ðSt. Indherter Amzeige
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
t. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich funfmal: Am Montag, Bienstag, Vonnerstag, Samstag und 'onntag; Amal wöchentlich m
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M IGI. Samstag, 8. Oktober 18813.
16.
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igen seine Betten dem Fuhrmann übergab, um
ieselben zur rechten Zeit im Badeorte anzutreffen?
die Schnelligkeit des Dampfwagens und der Com⸗
ort, mit welchem er heutzutage auch den weit⸗
jehendsten Ansprüchen auf Bequemlichkeit und Ele—
janz genügt, machen jetzt das Reisen auch in Be—
zug auf das Fortkommen zum Vergnügen, während
ruͤher jeder Reisende, namentlich der Kranke, mit
rleichtertem Herzen, aber zerrädertem Gebein dem
ctumpelkasten der gelben Postkutsche entstieg. Je
nehr aber der Deutsche seine Ansprüche an die Be—
zjuemlichkeit des Reisens erfüllt sah, desto mehr
vurde auch das Reisen selbst Mode. Tausende,
ie sonst während ihres ganzen Lebens an ihrer
seimischen Schwelle kleben geblieben wären, werden
etzt von dem geflügelten Rade der Lokomotive je—
ien Gegenden der Erde zugeführt, wo die Berge
ich himmelhoch thürmen, wo ihre Häupter mit
länzendem Eis und schimmerndem Schnee gekrönt
ind ihre Leiber mit frischgrünen Matten und
euchtenden Alpenrosen umgürtet sind.
Wenden wir uns mehr der materiellen Wirkung
z»es Eisenbahnwesens zu, so hören wir zunächst
ieben Lobpreisungen der Eisenbahn auch vielfach
dlagen aus Kleinstädten, daß diesen durch die
risenbahn nicht der gehoffte Vortheil, sondern
ielmehr Rückgang der Geschäfte gebracht worden
ei. Gewiß mag die Gelegenheit „schnell nach der
ntfernten Großstadt zu gelangen, nicht. nur um
eswillen fleißig benutzt werden, weil die Neugier
ort reichen Stoff zu ihrer Befriedigung findet,
ondern weil der Kauflustige die Kaufobjekte dort
n reicherer Auswahl und geschmackvollerer Aus⸗
attung findet, als in der Provinzialstadt. Aber
nan sollte in letzterer bedenken, daß die Eisenbahn
hr eine Menge Beamteter zu dauerndem und, wenn
eie Stadt in reizvoller Gegend gelegen ist, viele
Vergnügungsreisende zu vorübergehendem Aufent-
alte zuführt. Dazu kommt dem strebsamen Ge—
verbtreibenden und Großindustriellen der Kleinstadt
voch auch der Vortheil zu gut, daß er in der
Fisenbahn einen Verkehrsweg besitzt, auf welchem
ruschnell, billig und sicher die Produtte seines
Fleißes auf die Handelsplätze zu bringen im Stande
st. Früher waren die strebsamsten Männer der
erschiedensten Gerwerbe nur im Stande, auf klei—
ren Gewerbeausstellungen ihres Ortes hin nnd
vieder von ihrer Kunstfertigkeit und Leistungsfähig—
eit ein Beispiel zu geben, jetzt vermitteln die nur
urch das E'senbahnwesen möglich gewordenen
zroßen Ausstellungen die Erweiterung sowohl des
geistigen Horizontes, als auch der materiellen Ah⸗—
uzgebiete.
Nicht weniger als den provinziellen Gewerbtrei—
henden hört man oft den spekulirenden Kapitalisten
»er Großstadt auf die Eisenbahnen schimpfen, hat
r doch durch österreichische, russische oder rumänische
risenbahnpapiere beträchtliche Einbußen erlitten.
Wen sollte dies nicht schmerzen? Vergessen wir
iber nicht, daß nicht die Eisenbahn, sondern die
insinnige Spekulationswuth derartige Schmerzen
erschuldet hat, und daß bei dem Zurückgehen aus—
ändischer unsolider Eisenbahnaktien die soliden in—
ändischen ihren Kurs besserten. — Auch der Vor—
vurf ist der Eisenbahn gemacht worden, daß sie
zurch rasche und umfängliche Abfuhr eine wesentliche
Steigerung der Nahrungsmittel, wie aller Roh—
rodukte herbeigeführt habe. Dabei sollte jedoch
nuch erwogen werden, daß die Eisenbahn nicht nur
iner großen Menge von Menschen beim Bau ihrer
Zdchienenwege und durch ihren Betrieb ihre Exi—
tenzinittel giebb, sondern daß sie auch für einen
illgemeinen Ausgleich unter den Be—
inzelnen Länder iorgt. Es ist ihr z
s fast nicht mehr möglich ist, daß enn να. αα
Theuerung und Hungersnoth die Länder heimsucht
velche von ihren Armen erreicht werden, so daß
ilso ungünstige Umstände des einen Landes durch
»ie günstigen des anderen paralifiert werden.
Die Eisenbahn erschließt in wirksamster und voll⸗
ommenster Weise ein Land und stellt dessen Stoffe
mnd Kräfte in den Dienst der Menschheit. Die
ber⸗ und unterirdischen Schätze eines Landes,
pie Nahrungs- und Nutzpflanzen, Metalle,
dohlen, Torf, Thon u. s. w. werden nur in dem
Naße zu Quellen nationalen Reichthums, in welchem
Schienenwege vorhanden sind, sie nach Mittelpunkten
es Handels, der Industrie und Kunst zu führen.
der Landmann ist durch die Eisenbahn vielfach
um Handelsmann und Großindustriellen geworden,
enn er bingt Eier. Butter, Gemüse, Obst, Spiri—
us u. s. w. schnell nach den Absatzorten, wo die
rößte Nachfrage ist und daher auch der höchste
Ireis gezahlt wird. Das Gewerbe hat einen
nächtigen Impuls durch das Eisenbahnwesen inso⸗
ern bekommen, als nicht nur fast alle bereits be—
tehenden Gewerbszweige unmittelbar bei Herstellung
jon Eisenbahnbedürfnissen beschäftigt wurden, son—
dern auch ganz neue gewerbliche Thätigkeiten durch
zie Eisenbahn in's Leben gerufen worden sind.
Mehr als irgend ein anderer Faktor hat die
frisenbahn dem uniformierenden Prinzip der Kultur
borschub geleistet, indem sie unaufhaltsam die
zIhysiognomie eines Volkes und sein innerstes
denken und Fühlen durch Vernichtung von Sitten
ind Gebräuchen, Trachten, Religion und Sprache
erändert. Sie führt die heterogenen Volkselemente
ines vielsprachigen Reiches einander näher und
interstützt den vorherrschenden Stamm in seinem
Issimilierungsbestreben. In den civilisierten Län—
ern begünstigt das Eisenbahnwesen das Anwachser
der Stadtbevölkerung auf Kosten des platten Lan—
)»es, indem sie einen Theil der Landbevölkerungç
hrem eigentlichen Berufe entfremdet und aus Pro—
‚uzierenden Handelstreibende macht. Dadurch
vurde einerseits allerdings der früheren bäuerlicher
Zeschränktheit und Verschrobenheit theilweise eir
ende bereitet, zugleich aber auch die Einfachhei
er Sitten und der gesunde, gerade Sinn ver
vischt. p —*
So sehen wir allerorten den Einfluß des Eisen
»ahnwesens auf unser Volk.“ „Mit Dampf“ —
)as ist die Losung auch des deutschen Volkes ge
vorden. Wir meinen zu schieben, und werden
doch geschoben. Die Eisenbahn hat unserer Zei
ind unserm Volke den Stempel ruheloser Bewe
jung und innerer Unrube aufgedrückt
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 5. Ott. Das Referat über der
xultusetat ist in der That gestern formell an Dr
dittler übertragen worden. Correferent ist Dr. v
„chauß. Das „Vaterland“ hält die Ueberweisun
es Referats an Dr. Rittler für eine Falle un
zielleicht nicht mit Unrecht.
Die Matthias'sche Corresp. sagt, der Reichstat
verde wahrscheinlich auf den 10. November einbe
ufen werden, und außer dem Voranschlag der
deichsshaushalts für 1882/83 würden ihm Gegen
—I
vn der Reichsregierung schwerlich zugehen.
In verschiedenen Blättern wird jetzt ausposaunt
Ru
G. K. Das deutsche Holk und die Eisenbahnen.
mn keiner der Erscheinungen, zwischen denen sich
is Leben des Menschen abwickelt, zeigt sich der
influß der äußeren Verhältnisse auf das Innere
s Menschen, der materiellen Faktoren auf die in⸗
lektuelle, ja selbst moralische Bildung des Men—
en so evident, als in der Einführung und Aus—
eitung der Eisenbahnen. Die letzten 52 Jahre,
ährend welcher die Eisenbahn von England aus
en Verkehr in allen civilisirten Ländern des Er—
nrundes zu beherrschen anfing, sind auch für
eutschland und das deutsche Volk zu einer Epoche
inz neuer Entwicklungserscheinungen geworden.
her bereits sind wir, die Kinder dieser Zeit und
tes Geistes, so sehr von dem Hauche derselben
irchdrungen, daß es uns schwer fallen dürfte, die Ein—
irkungen des Eisenbahnwesens auf Handel und
jandel, Gewerbe und Verkehr, Hüttenindustrie und
ergbau u. s. w. so ins Einzelne zu verfolgen,
ß der Unterschied zwischen dem Sonst und Jetzt
cch, jeder Richtung hin deutlich in die Augen
änge. Uebrigens würde auch jeder, der diesen
rsuch unternehmen wollte, in die Gefahr gerathen,
der Gegenüberstellung der Lebensweise, der
itten und Gebräuche, der Handelsbeziehungen und
andelsbewegung, der Gewerbe in Stadt und Dorf
un sonst und jetzt in Bezug auf den Einfluß der
isenbahn entweder zu wenig oder zu viel zu be—
upten. Begnügen wir uns daher mit einigen
inweisen darauf, wie in deutlich erkennbarer
zeise das Eisenbahnwesen auf die Physiognomie
id die Seele des deutschen Volkes gewirkt hat.
In Deutschland hatte die Eisenbahn bei ihrem
utstehen keinen so hartnäckigen und erbitterten
'ampf mit Segel und Rnuder zu bestehen, wie in
»m Lande ihrer Geburtsstätte, England, wo sie
n bereits zu hoher Vollkommenheit gediehenes
analsystem und eine ansehnliche und zu zähem
iderstand entschlossene Anzahl von scheelsüchtigen
malaktienbesitzern zu überbieten und zu überwin—
in hatte. Sie hat auch in Deutschland meist nicht
rend und einschränkend, vielfach aber fördernd
if den Flußverkehr eingewirkt, indem sie leichter
das störrisch nach der Tiefe strebende Wasser
wasserscheidenden Höhenzüge überschritt und so
e Verbindung zwischen den Gebieten mächtiger
tröme herstellte, z. B. zwischen der Elbe und der
onau durch die Budweis-Linzer Linie und zwi—
sen der Donau und dem Rhein durch verschiedene
chienenstränge von der oberen Donau nach dem
densee, dem Nekar u. s. w.
Auf den Frachtverkehr durch das Fuhrwerk der
andstraße hat allerdings die Eisenbahn in auf⸗—
lligster Weise drückend gewirkt; denn der Fuhr—
ann in der blauen Kutte, der vormals das halbe
eich durchfuhr, ist jetzt ganz verschwunden oder
ꝛrsorgt Botengeschäfte und einigen Güterverkehr
vischen benachbarten Kleinstädten, welche noch nicht
vn der Eisenbahn berührt werden. Wer wollte
ber die Zeit zurückwünschen, da der Badereisende
Kochen vor seinem Abschiede von seinen Angehö—