Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler ZAnzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, Sonntags mit illustrirter Bei— 
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M 153. Sonntag, den 25. September 
18815 
Deutsches Reich. 
*Herr von Schlöð zer, der jetzt viel genannte preußische 
Unterhändler in Rom, ist nach Ankunft in Berlin am Mittwoch 
nach Varzin gereist, um deni Fürsten Bismark Bericht über das 
Resultat der Verhandlungen mit dem Cardinal Jakobini abzustatten. 
Nach der Rückkehr des Kaisers von Baden⸗Baden nach Berlin— 
welche für Anfang des nächsten Monats zu erwarten sieht, wird 
der genannte Diplomat dem Monarchen ebenfalls persönlich die 
Eindrücke schildern, welche er im Vatican empfangen hat; doch 
ist auch die Annahme nicht ausgeschlofsen, daß Herr von Schlözer 
fich zu diesem Zwecke nach Baden-Baden begeben wird. 
Trier, 22. Sept. Bischof Korum ist soeben mit dem Zuge 
lUhr 54 Min. auf dem Moselbahnhofe in Begleitung des Weih— 
bischofs Dr. Krafft, der ihm entgegengereist war, angekommen. 
Er begab sich sofort in einem Wagen nach der Vorstadt Sankt 
Paulin, von wo aus um 4 Uhr die feierliche Einholung stattfindet. 
*In der vergangenen Woche hebt sich ein festliches Ereigniß 
von dem nur wenig bewegten politischen Himmel zu Gunsten der 
nternationalen Stellung des deutschen Reiches ab, denn es 
desteht gar kein Zweifel darüber, daß die am 20. September in 
darlsruhe in Gegenwart unserer kaiserlichen Familie und anderer 
fürstlichen Gäste stattgefundene Vermählung des Kronprinzen von 
Schweden mit einer Enkelin unseres Kaisers, der Prinzessin Vik⸗ 
oria von Baden, auch eine weittragende politische Bedeutung hat. 
Es ist eine Thatsache, daß Schweden bis vor zehn Jahren abseits 
don Deutschland stand und Frankreich zuneigle, bis der Koͤnig 
Oskar zu Anfang der siebenziger Jahre eine Annäherung Schwedens 
an Deutschland vollzog, die nun auch durch die Vermählung des 
schwedischen Thronfolgers mit der deutschen Prinzessin eine neue 
Befestigung und Weihe erhalten hat. 
* Die Altionäre der Bergisch-Märkischen Eisenbahn haben 
n ihrer am 21. September zu Elberfeld stattgefundenen 
Beneralversammlung den Ankaufsofferten der preußischen Regierung 
jegenüber Beschluß gefaßt. Die Verstaatlichungsofferte wurde mi 
117,463 gegen 91538 vertretene Stimmen abgelehnt, dagegen 
wurde ein aus der Mitte der Versammlung eingebrachies Amendement, 
dem Staate die Bahn zu 5 pCt. zu offeriren, angenommen, und 
ein Ausschuß zur Leitung der Unterhandlungen mit dem Staate 
aiedergesetzt. 
Ein merkwürdiges Zeichen der Zeit liegt in dem Auftreten 
des socialdemokratischen Abgeordneten Kayser, der in einer Wahler⸗ 
oersammlung zu Freiberg in Sachsen die Wirthschaftspolitik 
des Reichskanzlers gegen Rickert vertheidigt und erkläri hat: er 
werde sich nicht abhalten lassen, in den Fragen, in denen Fürst 
Bismarck seiner Ansicht nach Recht habe, für denselben einzutreten 
Ausland. 
Paris, 22. Sept. Wie es heißt, wurde gestern die Er⸗ 
klärung über die Verlängerung des Handelsvertrags zwischen Frank⸗ 
reich und England bis zum 8. Dezember 1882 von Lord Lyons 
und Barthoͤlemy Saint⸗Hilaire unterzeichnet. 
Nom, 22. Sept. Eine Einigung zwischen der Kurie und 
xr preußischen Regierung über die Besehung des VBisthums Fulda 
st erzielt; Generalbvikar Koppo aus Hildelsheim wird Bischof 
don Fulda. 
London, 22. Sept. Der Hof legt um den Tod des 
Bräsidenten Garfield auf eine Woche Trauer an. Diese Be— 
timmung ist, wie die „Times“ bemerkt, in einem solchen Falle 
noch niemals zuvor getroffen worden. 
In New-York wurden am 22. Sept. 22,000 Dollars 
ür den flir Frau Garfield bestimmten Wittiwenfond gezeichnet. 
Man zweifelt nicht daran, daß er schleunigst eine Viertel Million 
rxreichen wird. Präsident Garfield hat kein Testament hinterlassen. 
Sein Vermögen wird auf ca. 28,000 Dollars geschätzt. Sein 
ꝛeben ist bei einer Assekuranzgesellschaft mit 25,000 Dollars und 
ei anderen Gesellschasten mit kleineren Beträgen versichert. 
Guiteau empfing die Kunde von dem Tode des Präsiden⸗ 
en mit großer Aufregung und sagte, er würde die That nicht ver⸗ 
ibt haben, wenn er hätte ahnen können, daß sie so viel Leiden 
overursachen würde. Menschenaruppen sind um das Gefänaniß 
herum bemerkt worden, und man fürchtet, daß sie in das Gefäng— 
niß dringen und den Mörder lynchen werden. Die Gefängniß—- 
vache ist verstärkt worden. 
Vermischtes. 
*Sit. Ingbert, 24. Sept. Aus Anlaß des Rennens 
ährt morgen, Sonntag, auch von hier ein Ertra-Zug nach 
Zweibrücken. Derselbe geht hier ab 10 Uhr 30 Min. 
Vormittags, Hassel ab 10 Uhr 39 Min., Niebderwürz— 
»ach ab 10 Uhr 46 Min., Lautzkirchen ab 10 Uhr 536 
Min., Bierbach ab 11 Uhr 2 Min.; Ankunft in Zwei⸗ 
hrücken 11 Uhr 13 Min. Die Rückfahrt von Zweibrücken nach hier 
hzat mit den gewöhnlichen Zügen zu geschehen. 
*— Die herbstlich kühle Temperatur heute beweist, daß der 
derbst nicht blos nach dem Kalender, sondern in Wirklichkeit seine 
Herrschaft angetreten hat. Hoffentlich nimmt er es vorlaäͤufig noch 
nicht so ernst und bringt uns noch etwas von dem Sonnenschein, 
den uns sein Vorgänger in letzter Zeit schuldig geblieben ist. 
Dürkheim, 21. Sept. Mit Beginn nächster Woche — 
Montag, Dienstag und Mittwoch — werden dahier, zufolge Be⸗— 
anntmachung des löbl. Bürgermeisteramtes, die Portugieser und 
aulen Trauben geherbstet. (Dürkh. Anz.) 
F Mörs, 19. Sept. Mit Bezug auf das Auswanderungs⸗ 
ieber, das einen größeren Theil der Arbeirer auf der Zeche, Rhein⸗ 
reußen“ erfaßt hat, erließ der Landrath unseres Kreises folgende 
Varnung: „Nachdem es zu meiner Kenntniß gekommen, daß in diesen 
Tagen ein gewisser Krem er, aus Dinslaken gebürtig, angeblich Bau— 
neister in Diensten einer Bergwerksgesellschaft im Staate Ohio in 
Rordamerika, eine Anzahl Bergleute der Zeche „Rheinpreußen“ zur 
luswanderung nach Amerika anzuwerben sucht, halte ich mich ver—⸗ 
flichtet, im Interesse der Arbeiler auf das Dringendste gegen die 
orgedachte Anwerbung zur Auswanderung nach Amerika zu warnen. 
stach eigener Wahrnehmung und nach mir gemachten Mittheilungen 
»er deutschen Consuln in den Städten Chicago, St. Louis u, s. w. 
st mir bekannt; 1) daß die bei der Anwerbung gemachten Ver— 
prechungen in Bezug auf Lohn u. s. w. durchweg nicht gehalten 
verden; 2) daß die hier in Deutschland mit den Arbeitern abge— 
chlossenen Verträge in Amerika keine Gültigkeit haben; 8) daß in 
jen Bergwerks-Districten, die meist ganz isolirt liegen, die Arbeiter 
jezwungen sind, alle ihre Bedürfnisse von den Gesellschaften selbst 
u beziehen, also von ihrer Ankunft an von diesen ganz abhängig 
ind; 4) daß jeder Arbeiter, dort einmal angekommen, gezwungen 
st, dort zu bleiben, da er die Mittel zur Rückreise nicht erwerdben 
ann und somit meist dem größten Elende ausgesetzt wird; 5) daß 
der anscheinend hohe Lohn mit Rücksicht auf die dortige Theuerung 
nicht höher ist, als der hiesige.“ 
F Ein entsetzliches Unglück ist am Sonntag in Mäben⸗ 
dorf bei Suhl geschehen. In dem niedrigen Saale des Gast— 
jofes war Tanz, ein Bursche riß den Kronleuchter herunter, und 
»as Steinöl entzündete sich. In größter Angst drängte Alles nach 
er 15stufigen Treppe, das Geländer brach und in dichtem Knäuel 
türzten die Massen übereinander weg. Nicht weniger als acht 
Leichen, ein Mann, ein Knabe und sechs Mädchen wurden aus 
dem Wirrwarr herborgezogen: die Zahl der Verletzungen ist gleich⸗ 
falls bedeutend. 
Die heilige Legion. Etwa 300 russische Edelleute habeu 
ich unter dem Namen „Die heilige Legion“ als eine Gegenver— 
einigung gegen nihilistische Attentate auf das Leben des Czaren 
organisiert. Sie verfügen über große Geldmittel und wenden ein 
vollständiges System geheimer Organisation in der Verfolgung 
ihrer Zwecke an. Ihr Einfluß bei Hofe soll, wie es heißt, dem 
—AV— 
F Laut Nachrichten aus China ist in Hongkong und Schang⸗ 
hai die Cholera ausgebrochen. 
F Findet irgendwo eine Gaserphosion mit Verlust von 
Menschenleben Statt, so wundert sich der Laie bisweilen darüber, 
daß es den Betheiligten nicht gelang, der Gefahr zu entrinnen. 
VBon dem berühmten Chemiker Berthelot neuerdings vorgenommene 
Hersuche erklären dies zur Genüge Gasgemische aus 3wei Thbeilen