung ausländischer Werthpapiere, 
velche vor dem 1. October 1881 ausgegeben sind und spatestens 
am 29. December 1881 zur Abstempelung vorgelegt werden. so— 
wie mit der Erhebung der Reichsstempelabgabe don diesen Werih— 
papieren außer den saͤmmtlichen kgl. Kreiskassen und dem Stempei⸗ 
amt Rürnberg anch noch eine Reihe anderer kgl. Stellen beauftragt 
st. Und zwar sind dies in der Pfalz die kgl. Filialbank in Lud— 
wigshafen, das Hauptzollamt Kaiserslautern, das Nebenzollamt 
steustadt und das Nebenzollamt Zweibrücken. 
Aus München wird berichlet, daß nach vorläufiger Bestimm— 
ung der Deutsche Kronprinz am 28. d. M. in Augsburg, 
uind am 30. d. M. Abends in Landshut zur Besichtigung der 
ayerischen Truppen eintreffen wird. Die Abreise erfolgi am 31. 
August Abends. Der Kronprinz wird während seiner Anwesenheit 
n Landshut im königlichen Schloß Wohnung nehmen, die, sowie 
Zquipagen und Dienerschaft, von Sr. Maj. dem König ihm zur 
Verfügung gestellt sind. Dem Vernehmen nach wird der Oberst- 
jofmarschall Frhr. v. Malsen auf allerhöchsten Befehl in Landshut 
die Honneurs machen. 
Nach berühmtem Muster, meint die „Nordd. Allg. Z.“, habe 
der neue bayerische Minister des Innern gearbeitet. Der Erlaß. 
in welchem die Behörden angewiesen werden, von den ihnen zu⸗ 
tehenden Aufsichtsbefugnissen gewissenhaften Gebrauch zu machen, 
im dahin zu wirken, daß die Gemeinde- und Districts-Verwaltungen 
ich möglichster Sparsamkeit befleißigen und bei der Beschlußfassung 
über neue Ausgaben vor Allem die Leistungsfähigkeit der Stouer— 
ahler und die Conservirung des gemeindlichen Grundstockvermögens 
m Auge behalten, stelle sich dem vor kurzem vom preußischen 
Minister des Innern ergangenen Erlaß an die Seite. Der bayerische 
Ninister des Innern hat allen Anlaß, sich gegen diese Zusammen— 
tellung feierlichft zu verwahren. Der Erlaß des Herrn von Putt- 
ammer hatte bekanntlich gar keinen anderen Zweck, als den Ge— 
neinden begreiflich zu machen, daß sie auf Erhoͤhung der Zuschüsse 
)es Staats zu den Schulkosten nicht zu rechnen hätten, so lange 
ie Steuerreform nicht durchgeführt sei; der Erlaß des bayerischen 
Ninisters des Innern hat die entgegengesetze Absicht: die Gemeinden 
ollen bei Zeiten dazu angehalten werden, ihre eigenen Kräfte zu 
ßathe zu ziehen. Herr v. Puttkamer geht davon aus, daß die 
reußischen Gemeinden jetzt schon überlastet seien und daß ihnen 
dilfe nur von außen kommen könne, und das um den Preis, daß 
ie das ihrige dazu beitragen, den Steuerprojecten des Reichskanz 
ers zum Sieg zu verhelfen. Es wäre sehr zu wünschen, das 
derr v. Puttkamer sich entschlösse, bei seinem bayerischen Collegen 
n die Lehre zu gehen, so meint die „liberale Correspondenz“, der 
vir das Vorstehende entnehmen.