Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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—* 146. 
Dienstag, den 13. September 
lssi. 
Deutsches Reich. 
Die feierliche Erbffnung des bayerischen Landtages wird 
um Mittwoch, den 28. d., Nachmittags 2 Uhr, durch Se. k. H. 
den Prinzen Luitpold erfolgen. Um 11 Uhr wird in der Hofkirche 
zu St. Michael die gottesdienstliche Feierlichkeit, welcher die Prinzen 
des k. Hauses, dann sämmtliche Behörden und Kollegien in Uni⸗ 
form beiwohnen und wozu die Mitglieder des Landtages besonders 
eingeladen werden, vor sich gehen. — Dem Vernehmen nach haben 
die Abgg. Dr. Rittler, Schels, Frhr. v. Hafenbrädel und einige 
Andere eine Einladung zur Bildung einer Kammerfraktion auf 
Grundlage des Regensburger Programms erlassen; circa 25 Abge⸗ 
ordnete sollen bereits ihren Beitrut zu der neuen Fraklion erklaͤrt 
haben. Anderseits soll die Bildung einer aus katholischen und 
orotestantischen Abgeordneten bestehenden „konservativen Kammer— 
oartei“ im Werke sein. 
* Das hochwichtige Ereigniß der vergangenen Woche, die 
Kaiserzusammenkunft an der Weichselmuͤndung, laͤßt an 
Interesse die übrigen Tages-Ereignisse weit hinter sich und bildet 
daher noch immer den Mittelpunkt aller Miitheilungen, Erörter⸗ 
ungen und Combinationen auf unserem politischen Gebiete. Nie⸗ 
mand verhehlt sich im Inlande wie im Auslande die Tragweite 
dieses fürstlichen Rendezvous, welches in der Reihe der Fuͤrsten⸗ 
begegnungen einen ganz hervorragenden Platz einnimmt. Von 
welchem Gesichtspunkte aus man aber auch die Begegnung zwischen 
aiser Wilhelm und Kaiser Alexander Ilj. betrachten moͤge, siets 
wird man zu dem Resultate gelangen, daß dieselbe unter die stärk⸗ 
ten Friedensgarantien, unter die erfreulichsten und wirksamsten 
Symptome für die Erhaltung des allgemeinen Friedens eingereiht 
verden kann. Denn von dem Tag von Danzig kann man mit 
Fug und Recht erwarten, daß er das alte freundschaftliche Ver— 
zältniß zwischen Deutschland und Rußland auf weitere Jahre hinaus 
derlüngern und dauernd befestigen werde. Von einem dauernden 
rinvernehmen zwischen dem deutschen Reiche und seinem östlichen 
Rachbarn hängt aber bei der ausgesprochenen Machtstellung beider 
Staaten in Europa auch die Erhaltung des gegenwärtigen Standes 
der Dinge auf unserem Continente ab und da die Politik Deutsch⸗ 
lands sich auch ferner in den bisherigen friedlichen Bahnen bewegen 
wird, so dürfen wir an die Kaiserbegegnung in Danzig die Hoff⸗ 
nung auf die Fortdauer des Friedens knüͤpfen. Was nun die 
jervorragendsten Momente der Kaiser-Entrevue selbst 
anbelangt, so tragen wir noch nach, daß das erste Zusammentreffen 
wischen Kaiser Wilhelm und Kaiser Alexander II. Freitag Nach— 
mitiag 1 Uhr an Bord der kaiserlich deutschen Yacht „Hohen—⸗ 
zollern“ stattfand. Beide Monarchen, sichtlich tief ergriffen, um— 
armten und küßten sich wiederholt, worauf der Czar den deutschen 
Kronprinzen in gleich herzlicher Weise begrüßte und sich sodann an 
den mitanwesenden Reichskanzler Fürst Bismarck wandie, mit wel— 
hem er sich lange unterhielt. Nach Einnahme des Dejeuners be— 
tiegen beide Kaiser nebst ihrem glänzenden Gefolge die bereit 
tehenden Wagen und fuhren unter dem Geläute der Glocken, dem 
Donner der Kanonen und den jubelnden Zurufen einer unzähligen 
bolksmenge in Danzig ein. Der Czar verließ noch am Freilag 
Abend auf seiner Yacht Danzig wieder. Kaiser Wilhelm begab 
ich von Danzig direct nach Berlin zurück und nahm an den Caval⸗ 
eries Manövern bei Conitz nicht theil. 
* Die Kaiserzusammenkunft stiellte natürlich die Vor⸗ 
zänge auf dem inneren politischen Gebieie, was die bergangene 
Woche anbetrifft, in den Schatten, doch gewährten dieselben im 
llebrigen auch nur wenig AÄusbeute. Ueber den augenblicklichen 
Stand der kirchenpolitischen Verhandlungen zwischen Preußen und 
dem Vaticane herrscht zwar noch keine volle Gewißheit, doch darf 
man annehmen, daß dieselben energisch weitergefördert werden und 
vielleicht schon in nächster Zeit überraschende Resultate zur Folge 
haben werden. Eine Andeuung hierüber gibt uns wenigstens eine 
Auslassung der der Regierung nahe stehenden „Nordd. Allg. Ztg.“, 
nach welcher sich die preußische Regierung ernstlich mit dem Ge— 
danken an die Wiedererrichtung einer preußischen Mission beim 
römischen Stuhle trägt. 
Auch die Besetzung des erzbischöflichen Stuhles in Frei⸗ 
burg soll in naher Aussicht stehen. Für diese hohe Kirchenwürde 
oll ein jüngerer bayerischer Geistlicher in Vorschlag gebracht 
worden sein. 
Ausland. 
In Paris ist in jüngster Zeit auf Anordnung des Kriegs— 
ninisters eine, wie man sie bei uns nennen würde, Kavalerie⸗ 
Zerathungs⸗Kommission zusammengetreten, um bezüglich der Ab⸗ 
chaffung der Kürassiere ihr Gutachten abzugeben. Diese Kommission 
jat sich aus denselben Gruͤnden, die auch bei uns hiefür maßgebend 
varen, dahin ausgesprochen, daß der Kuͤraß abzulegen und für die 
jesammte Kavalerie die Bewaffnung mit dem Karabiner einzu⸗ 
ühren sei. 
Long Brauch, 10. Sept. Das offizielle Bulletin von 
jestern Vormittag besagt: Der Präsident hai gut geschlafen, seine 
dräfte sind im Zunehmen begriffen, die Geschwulst ist vollständig 
jeschwunden. 
*In Egypten ist ein großer Mili tär⸗Aufstand ausgebrochen. 
000 Soldaten mit 30 Geschützen umz ingelten am Freitag das 
ßalais des Vicekönigs in Kairo und forderten die Einberufung der 
stotabeln und die Absetzung sämmilicher Minister. Der Khedive 
villigte in einen Wechsel des Ministeriums. Ein den fremden 
Tonsuln in Kairo vorher zugegangenes Circularschreiben constatirt, 
aß die Demonstration nicht gegen die Europäer gerichtet sei. 
Allgemein wird geglaubt, daß eine fremde Occupation Egyptens 
ur Nothwendigkeit werde. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 12. Sepi. Noch selten hat eine musi⸗ 
alische Produktion auf das hiesige Publikum eine solche Anziehungs⸗ 
raft ausgeübt, wie das am Sonntag Abend in Ober han sers 
Zaale vom „Cäcilien-Ver ein“ veranstaltete Conzert zum 
Besten des Kirchenbaues. Stand doch nicht allein ein außerordent⸗ 
icher Kunstgenuß in Aussicht, sondern galt es auch, eine edle 
Zache zu fördern. Das: Programm zählte 16 Piecen. Bei seiner 
Keichhaltigkeit war es jedoch auch ein sehr gewähltes und wurde 
bis zur letzten Nr. trefflich durchgeführi. Da war es denn auch 
elbstverständlich, daß die einzelnen Vorträge jedesmal lebhaften 
Beifall fanden. Von ergreifender Wirkung war besonders der 
stimmige Chor „Ave Maria“ von Abt. Angenehm lieblich klangen 
das Duo für Harmonium und Piano zu 4 Händen, das Terzett 
für Sopran, Alt und Baß und die beiden Duette für Sopran 
ind Alt „Herbstlied' und „Gruß.“ Die Klavierpidce Husaren⸗ 
itt“, arrangirt für Piano zu 6 Händen, und der gem. Chor 
„Winzer am Rhein“ mußten auf allgemeines Verlangen wiederholt 
vorgetragen werden. Sehr beifällig aufgenommen wurde aäuch die 
bNr. aus der „Schöpfung“ von Haydn. Die Klavierpiecen wur— 
en in der bekannten meisterhaften Weise von den Hrn. Woll, 
Schlaudecker und Henräüch executirt. Wie schon erwähnt, 
vpar das Conzert vom „Cäcilien-Verein“ veranstaltet; doch hat sich 
Herr Organist Woll, der Dirigent desselben, das Verdienst erworben, 
zur Mitirkung noch andere musikalische Kräfte heranzuziehen. 
Daß bei dem zahlreichen Besuche die Einnahme eine sehr gute war, 
versteht sich von selbst. Wir möchten darum empfehlen, von Zeit 
zu Zeit noch mehr derartige Conzerte folgen zu lassen. Denselben 
bliebe gewiß auch in Zukunft die Gunst des Publikums, sowohl 
des edlen Zweckes wie auch des zu erwarienden Kunstgenusses halber. 
zugewandt. 
*St. Ingbert, 12. Sept. Die am Samstag Abend 
im Lokale des Herrn L. Weirich stattgehabte Versammlung behufs 
Gründung eines eene Krankenunterstüg— 
ungse und Sterbkassen-Vereins war leider nicht so 
zahlreich besucht, als es im Interesse der gemeinnützigen Sache zu 
wünschen war. Aufgefallen ist es, daß gerade der Handwerkerstand, 
der ja in unserer Stadt der Wohlthaten eines derartigen Vereines 
bis jetzt gäünzlich entbehrte, während Schmelzarbeiter und Bergleute 
sich schon längst derselben erfreuen, so schwach vertreten war. Von 
den Anwesenden gaben die meisten, nachdem Zwecdk und Ziel des 
u gründenden Vereines kurz klar gelegt war, durch Unterschrift ihre 
heneigtheit zu erkennen, als Mitalieder beizutreten, falls die noch